Rz. 147

Der Tatbestand des Abs. 9 Nr. 1 setzt voraus, dass die Einkünfte bei Anwendung eines DBA in beiden Staaten nicht besteuert werden, weil Deutschland von einer Freistellung ausgeht und der andere Staat das Abkommen so anwendet, dass er kein Besteuerungsrecht oder nur ein begrenztes Steuerabzugsrecht hat. Ohne den Begriff selbst zu verwenden, behandelt die Vorschrift daher Qualifikationskonflikte, bei denen beide Staaten das DBA unterschiedlich auslegen daher unbesteuerte Einkünfte entstehen (zu Qualifikationskonflikten Rz. 153). Erfasst werden damit auch Fälle, in denen Deutschland das DBA so auslegt, dass der Stpfl. in dem anderen Staat eine Betriebsstätte hat, deren Einkünfte freizustellen sind, der andere Staat nach seiner Auslegung des DBA aber keine Betriebsstätte annimmt. Die Vorschrift berücksichtigt daher bereits die in Art. 9 Abs. 5 ATAD vorgesehene Regelung für nicht berücksichtigte Betriebsstätten. Zur besonderen Regelung bei unterschiedlicher Zuordnung zu verschiedenen Betriebsstätten vgl. Rz. 176.

 

Rz. 148

Die Vorschrift betrifft nur unbeschränkt Stpfl. Das Gesetz regelt also den Fall, dass der Stpfl. in der Bundesrepublik Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Geschäftsleitung oder Sitz hat. Dagegen ist bei dem Tatbestand der Nr. 1 nicht erforderlich, dass der Stpfl. in der Bundesrepublik auch ansässig i. S. d. DBA ist.[1] § 50d Abs. 9 EStG greift also auch ein, wenn zwar unbeschränkte Steuerpflicht besteht, die Bundesrepublik aber nicht der Ansässigkeitsstaat, sondern der Quellenstaat ist.[2] Das kann bei Doppelansässigkeit (z. B. Wohnsitz in beiden Staaten) der Fall sein. Dann bestimmt das DBA, welcher Staat der "Ansässigkeitsstaat" ist.[3] In diesem Fall kann der Stpfl. aufgrund seines Wohnsitzes im Inland unbeschränkt stpfl. sein, obwohl die Bundesrepublik nicht der Ansässigkeitsstaat i. S. d. DBA, sondern der Quellenstaat ist. Dann kann Abs. 9 eingreifen, wenn der andere Staat (der Ansässigkeitsstaat) die Einkünfte nicht besteuert und soweit die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 9 vorliegen.[4]

 

Rz. 149

Zwar wird auch bei beschr. Stpfl. (bei denen die Bundesrepublik der Quellenstaat ist) die Freistellungsmethode angewandt, bei ihnen kommt aber die Anwendung der Anrechnungsmethode nicht in Betracht. Bei beschr. Stpfl. kann es zur Anrechnung ausl. Steuer nur in Sonderfällen bei Bestehen einer inländischen Betriebsstätte kommen. Daher wäre bei beschr. Stpfl. eine allg. Subject-to-tax-Klausel gegenstandslos. Die Freistellung bei beschränkter Steuerpflicht erfolgt, wenn ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats besteht. Das kann der Fall sein bei Lizenzeinnahmen nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA, bei Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanteilen, und nach Art. 21 OECD-MA bei den Einkünften, die nicht unter einen speziellen Artikel des DBA fallen. In diesen Fällen darf der Quellenstaat, sofern in dem DBA die Freistellung vereinbart ist, auch dann nicht besteuern, wenn der Ansässigkeitsstaat wegen einer anderen Auslegung des DBA (Qualifikationskonflikt) die Ansicht vertritt, kein Besteuerungsrecht zu haben, wenn er aufgrund seiner nationalen Gesetze Einkünfte dieser Art nicht besteuert oder den Besteuerungsfall nicht kennt, weil der Stpfl. die Einkünfte nicht angegeben hat.

 

Rz. 150

Entsprechend ist § 50d Abs. 9 EStG nicht anwendbar, wenn zwar unbeschränkte Steuerpflicht besteht, diese aber nicht die Welteinkünfte, sondern wie die beschr. Steuerpflicht nur die inländische. Einkünfte umfasst. Das ist bei der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG der Fall.[5] Das bedeutet, dass die Freistellung bei beschr, oder fiktiv unbeschränkt Stpfl. vorbehaltlich besonderer Bestimmungen in dem DBA auch dann gewährt wird, wenn im Ansässigkeitsstaat, aus welchen Gründen auch immer, nicht besteuert wird.

 

Rz. 151

Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn sich die Freistellung in der Bundesrepublik aus einem DBA ergibt. Sie ist daher nicht anwendbar, wenn nationale oder EU-rechtliche Steuerbefreiungen anzuwenden sind (z. B. § 8b Abs. 1, 2 KStG, § 50g EStG).[6] Das gilt auch, wenn die Bundesrepublik Einkünfte anders qualifiziert als im DBA vorgesehen.[7] Diese Steuerbefreiungen beruhen, anders als Steuerfreistellungen aufgrund von Qualifikationskonflikten, auf einem Willensakt des Gesetzgebers und sind grds. unabhängig von der Besteuerung in einem anderen Staat. Diese unilateralen Steuerbefreiungen bleiben also erhalten, auch wenn der ausl. Staat die entsprechenden Einkünfte nicht besteuert und dadurch unbesteuerte, "weiße" Einkünfte entstehen. Allerdings ist dieser Grundsatz eingeschränkt worden. So kann im Rahmen des Konvergenzprinzips (§ 8 Abs. 3 S. 4, § 8b Abs. 1 S. 2 KStG) darauf abzustellen sein, wie die Besteuerung im ausl. Staat ausgestaltet ist.

 

Rz. 152

Da die Vorschrift "Einkünfte" erfasst, können hierunter auch Verluste fallen.[8] Ausl. Verluste werden nach deutscher Auffassung von der Freistellungsmethode erfasst (§ 2a EStG Rz. 10b). Bei Vorliegen der Tatbestände...

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