Rz. 60

Das zweites Tatbestandsmerkmal, das die Vermutung einer missbräuchlichen Gestaltung begründet, besteht nach § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EStG darin, dass die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit aufweist (sachliche Entlastungsberechtigung). Gemeinsam mit der fehlenden persönlichen Berechtigung der begünstigten Personen nach Nr. 1 begründet dies die Vermutung, dass die ausl. Körperschaft die Einkunftsquelle, aus der die steuerabzugspflichtigen Einnahmen fließen, im Wesentlichen aus steuerlichen Gründen hält.[1] Einkunftsquelle in diesem Zusammenhang ist die Einkunftsquelle, aus der die Einnahmen fließen, deren Entlastung von der Abzugsteuer infrage steht. Bei der KapESt ist es die Beteiligung, aus der die Gewinnausschüttung fließt, bei Zinsen das Darlehen, bei Lizenzgebühren das immaterielle Wirtschaftsgut und der Lizenzvertrag bzw. Unter-Lizenzvertrag.

 

Rz. 61

Das Merkmal der Nr. 2 wirft europarechtliche Probleme auf. Nach dem ersten Halbsatz soll ein Missbrauch bereits dann vorliegen, wenn die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit der Körperschaft aufweist. Damit wird die Vermutung aufgestellt, dass das Unterhalten einer in dieser Weise isolierten Einkunftsquelle bereits einen Missbrauch darstellt. Das entspricht aber nicht der Rspr. des EuGH (Rz. 23ff.).Missbrauch ist nur eine rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktion. Es ist aber nicht begründbar, dass das Unterhalten einer isolierten, nicht mit einer Wirtschaftstätigkeit zusammenhängenden Einkunftsquelle eine rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktion darstellt. Dies ist nur bei Durchleitungsgesellschaften der Fall, deren Zweck darin besteht, die erhaltenen Einnahmen praktisch unverändert und unverzüglich weiterzuleiten. Dieser Aspekt wird in § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EStG aber erst im zweiten Halbsatz berücksichtigt, indem bestimmt wird, dass diese Tätigkeit als Durchleitungsgesellschaft keine wirtschaftliche Tätigkeit ist. Der Tatbestand der Durchleitungsgesellschaft erscheint also als Unterfall des Fehlens eines Zusammenhangs mit einer Wirtschaftstätigkeit. Das suggeriert, dass es auch außerhalb des Tatbestands der Durchleitungsgesellschaft Fälle des Missbrauchs gibt. Das widerspricht aber der Rspr. des EuGH, die eine Vermutung des Missbrauchs nur bei Durchleitungsgesellschaften zugelassen hat. Im Wege der europarechtskonformen Auslegung ist daher davon auszugehen, dass in Fällen, in denen die Körperschaft nicht die Funktion einer Durchleitungsgesellschaft hat, der Gegenbeweis nach § 50d Abs. 3 S. 2 EStG regelmäßig als erbracht anzusehen ist.

 

Rz. 62

Die Einkunftsquelle muss einen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse haben (Funktionsvoraussetzung). Dies ist die in dem ersten Teil des S. 1 genannte Körperschaft, d. h. diejenige Körperschaft, die den Anspruch auf Ermäßigung von der Abzugsteuer geltend macht. Dies ist durch den Ausdruck "dieser Körperschaft" klargestellt. Es ist also auf die Wirtschaftstätigkeit derjenigen Körperschaft abzustellen, die die Ermäßigung der Abzugsteuer unmittelbar beansprucht, und damit auf die eigene Wirtschaftstätigkeit der Körperschaft. Das Halten der Einkunftsquelle muss in Bezug auf ihre Wirtschaftstätigkeit eine wirtschaftliche Funktion erfüllen, erfüllt haben oder aus ihr resultieren.[2]

 

Rz. 63

Durch die Formulierung "dieser Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse" ist auch klargestellt, dass der fehlende Zusammenhang mit der Wirtschaftstätigkeit der zwischengeschalteten Körperschaft nicht durch einen Zusammenhang mit der Wirtschaftstätigkeit einer übergeordneten Gesellschaft ersetzt werden kann. Das ergibt sich auch daraus, dass die Einkunftsquelle auf der Ebene der übergeordneten Gesellschaft eine andere ist als auf der Ebene der zwischengeschalteten Körperschaft. Die Einkunftsquelle auf der Ebene der übergeordneten Gesellschaft ist die Beteiligung an der zwischengeschalteten Gesellschaft, die Einkunftsquelle auf deren Ebene ist die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft bzw. das immaterielle Wirtschaftsgut.[3] Anders als der Tatbestand der Nr. 1 enthält der Tatbestand der Nr. 2 keine fiktive Zurechnung der Einkunftsquelle der zwischengeschalteten Körperschaft an die übergeordnete Gesellschaft oder natürliche Person.

 

Rz. 64

Unterhält die zwischengeschaltete Gesellschaft keine Wirtschaftstätigkeit, kann die Einkunftsquelle auch nicht im Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit stehen. Die Entlastungsberechtigung entfällt dann. Die Wirtschaftstätigkeit anderer konzernangehöriger Gesellschaften, seien es Mutter-, Tochter- oder Schwestergesellschaften, sind in die Beurteilung nicht einzubeziehen, auch nicht, wenn sie in dem gleichen Staat ansässig sind wie die eingeschaltete Körperschaft. Andererseits kommt es nicht darauf an, in welchem Staat die eingeschaltete Körperschaft ihre Wirtschafts...

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