Rz. 171e

Die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F ist durch das ZKAnpG (Rz. 1j) inhaltsgleich in § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG überführt worden.

Das Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen war bis Vz 2007 (Rz. 171d und 171f) im Einzelnen nicht kodifiziert, sondern beruhte überwiegend auf Richterrecht, das von der Finanzverwaltung in mehreren Anwendungsschreiben gebilligt worden ist. Die Übertragung ausreichend existenzsichernden Vermögens auf erbberechtigte Verwandte wurde privilegiert. Es lagen keine Veräußerungsgeschäfte und Anschaffungskosten vor, sondern der Vorgang wurde insgesamt als unentgeltlich behandelt, wenn Leistung und Gegenleistung nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen waren, sondern sich die Höhe der Versorgungsleistungen nach dem Versorgungsbedürfnis des Empfängers der Versorgungsleistungen richtete. Der unentgeltliche Vorgang führte beim Empfänger der Versorgungsleistungen zu Einkünften nach § 22 EStG, beim Zahlenden zu Sonderausgaben nach § 10 EStG. Zu unterscheiden war je nach Vereinbarung zwischen den Parteien zwischen Leibrente und dauernder Last.

Durch die Rspr. des Großen Senats[1] ist die Reichweite des Instituts erheblich ausgeweitet worden.

Waren bis dahin die Übergabe von existenzsichernden Wirtschaftseinheiten in Form von (Teil-)Betrieben, Mitunternehmeranteilen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und vermietete und verpachtete Grundstücke begünstigt, ließ der Große Senat auch die Übertragung von Geldvermögen, Wertpapieren oder typisch stillen Beteiligungen zu. Hierzu gehörte auch die Übertragung eines selbst genutzten Einfamilienhauses oder von Geldvermögen zur Tilgung von Verbindlichkeiten, da auch Nutzungsvorteile wie ersparte Miet- oder Zinsaufwendungen zu den Erträgen des übergebenen Wirtschaftsguts rechneten.[2]

 

Rz. 171f

Der Gesetzgeber ist der Kritik des Bundesrechnungshofs gefolgt (vgl. zur Kritik an der Rspr. § 22 EStG Rz. 94ff.) und hat das Rechtsinstitut durch das JStG 2008 v. 20.12.2007[3] in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. (ab Vz 2015: § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) geregelt und auf seinen Kernbereich zurückgeführt, der Übertragung betrieblichen Vermögens. Insbesondere die Übertragung von Geldvermögen hat dazu geführt, dass der seit 1974 (!) gesetzlich ausgeschlossene private Schuldzinsenabzug wieder zugelassen wurde. Im Ergebnis waren entgegen den Abzugsverboten des § 12 Nr. 1 und 2 EStG Unterhaltszahlungen von Kindern an ihre Eltern aus dem einzigen Grund abziehbar, weil die Eltern in der Lage waren, den Kindern Vermögen zu übertragen.

 

Rz. 171g

Die Neuregelung ist nach § 52 Abs. 18 S. 1 EStG auf alle Versorgungsleistungen anzuwenden, die auf nach dem 31.12.2007 vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen. Entscheidend ist somit der Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags. Die Regelung gilt auch für die Übertragung im Todesfall, wenn sie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Lebzeiten des Erblassers ebenfalls begünstigt wäre.[4] Für Verträge, die vor dem 1.1.2008 abgeschlossen worden sind, gelten die bisherigen Rechtsgrundsätze weiter.[5] Ausgenommen sind aber solche Altverträge, bei denen das übertragene Vermögen nur deshalb einen ausreichenden Ertrag bringt, weil ersparte Aufwendungen (z. B. ersparte Zinsen) mit Ausnahme des Nutzungsvorteils (ersparte Miete) eines zu eigenen Zwecken vom Vermögensübernehmer genutzten Grundstücks zu den Erträgen des Vermögens gerechnet werden (§ 52 Abs. 18 S. 2 EStG). Die Übertragung eines selbst genutzten Einfamilienhauses ist daher ab 1.1.2008 nicht mehr begünstigt, sofern die Erträge sich aus ersparten Zinsen ergeben, selbst wenn der Vertrag vor diesem Stichtag geschlossen worden ist. Ein Verstoß gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes liegt nicht vor, da die Verwaltung diese Auffassung bereits seit 2004 entgegen der Auffassung des Großen Senats[6] vertreten hat und eine gesetzliche Regelung erstmals eingeführt wird, sodass keine verfassungsrechtliche Rückwirkung vorliegen kann.[7]

Zu den weiter geltenden Grundsätzen bei Altverträgen wird auf § 22 EStG Rz. 55ff. verwiesen.

[3] BGBl I 2007, 3150.
[4] BFH v. 11.10.2007, X R 14/06, BFH/NV 2008, 277; BMF v. 11.3.2010, IV C 3 – S2221/09/10004, Rz. 2, BStBl I 2010, 227; Krüger, in Schmidt, 2023, EStG, § 10 EStG Rz. 111; Vogel, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 10 EStG Rz. 92.
[5] BFH v. 9.9.2020, X R 3/18, BFH/NV 2021, 304: Verzichtete ein Pflichtteilsberechtigter auf seinen Pflichtteilsanspruch, können die im Gegenzug vereinbarten Versorgungsleistungen keine zurückbehaltenen Vermögenserträge sein, die den Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG i. d. F. vor dem JStG 2008 rechtfertigen.
[6] BFH v. 12.5.2003, GrS 1/00, 2/00, BStBl II 2004, 95, 100.

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