Rz. 44

Überschreitet ein Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit bei verschiedenen Arbeitgebern die zulässige Höchstarbeitszeit ist für die jeweiligen Arbeitgeber von Belang, welche Konsequenzen sich hieraus ergeben.

Die Schutzgesetze des ArbZG sind gesetzliche Verbote i. S. d. § 134 BGB. Damit sind die Rechtsgeschäfte, vorliegend also der Abschluss des Arbeitsvertrags, die gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 verstoßen, nichtig. Hier findet das Prioritätsprinzip Anwendung: das zeitlich zuletzt abgeschlossene Arbeitsverhältnis, das die durch § 3 ArbZG festgelegte zulässige Höchstarbeitszeit überschreitet, ist gem. § 134 BGB nichtig.[1]

 

Rz. 45

Bezüglich des Umfangs der Nichtigkeit ist dabei aber zu differenzieren. Einigkeit besteht darüber, dass § 139 BGB im Arbeitsrecht aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes keine Anwendung findet.[2] Daher indiziert die Teilnichtigkeit im Zweifel in diesen Fällen nicht die vollumfängliche Nichtigkeit. In jedem Einzelfall ist folglich zu ermitteln, ob das zuletzt abgeschlossene Arbeitsverhältnis vollumfänglich nichtig ist oder ob es auf einen gesetzlich zulässigen Rahmen reduziert werden kann, mithin eine geltungserhaltende Reduktion möglich ist.[3]

Erreicht der Arbeitnehmer durch die innerhalb der zulässigen Höchstarbeitszeit liegenden Arbeitsverhältnisse bereits beinahe das zeitlich zulässige Kontingent, ist das danach abgeschlossene Arbeitsverhältnis, mit dem die Höchstarbeitszeit überschritten wird, in der Regel in vollem Umfang nichtig.[4]

Anders kann dies dann zu beurteilen sein, wenn das zuerst geschlossene Arbeitsverhältnis noch nicht das zeitliche Höchstmaß ausschöpft und das zuletzt abgeschlossene Arbeitsverhältnis auch bei einer Kürzung auf das zulässige Höchstmaß noch sinnvoll durchgeführt werden kann. Eine geltungserhaltende Reduktion ist dann durchführbar, sodass das zuletzt abgeschlossene Arbeitsverhältnis lediglich teilnichtig ist.[5]

 

Rz. 46

Zu beachten ist aber, dass die Sanktionen, die §§ 22, 23 ArbZG für eine Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit vorsehen, jeden Arbeitgeber, also auch diejenigen der zuerst begründeten Arbeitsverhältnisse, treffen. Dies ist Ausfluss des Präventivprinzips.

 

Rz. 47

 
Hinweis

Abfrage weiterer Arbeitsverhältnisse

Es ist für den Arbeitgeber ratsam bei Vertragsschluss schriftlich weitere Arbeitsverhältnisse des Arbeitnehmers abzufragen, sowie eine schriftliche Anzeigepflicht bei Aufnahme weiterer Arbeitsverhältnisse mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren. Ihm kann dann jedenfalls nicht vorgeworfen werden, wissentlich einen Arbeitnehmer zu beschäftigen, der bereits durch ein anderes Arbeitsverhältnis die arbeitszeitgesetzlichen Grenzen (nahezu) erreicht hat, und dessen zusätzliche Beschäftigung daher rechtswidrig ist.

 

Rz. 48

Wegen der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einhaltung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG hat dieser auch ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis von weiteren Beschäftigungen und daher auch ein Auskunftsrecht bezüglich des Bestehens und dem Umfang der weiteren Arbeitsverhältnisse.[6] Insofern besteht auch eine Erkundigungspflicht des Arbeitgebers, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass der Arbeitnehmer weitere Arbeitsverhältnisse unterhält, um dem Vorwurf der Fahrlässigkeit vorzubeugen.

Verstößt dann der Arbeitnehmer gegen seine Aufklärungspflicht, macht er sich gegebenenfalls gegenüber dem Arbeitgeber schadensersatzpflichtig, §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB.

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