Rz. 28

Wege- und Reisezeiten, sei es von der Wohnung zum Betrieb des Arbeitgebers zur Arbeitsaufnahme oder um die Arbeit an einem anderen Ort als der Betriebsstätte fortzusetzen, bedürfen aus arbeitnehmerschutzrechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls einer Einteilung in Arbeitszeit und Ruhezeit.

Die Zugehörigkeit der Zeiten zur Arbeitszeit nach dem ArbZG ist nach dem Zweck der Distanzüberwindung, Gestaltung und Belastung des Arbeitnehmers während dieser Zeiten differenziert zu betrachten.

 

Rz. 29

Zunächst hat sich in Rechtsprechung und Literatur eine Unterscheidung zwischen Wege- und Reisezeiten entwickelt. Zur Bestimmung, ob Arbeitszeit i. S. d. ArbZG vorliegt, ist dies nicht zwingend erforderlich. Im Hinblick auf die durch Rechtsprechung und Literatur überwiegend vorgenommene Kategorisierung der einzelnen Zeiten, ist deren Kenntnis aber hilfreich und dient auch der Übersichtlichkeit und damit dem besseren Verständnis. Daher erfolgt hier eine Darstellung der entwickelten Grundsätze.

Die Eingliederung in die jeweilige Kategorie erfolgt uneinheitlich.

 

Rz. 30

In Anlehnung an § 119 Abs. 2 Satz 1 EStR, der bis 1996 galt und für das Vorliegen einer Geschäftsreise an eine Entfernung von mindestens 15 km von der regelmäßigen Betriebsstätte anknüpfte, wird teilweise versucht, die Reisezeit anhand örtlicher Kriterien zu bestimmen und daher auf die Gemeindegrenzen abgestellt.[1] Die Zeiten, die der Arbeitnehmer im betrieblichen Interesse für Wege innerhalb der Gemeinde des Betriebsorts aufwende, seien Wegezeiten, außerhalb der Gemeindegrenze handele es sich um Reisezeiten.[2]

Eine Unterscheidung nach räumlichen Kriterien ist aber weder aus arbeitsschutzrechtlicher noch aus vergütungsrechtlicher Sicht sachdienlich.

 

Rz. 31

Deshalb wird auf eine Unterscheidung anhand des Zwecks des Weges zurückgegriffen. Diene dieser der Überwindung der Distanz zwischen Wohnung und Betrieb, handelt es sich um Wegezeit.[3] Andere Zeiten, die der Arbeitnehmer aufwendet, um eine Distanz zwischen 2 Punkten zu überwinden, sind Reisezeiten, sofern die Überwindung aus betrieblichem Anlass erfolgt.[4]

 

Rz. 32

Nach ständiger Rechtsprechung gilt, dass die Wegezeit, die der Arbeitnehmer von der eigenen Wohnung zum Betrieb zurücklegt, nicht zur Arbeitszeit gem. § 2 Abs. 1 zählt[5], da die Aufnahme der Arbeit erst am Arbeitsplatz erfolgt.[6]

[1] Anzinger/Koberski, § 2 ArbZG, Rz. 17.
[2] Els, BB 1986, 2192, 2192.
[3] Baeck/Lösler, NZW 2005, 247, 249.
[4] Baeck/Deutsch, § 2 ArbZG, Rz. 70.
[5] BAG, Urteil v. 26.8.1960, 1 AZR 421/58.
[6] Baeck/Deutsch, § 2 ArbZG, Rz. 71.

2.1.4.1 Reisezeiten

 

Rz. 33

Bei den Reisezeiten ist weiter zu differenzieren.

 

Rz. 34

Besteht die vertraglich geschuldete Hauptleistung des Arbeitnehmers in der Überwindung einer Entfernung, erbringt er Vollarbeit durch das Steuern des Fahrzeugs. Damit liegt Arbeitszeit i. S. d. ArbZG vor.

 
Praxis-Beispiel

Fernfahrer, Busfahrer, Taxifahrer

Besteht der Zweck des Arbeitsverhältnisses im Steuern von Fahrzeugen, sind diese Fahrzeiten Arbeitszeit i. S. d. § 2.

 

Rz. 35

Differenzierend ist dies zu beurteilen, wenn die Hauptleistungspflicht nicht in der Steuerung des Fahrzeugs liegt. Dann unternimmt der Arbeitnehmer eine Fahrt an einen Ort außerhalb der regulären Arbeitsstätte, an dem er ein Dienstgeschäft zu erledigen hat, mithin eine Dienstreise.[1] Unbeachtlich ist hierbei, ob der Arbeitnehmer regelmäßig Dienstreisen zur Erfüllung seiner Hauptleistungspflichten unternimmt, wie etwa ein Außendienstmitarbeiter, oder ob dies eine Ausnahme darstellt.[2] Die Einordnung der Reisezeit als Arbeitszeit i. S. d. ArbZG wird seit einiger Zeit neu diskutiert.

Nach bislang herrschender Meinung gilt die sog. Beanspruchungstheorie. Ob Reisezeit als Arbeitszeit gilt, hängt danach ausschließlich vom Grad der Belastung des Arbeitnehmers ab.

Der EFTA-Gerichtshof hat in einer neueren Entscheidung dagegen Dienstreisen unabhängig vom Beanspruchungsgrad des Arbeitnehmers bis zur Ankunft im Hotel als Arbeitszeit eingeordnet. In dessen Folge könnte es auch zu einer Änderung der Rechtsprechung des EuGH kommen. Dies gilt es, genau zu beobachten. Solange es jedoch keine gegenläufigen Entscheidungen von EuGH oder den deutschen Gerichten gibt, ist weiterhin von der Beanspruchungstheorie auszugehen.[3]

 

Rz. 36

Bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Flugreisen muss weiter unterschieden werden. Kann der Arbeitnehmer während der Reisezeit schlafen, lesen, etc. liegt keine Arbeitszeit i. S. d. ArbZG vor. Hat er allerdings die Reisezeit im Interesse des Arbeitgebers aufzuwenden, beispielsweise durch Bearbeitung von Akten oder E-Mails, erbringt der Arbeitnehmer nach der Beanspruchungstheorie auch hierbei Vollarbeit unabhängig von seinem Aufenthaltsort. Und demzufolge ist diese Zeit als Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1 einzustufen.[4]

 

Rz. 37

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie Zeiten, die der Arbeitnehmer in betriebseigenen Beförderungsmitteln von der Betriebsstätte zu einer auswärtigen Arbeitsstätte und zurück verbringt, zu beurteilen sind. In der kon...

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