Rz. 4

Für den Begriff der Arbeit fehlt eine gesetzliche Definition.

Sie liegt jedenfalls dann vor, wenn der Arbeitnehmer Vollarbeit leistet, d. h. wenn er in vollem Umfang für die Zwecke des Arbeitgebers eingesetzt wird und damit durch die Arbeit – körperlicher oder geistiger Natur – voll beansprucht wird.[1] Damit ist die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung durch den Arbeitnehmer Vollarbeit.

Um dem Gesetzeszweck des ArbZG gerecht zu werden, müssen vom Begriff der Arbeitszeit aber auch Zeiten erfasst werden, in denen der Arbeitnehmer zwar nicht seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag tatsächlich erfüllt, aber seine Arbeitsleistung vertragsgemäß dem Arbeitgeber anbietet, also zur Erfüllung seiner Pflichten dem Arbeitgeber an einem bestimmten Ort zur Verfügung steht.[2]

Gestaffelt nach der Intensität der Leistung haben sich dabei verschiedene Formen der Arbeit i. S. d. Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) entwickelt. Ebenso gibt es verschiedene Formen der Ruhezeit.

[1] Baeck/Lösler, NZA 2005, 247, 247.
[2] BayObLG, Beschluss v. 23.3.1992, 3 ObOWi 18/92; EuGH, 21.2.2018, C-518/15 (Ville de Nivelles/Rudy Matzak); EuGH, Urteil v. 9.3.2021, C-344/19 (DJ/Radiotelevizija Slovenija).

2.1.1.1 Vollarbeit

 

Rz. 5

Die Vollarbeit ist die intensivste Form der Belastung während der Arbeitszeit.[1]

[1] Definition s. Rz. 4.

2.1.1.2 Arbeitsbereitschaft

 

Rz. 6

Einen Unterfall der Vollarbeit stellt die Arbeitsbereitschaft dar. Wie sich bereits aus § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG ergibt, zählt sie kraft Gesetz zur Arbeitszeit. Arbeitsbereitschaft liegt begrifflich dann vor, wenn vom Arbeitnehmer eine wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung verlangt wird.[1]

Die Belastung während der Arbeitsbereitschaft ist gegenüber der Belastung während der Vollarbeit geringer, da der Arbeitnehmer aufgrund der geringeren tatsächlichen Leistung als arbeitsvertraglich geschuldet in den "Zustand der Entspannung" verfallen kann.[2]

 

Rz. 7

Für die Einordnung der Arbeitsbereitschaft als Arbeitszeit i. S. d. ArbZG spielt der Vergleich mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung keine Rolle, da die vereinbarte Leistung nicht ausschlaggebend sein kann, um dem Gesetzeszweck – Schutz der Arbeitnehmer – Rechnung zu tragen. Vergütungsrechtlich kann dieser Ansatz aber zu vertretbaren Ergebnissen führen, da aufgrund der geringeren Belastung als vereinbart eine geringere Vergütung gerechtfertigt sein kann. Für die Definition und Zuordnung im Rahmen des ArbZG ist besser von der Beanspruchung des Arbeitnehmers auszugehen. Daher ist der Grad der tatsächlichen Beanspruchung des Arbeitnehmers während der Tätigkeit relevant[3], unabhängig von der vertraglich geschuldeten Leistung.

 

Rz. 8

Die Abgrenzung zwischen der Vollarbeit einerseits und der Arbeitsbereitschaft andererseits kann in der Praxis für Vergütungsfragen zu Schwierigkeiten führen. Daher sind in Zweifelsfällen alle Umstände des Einzelfalls zu betrachten und eine Gesamtbetrachtung anzustellen.[4] Berücksichtigung sollten dabei insbesondere folgende Aspekte finden:

  • Häufigkeit und Dauer der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Arbeitsbereitschaft,
  • Grad der geforderten Aufmerksamkeit,
  • die Regelmäßigkeit der Unterbrechungen und der so mögliche Entspannungsgrad,
  • die Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Schwere der Folgen bei Säumnis rechtzeitigen Eingreifens und der Einfluss auf den Lebensrhythmus.[5]

Für die Bewertung der Arbeitsbereitschaft als Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist diese Unterscheidung aber nicht erforderlich. Arbeitsbereitschaft ist Arbeitszeit.

 

Rz. 9

 
Praxis-Beispiel

Kellnerin in Arbeitsbereitschaft

Eine Kellnerin hält sich im Verkaufsraum auf, muss aber gerade weder Essen und Getränke servieren noch wird sie von einem Gast gerufen.

Sie kann zwar einen Moment durchatmen, muss aber ständig wachsam sein, ob sie von einem Gast gerufen wird, ob etwas zu servieren ist oder ob in sonstiger Weise ihre Arbeitskraft erforderlich ist. Trotz der momentanen Entspannung gilt diese Arbeitsbereitschaft als Arbeitszeit.

 

Rz. 10

 
Praxis-Beispiel

Warten im Vorzimmer des Vorgesetzten

Ein Angestellter, der zum Vorgesetzten zur Berichterstattung gerufen wird, muss im Vorzimmer noch warten, bis der Vorgesetzte ein Telefonat beendet hat. Trotz des scheinbar arbeitsfreien Moments gilt diese Wartezeit als Arbeitszeit.

 

Rz. 11

 
Praxis-Beispiel

Maschinenbediener bei selbstständigem Lauf der Maschine

Läuft eine Maschine selbstständig, nachdem sie vom Maschinenbediener eingestellt und bestückt wurde, gilt die Wartezeit des Arbeitnehmers dennoch als Arbeitszeit. Trotz selbstständigem Lauf muss der Maschinenbediener wachsam bleiben, um bei Fehlfunktionen der Maschine schnell eingreifen zu können. Es liegt also Arbeitszeit vor.

[1] BAG, Urteil v. 14.4.1966, 2 AZR 216/64; BAG, Urteil v. 28.1.1981, 4 AZR 892/78.
[4] MünchArbR/Anzinger, § 298, Rz. 21.
[5] Schliemann, § 2 ArbZG, Rz. 188.

2.1.1.3 Bereitschaftsdienst

 

Rz. 12

Eine weitere Erscheinungsform der Arbeit ist der Bereitschaftsdienst.

Dab...

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