Rz. 2

Der Begriff der Arbeitszeit i. S. d. Gesetzes ist von dem der vertraglichen Arbeitszeit, der etwa für vergütungsrechtliche Fragen relevant wird, zu unterscheiden. Arbeitszeit i. S. d. Gesetzes ist ausschließlich nach arbeitsschutzrechtlichen Maßstäben zu bestimmen.[1]

 

Rz. 3

Die Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1 ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.

Nach der EuGH-Rechtsprechung wird der Begriff Arbeitszeit dabei im Einzelnen insbesondere durch objektive Merkmale in Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und Zwecks der EU-Richtlinie 2003/88/EG bestimmt. Danach ist Arbeitszeit als Zeitspanne definiert, in welcher der Arbeitnehmer nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Als maßgeblich wird hier zudem berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer objektiv erheblich in seiner Freizeitgestaltung beeinträchtigt wird.[2] Den begrifflichen Gegenspieler zur Arbeitszeit bildet die Ruhezeit. Auch diese unterliegt als unionsrechtlicher Begriff dem Schutzbereich der EU-Richtlinie 2003/88/EG.[3] Die Teilnahme an vorgeschriebenen beruflichen Fortbildungen zählt auch als Arbeitszeit, selbst wenn diese extern/außerhalb des gewöhnlichen Arbeitsorts stattfinden.[4]

Daneben sind die gesonderten nationalen und unionsrechtlichen Rechtsprechungen, insbesondere zu Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, zu beachten.[5]

Eine Besonderheit gilt zudem im Bergbau. Hier sind die Ruhezeiten ebenfalls als Arbeitszeit zu werten.

Insofern ist entscheidend, was unter dem Begriff der "Arbeit" zu verstehen ist, um deren Beginn und Ende und damit die Arbeitszeit festlegen zu können.

[2] EuGH, Urteil v. 21.2.2018, C-518/15 (Ville de Nivelles/Rudy Matzak); EuGH, Urteil v. 9.3.2021, C-344/19 (DJ/Radiotelevizija Slovenija).
[3] Henssler/Willemsen/Kalb/Gäntgen, § 2 ArbZG, Rz. 4; EuGH, Urteil v. 9.3.2021, C-344/19 (DJ/Radiotelevizija Slovenija).
[4] EuGH, Urteil v. 28.10.2021, C-909/19 (B X/Unitatea Administrativ Teritorială D.).
[5] Siehe dazu unter 2.1.1.3 und 2.1.1.4.1.

2.1.1 Begriffe der Arbeit und der Ruhezeit

 

Rz. 4

Für den Begriff der Arbeit fehlt eine gesetzliche Definition.

Sie liegt jedenfalls dann vor, wenn der Arbeitnehmer Vollarbeit leistet, d. h. wenn er in vollem Umfang für die Zwecke des Arbeitgebers eingesetzt wird und damit durch die Arbeit – körperlicher oder geistiger Natur – voll beansprucht wird.[1] Damit ist die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung durch den Arbeitnehmer Vollarbeit.

Um dem Gesetzeszweck des ArbZG gerecht zu werden, müssen vom Begriff der Arbeitszeit aber auch Zeiten erfasst werden, in denen der Arbeitnehmer zwar nicht seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag tatsächlich erfüllt, aber seine Arbeitsleistung vertragsgemäß dem Arbeitgeber anbietet, also zur Erfüllung seiner Pflichten dem Arbeitgeber an einem bestimmten Ort zur Verfügung steht.[2]

Gestaffelt nach der Intensität der Leistung haben sich dabei verschiedene Formen der Arbeit i. S. d. Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) entwickelt. Ebenso gibt es verschiedene Formen der Ruhezeit.

[1] Baeck/Lösler, NZA 2005, 247, 247.
[2] BayObLG, Beschluss v. 23.3.1992, 3 ObOWi 18/92; EuGH, 21.2.2018, C-518/15 (Ville de Nivelles/Rudy Matzak); EuGH, Urteil v. 9.3.2021, C-344/19 (DJ/Radiotelevizija Slovenija).

2.1.1.1 Vollarbeit

 

Rz. 5

Die Vollarbeit ist die intensivste Form der Belastung während der Arbeitszeit.[1]

[1] Definition s. Rz. 4.

2.1.1.2 Arbeitsbereitschaft

 

Rz. 6

Einen Unterfall der Vollarbeit stellt die Arbeitsbereitschaft dar. Wie sich bereits aus § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG ergibt, zählt sie kraft Gesetz zur Arbeitszeit. Arbeitsbereitschaft liegt begrifflich dann vor, wenn vom Arbeitnehmer eine wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung verlangt wird.[1]

Die Belastung während der Arbeitsbereitschaft ist gegenüber der Belastung während der Vollarbeit geringer, da der Arbeitnehmer aufgrund der geringeren tatsächlichen Leistung als arbeitsvertraglich geschuldet in den "Zustand der Entspannung" verfallen kann.[2]

 

Rz. 7

Für die Einordnung der Arbeitsbereitschaft als Arbeitszeit i. S. d. ArbZG spielt der Vergleich mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung keine Rolle, da die vereinbarte Leistung nicht ausschlaggebend sein kann, um dem Gesetzeszweck – Schutz der Arbeitnehmer – Rechnung zu tragen. Vergütungsrechtlich kann dieser Ansatz aber zu vertretbaren Ergebnissen führen, da aufgrund der geringeren Belastung als vereinbart eine geringere Vergütung gerechtfertigt sein kann. Für die Definition und Zuordnung im Rahmen des ArbZG ist besser von der Beanspruchung des Arbeitnehmers auszugehen. Daher ist der Grad der tatsächlichen Beanspruchung des Arbeitnehmers während der Tätigkeit relevant[3], unabhängig von der vertraglich geschuldeten Leistung.

 

Rz. 8

Die Abgrenzung zwischen der Vollarbeit einerseits und der Arbeitsbereitschaft andererseits kan...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge