Rz. 12

Der Begriff der Arbeitszeit ist im Arbeitsrecht nicht einheitlich definiert, sondern weist jeweils – je nach Zusammenhang – unterschiedliche Merkmale auf. Das Arbeitszeitgesetz dient dem Arbeitnehmerschutz. Daher ist im Rahmen dieses Gesetzes der arbeitsschutzrechtliche Begriff der Arbeitszeit heranzuziehen. Dieser ist nicht immer deckungsgleich mit dem Begriff der Arbeitszeit, der im Arbeitsvertragsrecht Anwendung findet, sowie dem, der betriebsverfassungsrechtlich relevant wird.

4.1 Arbeitsschutzrechtlicher Arbeitsbegriff

 

Rz. 13

Der in diesem Gesetz angewandte Begriff der Arbeitszeit bestimmt sich ausschließlich nach arbeitnehmerschutzrechtlichen Gesichtspunkten. Seiner Natur nach ist er öffentlich-rechtlich. Nach § 2 Abs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Die Zuordnung bestimmter Zeiten zur Arbeitszeit i. S. d. Gesetzes ist daher anhand der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers – im Einklang mit dem Zweck des Gesetzes – zu beurteilen.

4.2 Arbeitsvertraglicher Arbeitszeitbegriff

 

Rz. 14

Der arbeitsvertragsrechtliche Begriff der Arbeitszeit dagegen ist privatrechtlicher Natur. Er erfasst die Zeit, die nach dem zwischen den Parteien geltenden Arbeitsvertrag als Arbeitszeit eingestuft wird. Dies ist unabhängig von der Zuordnung zum Arbeitszeitbegriff im Arbeitnehmerschutzrecht zu beurteilen und kann daher abweichen. Relevant wird der arbeitsvertragsrechtliche Arbeitszeitbegriff etwa für die vertraglich vereinbarte Gegenleistung, also die Vergütung. Ist eine gewisse Zeit oder Tätigkeit, wie beispielsweise das Umkleiden vor Arbeitsbeginn, nach dem Arbeitsvertrag als Arbeitszeit vereinbart, so ist sie vergütungspflichtig. Dabei können aber Abstufungen in der Vergütung aufgrund geringerer Belastung als arbeitsvertraglich vereinbart gerechtfertigt sein.

 

Rz. 15

 
Praxis-Beispiel

Arbeitszeit bei Dienstreise mit Zug

Der Arbeitnehmer macht eine Dienstreise, die eine 8-stündige Anfahrt mit dem Zug erfordert.

Bewertung

Nach dem Arbeitszeitgesetz ist die Reisezeit im Zug keine Arbeitszeit, wenn er während der Fahrt privaten Tätigkeiten nachgehen darf (Lesen, Telefonieren, Schlafen etc.). Arbeitsvertraglich, oft auch per Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag kann aber geregelt sein, dass diese Reisezeit vollständig oder auch nur teilweise als Arbeitszeit vergütet wird. Arbeitet der Arbeitnehmer nach der Ankunft tatsächlich (z. B. Besprechung mit Kunde), könnte es arbeitsvertragsrechtlich sogar zu Mehrarbeit kommen. Arbeitszeitgesetzlich hat er bei Ankunft allerdings noch nicht gearbeitet und hat daher noch 8 (bzw. 10) Stunden, bis die arbeitszeitgesetzlichen Höchstarbeitszeiten erreicht sind.

4.3 Betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitszeitbegriff

 

Rz. 16

Uneinigkeit besteht zunächst schon darüber, ob der Begriff der Arbeitszeit i. S. d. Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) überhaupt von dem des ArbZG abweicht. Gegen eine Deckungsgleichheit führt das BAG an, dass der Begriff der Arbeitszeit i. S. d. BetrVG nach dem Zweck der Mitbestimmung zu definieren ist. Die Beteiligung des Betriebsrats dient der Geltendmachung der Arbeitnehmerinteressen an der Lage ihrer Arbeitszeit, da damit verbunden deren Interesse an der freien Gestaltung ihres Privatlebens ist.[1] Aus diesem Grund ist der Begriff der Arbeitszeit im mitbestimmungsrechtlichen Sinn weiter zu verstehen, als im Sinne des ArbZG.

Dagegen wird vorgebracht, dass die in § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG enthaltene Definition auch für andere Gesetze gilt, sofern diese keine Abweichung vorschreiben.[2] Da das BetrVG keine abweichende Definition enthält, soll der arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeitbegriff auch im Rahmen dieses Gesetzes heranzuziehen sein.

 

Rz. 17

Allerdings ist im Hinblick darauf, dass § 2 Abs. 1 ArbZG eben gerade keine klare Definition enthält, sondern der Ausgestaltung unterliegt, diese Ansicht abzulehnen. Ferner ist sowohl im ArbZG als auch bei den Regelungen zur Mitbestimmung des Betriebsrats in den Fällen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG der Arbeitnehmer Adressat des Schutzgutes, einmal bezüglich der Gesundheit und im anderen Fall bezüglich der freien Gestaltung seines Privatlebens. Nicht einzusehen ist daher, weshalb dieser Schutz in einem Fall verkürzt werden solle, um einen Gleichlauf der Begriffe zu erreichen. Daher ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitszeitbegriff abweichend von dem arbeitsschutzrechtlichen zu bestimmen.

 

Rz. 18

Die Auswirkungen der unterschiedlichen Beurteilung zeigen sich darin, dass der Betriebsrat auch bei Bestimmungen des Arbeitgebers zur Arbeitszeit, die im arbeitsschutzrechtlichen Sinne nicht von der Arbeitszeit erfasst ist, ein Mitbestimmungsrecht i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG haben kann.

[2] Baeck/Deutsch, Einführung, Rz. 69.

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