Mindestlohn: Anrechnung besonderer Vergütungsbestandteile

4.10.1 Keine Anrechenbarkeit

 

Rz. 55

Auf den gesetzlichen Mindestlohn sind nicht anrechenbar

  1. Vermögenswirksame Leistungen[1]
  2. Nachtschichtzuschläge[2]

    Nachtzuschläge sind deshalb nicht anrechenbar, weil der Gesetzgeber für die Zahlung von Nachtzuschlägen in § 6 Abs. 5 ArbZG eine gesonderte Rechtsgrundlage geschaffen hat. Aus dieser lässt sich entnehmen, dass mit dem Grundlohn Nachtzuschläge nicht abgegolten sind. Zudem geht der EuGH davon aus, dass Zuschläge, die für Erschwerungen der Arbeit gezahlt werden, mit einem Mindestlohn nicht abgegolten sind.

  3. Jede Form von Aufwendungserstattung wie Spesen,auch wenn sie pauschaliert gezahlt wird.

    Diesbezüglich maßgeblich dürfte die Einhaltung der steuerlichen Freibeträge sein. Erfolgen darüber hinaus (steuerpflichtige) Zahlungen, können diese Arbeitsentgelt darstellen und angerechnet werden.[3]

4.10.2 Anrechenbarkeit

 

Rz. 56

Auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar sind

  1. Allgemeine Tätigkeitszulagen, die der Arbeitnehmer für jede Tätigkeitsstunde erhält und die nicht zur Abgeltung besonderer Erschwernisse dienen.

    Dazu gehört beispielsweise die Bauzulage oder auch eine "Verkehrsmittelzulage", die jeder Arbeitnehmer für eine Reinigungstätigkeit erhält.[1]

  2. Aufwendungserstattungen des Arbeitgebers, die zum Ausgleich von Aufwendungen dienen, die der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst zu tragen hätte, können auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden.

    Dies gilt jedoch nur, sofern die Aufwendungserstattungen Entgeltcharakter haben. Ob das der Fall ist, ist dem Willen der Vertragsparteien bzw. dem Tarifvertrag zu entnehmen. Zu dieser Fallgruppe gehören beispielsweise die Kosten der Fahrt zur Arbeit.

  3. Tarifliche Einmalzahlungen

    Diese sind jedoch nur für den Monat der Zahlung anrechenbar. Zudem müssen sie unwiderruflich aufgezahlt werden.

  4. Sonn- und Feiertagszuschläge, da diese als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gezahlt werden.[2]
  5. Schichtzuschläge, wenn diese als Gegenleistung für die tatsächlich geleistete Arbeitsleistung gezahlt werden.[3]
  6. Auch weitere Vergütungsbestandteile sind also anrechenbar, wenn diese als Gegenleistung für die tatsächlich geleistete Arbeitsleistung gezahlt werden, wie z. B. eine Anwesenheitsprämie[4] eine Treueprämie[5], sonstige Prämien.[6]

4.10.3 Sachleistungen des Arbeitgebers

 

Rz. 57

Eine Erfüllung des Mindestlohnanspruchs durch Sachbezüge nach § 107 Abs. 2 GewO ist eigentlich ausgeschlossen, weil gem. § 1 Abs. 2 der Mindestlohn in EUR geschuldet wird.

 
Praxis-Beispiel

Ein Saisonarbeiter, der beispielsweise für ein paar Wochen im Jahr als Spargelstecher für einen Stundenlohn von 11 EUR pro Stunde arbeitet und neben seinem Stundenlohn kostenlos verpflegt wird, sowie eine Werksdienstwohnung zur Verfügung gestellt bekommt, könnte, wenn eine Anrechnung der kostenlosen Wohnung und der kostenlosen Logis nicht möglich wäre, künftig pro Stunde 1,41 EUR mehr verlangen. Damit wären dem Mitarbeiter künftig 12,41 EUR pro Stunde zu gewähren.

Die Problematik der Anrechnung von Sachleistungen wird teilweise durch Entsende-Richtlinien geregelt. Nach Art. 3 VII der Richtlinie 96/71/EG fallen Entsende-Zulagen nicht unter den Mindestlohn, wenn sie als Erstattung für tatsächlich entstandene Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten entsendeter Arbeitnehmer gezahlt werden. Für Unternehmen mit dem Sitz in einem Nicht-EU-Staat wird in Art. 20 der noch nicht umgesetzten Richtlinie für Saisonarbeiter vom 26.2.2014[1] geregelt, dass Unterbringungskosten nicht vom Lohn abgezogen werden dürfen. Entsprechendes gilt für Inlandssachverhalte. Dem Arbeitnehmer, dem durch die Besonderheit der Tätigkeit zusätzliche Unterbringungs-, Reise- und Verpflegungskosten entstehen, werden durch Zahlung des Arbeitgebers hierfür entstandene Aufwendungen ersetzt und nicht die normale Leistung vergütet. Daher gilt auch für Inlands-Saisonarbeiter, dass die Zahlung von Unterbringungskosten nicht auf die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns angerechnet werden darf.[2]

Bei sonstigen Sachleistungen des Arbeitgebers stellt sich das Problem der Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn in aller Regel deswegen nicht, weil § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO der Anrechenbarkeit entgegensteht. Danach darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.[3] Damit ist die Vereinbarung von Sachbezügen zwar grundsätzlich möglich, tatsächlich besteht dafür jedoch nur wenig finanzieller Spielraum, da der pfändbare Teil eines Arbeitseinkommens bei einer Vollzeittätigkeit mit einem...

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