Rz. 49

Bezüglich der Zahlung von Gratifikationen in Form von Einmal- oder Sonderzahlungen besteht Einigkeit, dass diese, wenn Gegenstand der Gratifikation auch eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung ist, nur dann für die Monate, in denen sie tatsächlich gezahlt werden, berücksichtigt werden können, wenn diese für die normale Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt wurden. Erfolgt die Zahlung aufgrund von anderen Zwecken besteht keine Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn.[1]

Außerdem kann die Zahlung von Sonderzahlungen oder Boni nur dann angerechnet werden, wenn diese rückforderungsfest sind. Das heißt, die Zahlung muss unwiderruflich und ohne Anknüpfung an weitere Voraussetzungen, wie z. B. Betriebstreue, erfolgen.[2] Steht die Zahlung unter dem Vorbehalt, dass der Arbeitnehmer noch eine weitere Zeit im Arbeitsverhältnis verbleibt oder handelt es sich nur um einen rückforderbaren Vorschuss, besteht keine Anrechnungsmöglichkeit auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Die Lösungen zu den Beispielen oben (4.6) müssen also lauten:

In Beispiel (1) besteht daher keine Anrechnungsmöglichkeit, weil das 13. Gehalt zum einen erst im November ausgezahlt wird und zum anderen nicht feststeht, ob es der Arbeitnehmer überhaupt erhält, weil es von der Zielerreichung abhängt. Hier liegt die Vergütung somit unter dem Mindestlohn.

In Beispiel (2) besteht keine Anrechnungsmöglichkeit, auch nicht für den Monat Juli, weil das Urlaubsgeld nicht nur für die reguläre Arbeitsleistung gezahlt wurde. Hier liegt die Vergütung somit auch unter dem Mindestlohn.

Im Beispiel (3) ist das Weihnachtsgeld nicht berücksichtigungsfähig, weil es zurückzuzahlen ist, falls der Arbeitnehmer ausscheidet.

 

Rz. 50

Da Arbeitsverhältnisse, die eine nur so geringe Vergütung vorsehen, dass sich die Problematik des Mindestlohns stellt, in aller Regel nicht unter den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, werden Gratifikationen und Einmalzahlungen i. d. R. nicht tarifvertraglich geschuldet, sondern regelmäßig "nur" arbeitsvertraglich. Damit besteht die Möglichkeit, hier eine Änderung vorzunehmen und anstelle einer Einmalzahlung zu einem bestimmten Stichtag die Einmalzahlung auf die 12 Kalendermonate gleichmäßig zu verteilen. Aber auch hier ist Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer einen nicht rückgängig machbaren Anspruch auf die Zahlung hat.[3]

Die vertragliche Formulierung könnte wie folgt lauten:

 
Praxis-Beispiel

"Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt, die monatlich anteilig für jeden Monat des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit einem Zwölftel ausgezahlt wird. Für Monate, in denen kein Anspruch auf Vergütung besteht, besteht auch kein Anspruch auf anteilige Sonderzahlung."

Sollte mit der Gratifikation keine Vergütung der normalen Arbeitsleistung bezweckt werden, wäre eine Anrechnung auf den Mindestlohnanspruch nicht möglich. Wenn z. B. mit dem Urlaubsgeld, das zusätzlich zum Urlaubsentgelt gezahlt wird, nicht eine Vergütung der normalen Arbeitszeit, sondern allein der Ausgleich von Zusatzkosten vorgenommen werden soll, wäre eine Anrechnung dieser Gratifikation auf den Mindestlohnanspruch nicht möglich.

Faktisch dürfte die Frage der Zahlung von Urlaubsgeld im Niedriglohnsektor allerdings kaum eine Rolle spielen.

[1] BAG, Urteil v. 7.9.2017, 5 AZR 317/16; Vgl. Sittard, Das MiLoG – Ein Ausblick auf die Folgen und anstehende Weichenstellungen, NZA 2014, 952; Jöris/v. Steinau-Steinrück, der gesetzliche Mindestlohn, BB 2014, S. 2101, 2103; ebenso Lakies, MiLoG, § 1, Rz. 50; a. A. Bayreuther, NZA 2014, 868, BAG, Urteil v. 25.5.2016, 5 AZR 135/16.

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