Die Gefährdungsbeurteilung ist ein bedeutsamer Baustein zur Prävention von MSE, da sie – als Ausgangspunkt der Ergonomie-Analyse – wichtige Erkenntnisse zu möglichen Belastungen des Muskel-Skelett-Systems liefert. Neben der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und -umgebung beinhaltet die Ergonomie-Analyse auch die Erfassung von körperlichen Beanspruchungen sowie Körperhaltungen. Werden in einem Unternehmen Umstrukturierungen vorgenommen, müssen im Anschluss erneute Ergonomie- und Gefährdungs-Analysen erfolgen, um Belastungen, die infolge der Änderungen der Arbeitsbedingungen entstanden sind, zeitnah zu ermitteln.

Unternehmen sind daher angehalten, Arbeitsplätze und -bedingungen nicht nur ganzheitlich, sondern auch kontinuierlich zu betrachten. Zudem müssen Unternehmen laut Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) dafür Sorge tragen, dass eine Gefährdungsbeurteilung an Telearbeitsplätzen, also an fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplätzen im Privatbereich der Beschäftigten, durchgeführt wird. Darüber hinaus ist es sinnvoll, Mitarbeiter, die mobil/multilokal arbeiten, mit ergonomischen Hilfsmitteln auszustatten.

Bevor mit der Analyse begonnen wird, muss zunächst geklärt werden, was mit der Analyse erreicht werden soll. Zielsetzung, Unternehmensstruktur sowie -strategie sind entscheidende Kriterien zur Vorbereitung der Ergonomie-Analyse. Letztgenannte sollte Schritt für Schritt strategisch durchgeführt werden:

  1. Vorbereitung der Ergonomie-Analyse,
  2. Festlegen von Tätigkeiten und Bereichen,
  3. Ermittlung der Gefährdungen/Belastungen,
  4. Beurteilung der Gefährdungen/Belastungen,
  5. Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen,
  6. Kontrolle der Wirksamkeit,
  7. Fortschreibung,
  8. Dokumentation.

Nachdem die organisatorischen Rahmenbedingungen festgelegt wurden (Schritte 1 und 2), müssen die Verantwortlichen, ausgehend von betrieblichen Gegebenheiten, Voraussetzungen, Erwartungen an die Aussagekraft der Ergebnisse, Zielen und Tätigkeiten, geeignete Methoden bzw. Verfahren zur Ermittlung von Gefährdungen auswählen. Bei der Entscheidung, welche Verfahren bzw. Methoden zum Einsatz kommen, helfen folgende Kriterien:

  • Beurteilungsniveau,
  • Nutzer- bzw. Anwendergruppen,
  • welche Tätigkeiten mit den damit verbundenen Belastungsarten analysiert werden sollen (z. B. manuelle Lastenhandhabung, Körperhaltung, Aktionskräfte, repetitive Tätigkeiten).

Zur Durchführung einer Ergonomie-Analyse empfiehlt sich ein mehrstufiges Verfahren aus Grob-Screening-Verfahren, speziellen Screening-Verfahren sowie Experten-Screening-Verfahren. In Abhängigkeit von Beurteilungsniveau und Belastungsarten können unterschiedliche Methoden bzw. Verfahren zum Einsatz kommen (Tab. 1).

 
  Belastungsarten
Manuelle Lastenhandhabung1 Körperhaltung2 Aktionskräfte3 Repetitive Tätigkeiten4
HHT Z/S Kombiniert
Grob-Screening-Verfahren DGUV-I 240-460/DGUV-I 208-033 (X) (X)   (X) (X) (X)
AWS light (X) (X)   (X) (X) (X)
Spezielle Screening-Verfahren LMM-HHT X          
LMM-Z/S   X        
LMM-MAP           X
RULA       X   (X)
OCRA Checkliste           X
Multiple-Lasten-Tool X X X      
IAD-BkB X X   X X X
  EAWS/AAWS+ X X   X X X
Expertenverfahren Kraftbewertungs-verfahren         X  
  NIOSH-Verfahren X          
  OWAS       X    
  OCRA-Verfahren           X
Messverfahren CUELA und andere Messverfahren Kontinuierliche Messung von biomechanischen Belastungsgrößen und/oder physiologischen Messgrößen

1 HHT: Heben, Halten, Tragen; Z/S: Ziehen, Schieben; "kombiniert" für die kombinierte Bewertung.

2 Durch die Tätigkeit erzwungene Körperhaltungen mit geringem äußeren Kraftaufwand.

3 Erhöhte Kraftanstrengungen und/oder Krafteinwirkungen (Ganzkörper oder Hand-Arm).

4 Finger-Hand-Arm-Belastungen durch repetitive Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen.

Tab. 1: Übersicht zu Screening-Verfahren[1]

Zusätzlich zur objektiven Ermittlung der Arbeitsbedingungen kann die subjektive Einschätzung der körperlichen Belastungen und Beanspruchungen mithilfe einer Mitarbeiterbefragung erhoben werden (Tab. 2).

 
Fragebogen Inhalte
Fragebogen zu gesundheitlichen Beschwerden und Belastungen am Arbeitsplatz (AOK)
  • Arbeitsablauf/-organisation
  • Arbeitsplatzausstattung, Ergonomie
  • physische Belastungen
  • persönliche gesundheitliche Situation
  • gesundheitliche Beschwerden in Zusammenhang mit Tätigkeit am Arbeitsplatz
Fragebogen zur subjektiven Einschätzung der Belastung am Arbeitsplatz (Slesina)
  • Beurteilung von Arbeitsbedingungen hinsichtlich der Belastungen des Muskel-und Skelettsystems
  • Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastungen und Beanspruchungen

Tab. 2: Übersicht zu Fragebögen

Gefährdungen bzw. Belastungen können mithilfe unterschiedlicher Kriterien/Verfahren ermittelt werden:

  • Checklisten zur Belastungssituation (z. B. DGUV-I 240-460),
  • Risikoindex (z. B. RULA),
  • Kraftindex (z. B. NIOSH-Verfahren),
  • Leitmerkmalmethoden (z. B. Leitmerkmalmethode Heben und Tragen),
  • Foto- und Videoanalysen (z. B. CUELA),
  • ergonomische Messverfahren (z. B.CUELA),
  • Fragebögen (z. B. Slesina).
 
Praxis-Tipp

Weitere Hilfen

Weitergehende Hinweise zur Risikobeurteilung, ...

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