Durch das Gebot der Entgeltgleichheit wird die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers eingeschränkt, der nicht ohne Grund Personen wegen ihres Geschlechts schlechter behandeln darf als Personen des anderen Geschlechts. Verboten wird also nicht generell eine unterschiedliche Vergütung bei gleicher Arbeit. Dem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, bei identischer Arbeit z. B. einer Frau mit besseren Zeugnisnoten eine höhere Vergütung zu zahlen als einem Mann mit schlechteren Noten. Verboten ist nur eine unterschiedliche Behandlung gerade aufgrund des jeweiligen Geschlechts, wenn also ein ursächlicher Zusammenhang (Kausalität) zwischen Geschlecht und unterschiedlicher Behandlung besteht.[1]

Bei den Ungleichbehandlungen unterscheidet man zwischen den unmittelbaren und mittelbaren Ungleichbehandlungen.

[1] Häferer; Köhler, Dornbusch/Krumbiegel/Löwisch, AR, 10. Aufl. 2021, § 3 EntgTranspG, Rz. 3; Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2022, Art. 157 AEUV, Rz. 16.

1.1 Unmittelbare Ungleichbehandlungen

Eine unmittelbare Ungleichbehandlung ist eine Situation, in der eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.[1]

 
Praxis-Beispiel

Geringeres Entgelt

Arbeitgeber X zahlt Frauen einen niedrigeren Stundenlohn, ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie als den männlichen Kollegen.[2]

Hier liegt unzweifelhaft eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts vor, da die niedrigere Entlohnung – unstreitig – allein auf dem Geschlecht beruht.[3] Anknüpfungspunkt für die ungleiche Entlohnung ist (nur) das Geschlecht. Nicht erforderlich ist, dass die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht das einzige Motiv für die Ungleichbehandlung ist. Es ist also keine besondere Absicht des Arbeitgebers zur Benachteiligung eines bestimmten Geschlechts erforderlich, sondern ein Motivbündel genügt.[4]

 
Praxis-Beispiel

Geringeres Entgelt aufgrund Verhandlungsgeschick

Arbeitgeber X stellt Bewerberin F zu einem Monatslohn von 3.500 EUR ein, obwohl er einen Monat zuvor den männlichen Bewerber M zu einem Monatslohn von 4.000 EUR eingestellt hatte. X begründet die unterschiedliche Bezahlung mit dem besseren Verhandlungsgeschick des M, der nur zu diesem Betrag zum Abschluss des Arbeitsvertrags bereit gewesen ist.

Ausreichend ist das Vorliegen eines Motivbündels, das die Entscheidung des Arbeitgebers (mit)beeinflusst hat. Im obigen Fall war die Zahlung des höheren Entgelts an den männlichen Bewerber M möglicherweise in erster Linie durch dessen Weigerung zum Vertragsabschluss zu dem niedrigeren Gehalt motiviert. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Zugehörigkeit der Bewerberin F zum weiblichen Geschlecht die Entscheidung des X, der F die Stelle für das niedrigere Gehalt anzubieten, zumindest mitbeeinflusst hat.[5]

Ersichtlich kann eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nur dann ausgeschlossen werden, wenn die Geschlechtszugehörigkeit des Arbeitnehmers die Entscheidung des Arbeitgebers nicht zumindest (mit)beeinflusst hat.

[3] Siehe Fn. 21.
[4] Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2022, Art. 157 AEUV, Rz. 37.

1.2 Mittelbare Ungleichbehandlung

Eine mittelbare Ungleichbehandlung liegt vor, wenn der Anknüpfungspunkt für einen Vorteil oder einen Nachteil neutral ist, aber sich bei Angehörigen eines Geschlechts besonders nachteilig auswirkt, während dies bei den Angehörigen des anderen Geschlechts überhaupt oder wesentlich weniger stark der Fall ist.[1]

 
Praxis-Beispiel

Weihnachtsgratifikation

Arbeitnehmer mit einer geringfügigen Beschäftigung erhalten im Unternehmen U keine Weihnachtsgratifikation; eine solche wird nur den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten gezahlt.[2]

Im obigen Beispiel ist das Kriterium für eine unterschiedliche Behandlung an sich neutral und knüpft nicht an die Geschlechtszugehörigkeit der Mitarbeiter an. Da allerdings im Ergebnis prozentual erheblich mehr Frauen als Männer geringfügig beschäftigt sind, kann hierin eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts liegen. Denn dann wirkt sich das Unterscheidungskriterium "geringfügige Beschäftigung" besonders nachteilig bei weiblichen Mitarbeitern aus.[3]

Insbesondere zieht der EuGH eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts bei der Benachteiligung teilzeitbeschäftigter gegenüber vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in Betracht.[4]

[1] Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2022, Art. 157 AEUV, Rz. 43.
[2] EuGH, Urteil v. 9.9.1999, C-281/97 (Krüger/Kreiskrankenhaus Ebersberg).
[3] Siehe Fn. 30.
[4] Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2022, Art. 157 AEUV, Rz. 44 m. w. N.

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