Entscheidungsstichwort (Thema)

Differenzlohnansprüche und Entschädigungsanspruch bei geschlechtsbezogener Benachteiligung einer Produktionsmitarbeiterin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die bei der Entgeltzahlung rechtswidrig benachteiligte Arbeitnehmerin hat entsprechend der zugrunde liegenden Regelung einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung; aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Benachteiligung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist.

2. Benachteiligungen wegen des Geschlechts stellen regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar; der Entschädigungsanspruch des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen und die im benachteiligenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung als solche unabhängig von den arbeitsvertraglichen Ansprüchen ahnden.

 

Normenkette

AGG § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2, § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 25.09.2013; Aktenzeichen 12 Ca 372/13)

 

Tenor

  1. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. September 2013, Az. 12 Ca 372/13,

    unter Aufrechterhaltung von Ziff. 1,

    in Ziff. 2 teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 61 % und die Beklagte 39 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über die Zahlung von Differenzlohn für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 und einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie um Auskunftsansprüche.

Die Klägerin (geb. 1965) ist seit 01.07.1996 bei der Beklagten als einfache Produktionsmitarbeiterin angestellt. Die Beklagte, eine Schuhherstellerin, beschäftigt 176 Arbeitnehmer und etwa 50 Leiharbeitnehmer. Sie zahlte bis 31.12.2012 an die in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Ab 01.01.2013 zahlt sie Frauen und Männern einen Stundenlohn von € 9,86 brutto.

Die Beklagte zahlte

der Klägerin

vergleichbaren Männern

Differenz pro Stunde

2009

€ 8,54

€ 9,76

€ 1,22

2010, 2011, 2012

€ 8,72

€ 9,86

€ 1,14

Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns), das Weihnachtsgeld (40 % des Bruttolohns) und das Urlaubsgeld (46,5 % des Bruttolohns) berechnete die Beklagte für Frauen bis 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage des niedrigeren Stundenlohns. Die Lohndifferenz im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 betrug - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - € 7.543,57 brutto.

Die Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die am 18.09.2012 stattfand, bekannt. Ob sie bereits seit einem früheren Zeitpunkt, frühestens seit ihrer Einstellung, Kenntnis von der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung beim Entgelt hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2012 machte die Klägerin Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. Am 18.12.2012 verzichtete die Beklagte in einer Vereinbarung mit der Klägerin auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Ansonsten erhob sie in dem von der Klägerin am 29.01.2013 anhängig gemachten vorliegenden Klageverfahren die Einrede der Verjährung.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2013 Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG rückständigen Lohn iHv. € 12.156,88 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen,
  2. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens € 9.194,50 belaufen soll, zu zahlen,
  3. die nachzuzahlenden Löhne für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 ordnungsgemäß abzurechnen und ihr entsprechende Gehaltsabrechnungen zu erteilen,
  4. ihr umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,
  5. sie zukünftig auf der Grundlage eines Stundenlohns von € 9,94 zu vergüten und dabei insb. auch das Weihnachtsgeld, das Urlaubsgel...

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