Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsschutz. Arbeitsunfall. Mitgliedschaft. Abwicklungstätigkeit. Vorbereitungstätigkeit. landwirtschaftlicher Unternehmer. Verpachtung. Abwicklung des landwirtschaftlichen Unternehmens. zeitlicher Zusammenhang

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Versicherungsschutzes eines landwirtschaftlichen Unternehmers bei Abwicklungstätigkeiten nach Aufgabe des Betriebes (hier: infolge Verpachtung).

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 5, § 548 Abs. 1 S. 1, §§ 658-659, 776, 792, 589 Abs. 1 Nr. 3, § 590; BGB §§ 585, 586 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.10.1995; Aktenzeichen L 10 U 612/94)

SG Ulm (Entscheidung vom 17.02.1994; Aktenzeichen S 2 U 1768/92)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des tödlichen Unfalls ihres Ehemannes O. W. am 17. November 1990 zu gewähren.

Der Ehemann der Klägerin bewirtschaftete bis zum 30. September 1989 einen landwirtschaftlichen Betrieb. Wegen Erkrankung verpachtete er ihn ab dem 1. Oktober 1989 zunächst an seine Tochter und mit Pachtvertrag vom 28. Dezember 1989 für die Zeit ab dem 31. Dezember 1989 an einen Landwirt. Seit dem 1. Oktober 1989 bezog der Ehemann der Klägerin vorzeitiges Altersruhegeld wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL).

Als er am 17. November 1990 in der Scheune seines früheren landwirtschaftlichen Betriebes gemeinsam mit seinem Sohn Aufräumarbeiten durchführte, bei denen der Heustock von dort noch lagernden Heu- und Strohresten gesäubert werden sollte, brach er durch den morschen Tennenboden und stürzte aus ca. fünf Meter Höhe auf den Betonboden. Er verstarb noch am Unfalltag an den Folgen des Sturzes.

Die Beklagte lehnte es ab, aus Anlaß des Unfalls vom 17. November 1990 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil es sich bei der unfallbringenden Tätigkeit um keine versicherte Betriebstätigkeit iS einer Abwicklungsarbeit, sondern um eine dem eigenwirtschaftlichen und damit unversicherten Lebensbereich zuzurechnende „Aufräumungsarbeit” gehandelt habe. Sofern – wie im Widerspruchsverfahren vorgetragen – mit dem Pächter tatsächlich vereinbart worden sei, daß der Ehemann der Klägerin die Scheune von altem Heu und Stroh leere und säubere, habe es sich um eine Nebenverpflichtung zum Pachtvertrag gehandelt. Die Erfüllung dieser Pflicht habe der eigenen Vertragserfüllung gedient, also dem Zweck der Verpachtung, den Pachtzins zu erlangen. Eine solche Tätigkeit lasse sich nicht als arbeitnehmerähnlich charakterisieren, sondern sei eigenwirtschaftlich und damit ebenfalls unversichert (Bescheid vom 3. Juli 1992 idF des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1992).

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 17. Februar 1994 die Klage abgewiesen, weil der Ehemann der Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht unter Unfallversicherungsschutz gestanden habe. Bei der Reinigung des Scheunenbodens habe es sich um keine Tätigkeit mehr gehandelt, die mit der ursprünglichen Nutzung in Form der Viehhaltung in einem inneren Zusammenhang gestanden habe, sondern es habe sich um eine Vorbereitungshandlung für bauliche Erneuerungsmaßnahmen gehandelt, die die vom Pächter beabsichtigte Nutzung durch Lagerung landwirtschaftlicher Maschinen in der Scheune habe sicherstellen sollen. Auch der große zeitliche Abstand von über einem Jahr zwischen Betriebsaufgabe und dem Unfall spreche gegen eine noch versicherte Abwicklungstätigkeit. Aufgrund der Aussage des Pächters und den Angaben des Sohnes der Klägerin könne davon ausgegangen werden, daß der Ehemann der Klägerin einer Nebenpflicht aus dem Pachtvertrag nachgekommen sei, mithin in seiner Eigenschaft als Verpächter und nicht wie ein Arbeitnehmer im Betrieb des Pächters. Die Beklagte habe daher zu Recht die Gewährung von Witwenrente an die Klägerin abgelehnt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 17. November 1990 Witwenrente zu gewähren. Ihr Ehemann habe im Unfallzeitpunkt unter Unfallversicherungsschutz gestanden, weil die Aufräumungsarbeiten dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb gedient hätten. Sie seien ursächlich durch die bis Ende September 1989 betriebene Landwirtschaft und der damit verbundenen Einlagerung von Heu und Stroh veranlaßt gewesen. Es habe sich damit um eine typische Rückabwicklung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit gehandelt, indem das jahrzehntelang gewonnene Heu und Stroh, das als Rückstand nicht mehr brauchbar war, aus dem Ökonomiegebäude entfernt worden sei. Der Grund für die Unbrauchbarkeit sei auch die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes gewesen. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes und den Abwicklungsarbeiten am Unfalltag sei nicht in dem Sinne erforderlich, daß sie im unmittelbaren Anschluß an die Aufgabe des Betriebes erfolgen müßten. Die vierzehn Monate nach Abgabe der landwirtschaftlichen Nutzflächen erfolgten Aufräumungsarbeiten lägen noch innerhalb des zeitlichen Rahmens, in denen Abwicklungsarbeiten versicherungsrechtlich dem abzuwickelnden Unternehmen zuzurechnen seien. Entscheidend sei die finale Handlungstendenz.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte, das LSG habe im Ergebnis nicht feststellen können, daß die Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin rechtlich als Abwicklungstätigkeit unter Versicherungsschutz gestanden habe. Dabei müsse auch in Betracht gezogen werden, ob die zum Unfall führende Tätigkeit der unversicherten Tätigkeit als Unternehmer einer Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sei. Bei der Beantwortung dieser Frage sei darauf abzustellen, mit welcher Handlungstendenz der Versicherte die durchgeführten Arbeiten erledigt habe. Das LSG habe nicht feststellen können, zu welchem konkreten Zweck der Ehemann der Klägerin die Arbeiten ausgeführt habe. Die Klägerin habe aber behauptet, daß mit dem Pächter vereinbart gewesen sei, daß der Ehemann der Klägerin die Scheune vom alten Heu und Stroh leere und säubere. Dazu habe das SG zutreffend zwar ausgeführt, daß der Ehemann der Klägerin in diesem Falle nicht nach § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen sei. Die Einlassung der Klägerin zeige aber gleichwohl, daß die Handlungstendenz des Verunglückten einer sehr unterschiedlichen Wertung zugänglich sei. Es fehle hier die tatsächliche Grundlage für eine Wertentscheidung darüber, ob das Verhalten des Ehemannes der Klägerin der nach § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Wenn das LSG trotzdem zu dem Ergebnis gelangt sei, daß eine Abwicklungstätigkeit vorliege, so beruhe dies auf einer einseitigen Wertung. Besonders im Hinblick auf die große Zahl landwirtschaftlicher Unternehmen, die jährlich aufgegeben werde, bestehe die Notwendigkeit, den Umfang der versicherten Tätigkeit zu begrenzen. Gerade der zeitliche Rahmen zwischen Unfall und der Betriebsaufgabe müsse insbesondere in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ein wichtiges Indiz für den Rückschluß auf die Handlungstendenz darstellen. Es wäre ein erheblicher Fortschritt, wenn das Bundessozialgericht (BSG) etwa ein Jahr als Orientierungsgröße für die Zeitspanne zwischen der Aufgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens und dem Unfallereignis festlegen würde, nach dem ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO regelmäßig nicht mehr angenommen werden könnte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 1995 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Februar 1994 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Klägerin steht eine Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu.

Nach § 589 Abs. 1 Nr. 3 RVO ist bei Tod durch Arbeitsunfall der Witwe eine Witwenrente (§ 590 RVO) zu gewähren. Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter „bei” einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet.

Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung sind nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil erfüllt, da der Ehemann der Klägerin infolge eines Unfalls am 17. November 1990 verstorben ist, der durch eine Verrichtung verursacht worden ist, die im inneren Zusammenhang mit seinem landwirtschaftlichen Unternehmen stand. Entgegen der von der Beklagten in der Revision vertretenen Auffassung war der Unfall, durch den der Tod des Ehemannes der Klägerin verursacht wurde, ein Arbeitsunfall.

Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, der bei der versicherten Tätigkeit geschehen ist. Der Ehemann der Klägerin war als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes Mitglied der Beklagten und damit nach § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO versichert. Ein bei dieser Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer erlittener Arbeitsunfall setzt weiter voraus, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat.

Zunächst muß eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274; BSG SozR 2200 § 548 Nrn 82 und 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77; 61, 127, 128). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; es muß bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit im Unfallzeitpunkt als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 mwN). Es muß also sicher feststehen, daß eine auch zu diesem Zeitpunkt versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61, 127, 128 mwN). Allerdings kommt es bei Tätigkeiten als Unternehmer oder wie ein Unternehmer für die Frage, ob der Versicherte zur Unfallzeit eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, nicht auf das Abgrenzungskriterium der Handlungstendenz an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Tätigkeit in den Bereich des eigenen Unternehmens fällt. Es kommt also darauf an, daß die zum Unfall führende Tätigkeit als solche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liegt (Krasney in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, Unfallversicherungsrecht ≪HS-UV≫, § 8 RdNrn 12, 40, 48).

Der Ehemann der Klägerin verunglückte am 17. November 1990 bei Aufräumungsarbeiten in der Scheune seines ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebes, als er durch den morschen Tennenboden brach und aus 5 m Höhe auf den darunter befindlichen Betonboden stürzte. Bei den Aufräumungsarbeiten sollten auf dem Tennenboden lagernde alte Stroh- und Heureste beseitigt werden. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß der Ehemann der Klägerin zur Unfallzeit eine Tätigkeit verrichtete, die noch im inneren Zusammenhang mit seinem landwirtschaftlichen Unternehmen und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Die Aufräumungsarbeiten in der Scheune am Unfalltag waren noch seinem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzurechnen. Der Unfallversicherungsschutz erstreckt sich auf jede Tätigkeit, die der Unternehmer im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes ausübt. Hierzu gehören nicht nur die eigentlichen land- (und forst-)wirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne – zB die Be- und Verarbeitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse –, sondern auch die mit dieser Tätigkeit zusammenhängenden verwaltenden und werbenden Tätigkeiten (vgl. Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 539 Anm. 33 und § 776 Anm. 5 Buchst a). Zu einem Unternehmen der Landwirtschaft im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gehört – wie zu den gewerblichen Unternehmen – jedenfalls seit dem 3. Gesetz über Änderungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 20. Dezember 1928 (RGBl I 405) auch der sog kaufmännische und verwaltende Teil des Unternehmens, mithin auch die Regelung von Vermögensangelegenheiten, soweit es den Zwecken des versicherten Betriebes dient (vgl. BSG SozR Nr. 65 zu § 542 RVO aF; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S. 485 ff). Damit steht fest, daß die Versicherung über den rein fachlichen Teil eines Unternehmens weit hinausgeht. Es genügt die sachliche Verknüpfung mit dem versicherten Betrieb.

Ebenso wie gemäß § 659 RVO bereits Vorbereitungsarbeiten für ein noch zu eröffnendes Unternehmen, stehen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch Tätigkeiten zur Abwicklung eines schon eingestellten Unternehmens im inneren Zusammenhang mit dem Unternehmen (BSG SozR Nr. 65 zu § 542 RVO aF; BSGE 31, 203; 51, 253; BSG SGb 1979, 477, 479; Lauterbach/Watermann aaO § 548 Anm. 29; Brackmann aaO S. 481, 481l, 485g; Podzun/Nehls/Platz, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 122, S. 10, 12; KassKomm-Ricke § 548 RVO RdNrn 114, 115; Jegust/Hermsen, Der Arbeitsunfall, 5. Aufl 1982, S. 60).

Auch bei abwickelnden Tätigkeiten nach oder zur Unternehmensaufgabe besteht damit grundsätzlich Versicherungsschutz. Obwohl der Ehemann der Klägerin bereits am 1. Oktober 1989 die landwirtschaftlichen Nutzflächen seines landwirtschaftlichen Unternehmens zunächst an seine Tochter und später für die Zeit ab dem 31. Dezember 1989 das gesamte landwirtschaftliche Unternehmen mit Ausnahme des Wohngebäudes an einen Landwirt verpachtet hatte, entfiel demnach der Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO nicht schon dadurch, daß der Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls das landwirtschaftliche Unternehmen nicht betrieb; denn die zum Unfall führenden Aufräumungsarbeiten in der Scheune waren nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG dazu bestimmt, der Abwicklung dieses landwirtschaftlichen Unternehmens zu dienen. Das Heu und Stroh waren im Rahmen des Betriebs der Landwirtschaft nach der Aberntung in die Scheune des Betriebs eingelagert worden. Das Beseitigen der noch in der Scheune befindlichen, durch die Lagerung unbrauchbar gewordenen Heu- und Strohreste war damit bei Aufgabe des Betriebs wesentlich mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit verknüpft. Die Aufräumungsarbeiten am Unfalltag sind als Abwicklungstätigkeiten wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzurechnen, weil das Vorhandensein des Unternehmens ein wesentlicher Anlaß für diese Tätigkeit gewesen ist und diese für das Unternehmen Bedeutung gehabt haben (vgl. BSG SozR Nr. 65 zu § 542 RVO aF; Brackmann aaO S. 485g; Lauterbach/Watermann aaO § 548 RVO Anm. 54). Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen eine Wertung, daß ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung bestand.

Dem Versicherungsschutz steht im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Revision nicht entgegen, wenn, wie schon im Widerspruchsverfahren vorgetragen, der Ehemann der Klägerin mit dem Pächter vereinbart hatte, die mitgepachtete Scheune von altem Heu zu säubern. Gemäß § 586 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat bei einer Landpacht (§ 585 BGB) der Verpächter die Pachtsache dem Pächter in einem zu der vertragsgemäßen Nutzung geeigneten Zustand zu überlassen und diesen Zustand zu erhalten. Die erfolgte Verpachtung des landwirtschaftlichen Unternehmens war ein Teil der Abwicklung dieses Betriebs. Die abwickelnde Tätigkeit nach oder zur Unternehmensaufgabe ist in vielfältiger Form möglich, sei es zB durch vollständigen oder teilweisen Verkauf, Verpachtung oder Verwertung des Betriebsvermögens in anderer Weise (vgl. KassKomm-Ricke § 548 RVO RdNr. 115; Brackmann aaO S. 485g, 485h). Es ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dabei nicht gerechtfertigt, zwischen der Abwicklung des Unternehmens, das stillgelegt werden soll oder bereits stillgelegt ist, und der Verwertung des Unternehmens durch Verkauf oder Verpachtung zu differenzieren (BSG SozR Nr. 65 zu § 542 RVO aF; BSG SGb 1979, 477; BSGE 31, 203). Die Tätigkeiten sind vielmehr – unbeschadet zivilrechtlicher Verpflichtungen – dann dem Unternehmen zuzurechnen, wenn dessen Vorhandensein ein wesentlicher Anlaß für die Tätigkeit gebildet und diese auch für das Unternehmen Bedeutung hat. Als Tätigkeiten, die mit dem Unternehmen noch im inneren Zusammenhang stehen, begründen sie Versicherungsschutz (BSG SGb 1979, 477, 479). Die am Unfalltag in der Scheune durchgeführten Aufräumungsarbeiten waren damit ungeachtet der bürgerlich-rechtlichen Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag als betriebliche Abwicklungstätigkeiten gegen Arbeitsunfall versichert.

Dieses Ergebnis des bestehenden Versicherungsschutzes erfährt bei landwirtschaftlichen Unternehmern – anders als die Revision meint – auch keine Änderung durch den Zusatz in § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO „solange und soweit sie als solche Mitglieder einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind”. Dadurch wird zwar generell eine Begrenzung des Versicherungsschutzes hinsichtlich Umfang und Zeit herbeigeführt. Dies dient aber lediglich der Abgrenzung zur allgemeinen Unfallversicherung und ist erforderlich, weil § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO eine Ausnahme von dem unfallversicherungsrechtlichen Grundsatz darstellt, daß Unternehmer nicht kraft Gesetzes Unfallversicherungsschutz genießen (vgl. §§ 543, 545 RVO; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl, § 539 RdNr. 12; Lauterbach/Watermann aaO § 539 RdNr. 33). Für landwirtschaftliche Unternehmer gilt – anders als in der allgemeinen Unfallversicherung – die gesetzliche Zwangsversicherung. Der Versicherungsschutz des landwirtschaftlichen Unternehmers knüpft daher für den Normalfall an die Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft an (§§ 792, 658, 659, 776 RVO). Durch die Verweisung in § 792 RVO auf § 659 RVO werden aber auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung infolge der Gleichstellung mit der Eröffnung des Unternehmens bereits Vorbereitungsarbeiten für das noch zu eröffnende Unternehmen – unabhängig von der formellen Mitgliedschaft – vom Unfallversicherungsschutz erfaßt. Daher beginnt auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unabhängig von der formellen Mitgliedschaft Versicherungsschutz für landwirtschaftliche Unternehmer schon mit der Aufnahme von Vorbereitungshandlungen, mit dem das Ziel der Eröffnung des betreffenden Unternehmens verfolgt wird (vgl. Mell in Schulin, HS-UV § 70 RdNr. 95). Daher stehen grundsätzlich, weil den Vorbereitungstätigkeiten gleichgestellt, auch Arbeiten zur Abwicklung eines schon eingestellten Betriebes unter Unfallversicherungsschutz (Brackmann aaO § 485g, 485h; Podzun aaO S. 10). In der landwirtschaftlichen Unfallversicherung endet die Unternehmereigenschaft damit erst mit der Abwicklung des Unternehmens (vgl. Mell aaO).

Der zeitliche Abstand von über einem Jahr zwischen der Einstellung des landwirtschaftlichen Betriebs des Ehemanns der Klägerin aufgrund der erstmaligen Verpachtung und den Aufräumungsarbeiten am 17. November 1990 hatte nicht zur Folge, daß deshalb der Versicherungsschutz entfiel, weil die ursächliche Verknüpfung mit dem abzuwickelnden Unternehmen aufgrund des zeitlichen Abstandes nicht mehr gegeben war. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob – wie das LSG annimmt – wegen des Gesundheitszustandes des erwerbsunfähigen Ehemanns der Klägerin eine frühere Erledigung der Aufräumungsarbeiten in der Scheune nicht möglich war.

Ebenso wie der zeitliche Zusammenhang allein für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles grundsätzlich nicht ausreicht, kann auch der zeitliche Abstand zwischen der Aufgabe eines Unternehmens und der Durchführung von Abwicklungsarbeiten allein nicht bewirken, daß die rechtliche Verknüpfung nicht mehr gegeben ist. Denn entscheidend ist der noch bestehende innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Bei der wertenden Ermittlung des inneren Zusammenhangs ist allerdings auch der zeitliche Zusammenhang von Bedeutung. Denn es ist jeweils abzuwägen, ob trotz des zeitlichen Abstandes seit der Aufgabe des Betriebes die Arbeiten noch zur Abwicklung des landwirtschaftlichen Unternehmens dienten. Dabei ist die Festlegung einer bestimmten Zeitdauer trotz der von der Revision hervorgehobenen Bedeutung für die Rechtssicherheit nicht möglich. Vielmehr ist eine Beurteilung entsprechend den Verhältnissen des Einzelfalles erforderlich. Abwicklungsarbeiten nach der Aufgabe eines Unternehmens können sich je nach der Lage des Falles über einen längeren Zeitraum – auch abgestuft – erstrecken. Soweit es sich um typische Abwicklungstätigkeiten handelt, wird auch nach Ablauf eines längeren Zeitraums der Zusammenhang mit dem Unternehmen noch zuverlässig feststellbar sein. In weniger eindeutigen Fällen ist die Abgrenzung eine Sache der Beweiswürdigung. Zutreffend hat das LSG den noch nachgehenden Versicherungsschutz bei den zum Unfall führenden Arbeiten zur Beseitigung des alten Heus und Strohs aus der Scheune als typische Abwicklungsarbeiten bejaht. Das LSG hat somit den Unfall des Ehemannes der Klägerin am 17. November 1990 zu Recht gemäß § 548 RVO als Arbeitsunfall angesehen, für dessen Folgen die Beklagte Hinterbliebenenleistungen zu erbringen hat.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1997, 600

SozSi 1998, 77

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