Verfahrensgang

SG Reutlingen (Urteil vom 08.02.1983)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Februar 1983 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seit dem 1. Januar 1983 von seinen Versorgungsbezügen als Ruhestandsbeamter Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten hat.

Der Kläger – 1916 geboren – trat zum 1. September 1976 als Polizeibeamter in den Ruhestand und bezieht seitdem Beamtenversorgung (1982: 2.310,80 DM im Monat). Außerdem erhält er wegen verschiedener Kriegsschädigungsfolgen Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 vH. Wegen der ihm als Schwerbeschädigtem für sich und seine Angehörigen zustehenden Heil- bzw Krankenbehandlung war er bis Oktober 1976 der Beklagten zugeteilt. Vom 25. Oktober 1976 bis zum 30. Januar 1977 war er als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt und deshalb Pflichtmitglied der Beklagten. Zugleich mit einem Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom 6. September 1977 bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg – er war bis 1934 Maschinenschlosser – beantragte er die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) „ab rechtskräftigem Rentenbescheid”; durch Bescheid vom 28. November 1977 wurde ihm die beantragte Rente ab 1. September 1977 gewährt (1982: 624 DM im Monat). Mit Bescheid vom 11. November 1982 teilte ihm die Beklagte mit, daß er ab 1. Januar 1983 aus seinen Versorgungsbezügen als Ruhestandsbeamter Beiträge zur KVdR in Höhe von 141,88 DM im Monat zu entrichten habe. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Zustimmung des Klägers an das Sozialgericht (SG) Reutlingen als Klage abgegeben.

Dieses hat die Klage mit Urteil vom 8. Februar 1983 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zu Recht mit seinen Versorgungsbezügen zu Krankenversicherungsbeiträgen herangezogen worden. Seit dem 1. Januar 1983 hätten die KVdR-Versicherten ihre Beiträge selbst zu tragen und Beiträge auch von Versorgungsbezügen zu entrichten. Eine Befreiung von der KVdR habe der Kläger nicht beantragt. Auch sei eine solche aufgrund seines Anspruchs auf kostenlose Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 BVG nicht möglich. Dies verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG). Art. 3 GG sei nicht verletzt, da der Gesetzgeber die Berechtigten nach dem BVG unter sich und mit den übrigen Rentnern gleich behandele. Art. 14 GG schließe eine – hier zulässig getroffene – Inhaltsbestimmung des Eigentums nicht aus. Der Anspruch aus § 10 BVG beruhe auf staatlicher Gewährung und habe zur Sicherung der Finanzierungsgrundlagen verkürzt werden dürfen. Auch das Rechts- und Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) sei nicht berührt. Die Heranziehung der Rentner zur individuellen Beitragsleistung sei trotz unechter Rückwirkung des Gesetzes wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Neuregelung zulässig.

Der Kläger rügt mit seiner – vom SG zugelassenen – Sprungrevision eine Verletzung des § 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der §§ 180 Abs. 5 Nr. 2, 381 Abs. 2, 385 Abs. 2 und Abs. 2a RVO in der ab 1. Januar 1983 gültigen Fassung sowie der Art. 3, 14 und 20 GG. Er macht geltend, er habe bis zur Neuregelung des KVdR-Beitragsrechts als anerkannter Schwerbeschädigter einen Anspruch auf kostenlose Krankenbehandlung nach § 10 BVG gehabt. Durch die Belastung mit Beiträgen sei in seine bisherige Rechtsposition eingegriffen worden. Dies sei ein erhebliches materielles Opfer für die Allgemeinheit und einem enteignungsgleichen Eingriff vergleichbar, der durch die Verfassung nicht gedeckt sei. Außerdem sei die vom Gesetzgeber angestrebte Gleichbehandlung von Rentnern und versicherungspflichtigen Arbeitnehmern nicht verwirklicht worden. Besonders die pflichtversicherten Rentner mit Versorgungsbezügen hätten einerseits einen Beitragsmehraufwand, andererseits Einschränkungen von Leistungen hinzunehmen, während die Arbeitnehmer trotz gleicher Beitragsleistung im Krankheitsfall Krankengeld erhielten und dann beitragsfrei seien. Da das Gesetz eine unterschiedliche Beitragssatzgestaltung für pflichtversicherte Arbeitnehmer mit und ohne Lohnfortzahlung vorsehe, müsse Entsprechendes nach Art. 3 Satz 1 GG auch für Rentner möglich sein.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Februar 1983 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 1982 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist im wesentlichen auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des SG. Die Gestaltung des Beitragssatzes sei vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Aus ihr ergebe sich in Verbindung mit dem Grundlohn der zu zahlende Beitrag; maßgebend sei danach die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Versicherten, nicht ihr voraussichtlicher Leistungsbedarf. Dies entspreche dem Solidaritätsprinzip und damit Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Sprungrevision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat ihn zu Recht in ihrem Bescheid vom 11. November 1982 mit seinen beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen zu Krankenversicherungsbeiträgen herangezogen.

Der Kläger ist in der KVdR pflichtversichert, auch wenn er nicht die Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst a RVO in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung (Art. 1 § 1 Nr. 1, Art. 2 § 17 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes –KVKG– vom 27. Juni 1977, BGBl I S 1069) erfüllt, weil er nicht die Hälfte der Zeit seiner Erwerbstätigkeit seit dem 1. Januar 1950 Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung war. Nach einer Übergangsvorschrift des KVKG (Art. 2 § 1 Abs. 1, 2. Alternative) gilt auch derjenige, der bis zum 30. Juni 1978 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt hat, als nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO versichert, solange er eine Rente aus der Arbeiterrentenversicherung oder der Angestelltenversicherung bezieht; auf die in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO nF geforderte „Halbbelegung” kommt es dann nicht an. Diese Übergangsvorschrift trifft auf den Kläger zu; er hat am 6. September 1977 eine Rente beantragt, die ihm mit Bescheid vom 28. November 1977 bewilligt worden ist.

Die Pflichtversicherung des Klägers in der KVdR hat mit der Zustellung des Rentenbescheids an ihn begonnen (§ 315b RVO idF des KVKG). Sie ist durch einen Anspruch auf Heilbehandlung gemäß § 10 BVG (idF der Bekanntmachungen vom 22. Juni 1976 und 22. Januar 1981, BGBl I 1976 S 1633 und 1981 S 21, zuletzt geändert durch Art. 25 des Haushaltsbegleitgesetzes –HBegleitG– vom 20. Dezember 1982, BGBl I S 1857, 1903) nicht verdrängt worden. Ihr steht insbesondere nicht § 165 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 RVO entgegen, wonach nicht in der KVdR versichert ist, wer nach anderen gesetzlichen Vorschriften versicherungspflichtig ist. Das BVG begründet mit der in § 10 normierten Krankenversorgung für die Beschädigten kein Versicherungsverhältnis, sondern einen nicht versicherungsmäßig ausgestalteten Versorgungsanspruch; dieser ist, soweit es sich nicht um eine Heilbehandlung wegen der Schädigungsfolgen selbst handelt, gegenüber den Ansprüchen nach der RVO nachrangig (subsidiär). Das folgt aus § 10 Abs. 7 BVG. Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, daß die Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die keine Schädigungsfolgen sind, außerhalb der Ziele des BVG liegt und nur eine Lücke im sozialen Leistungsbereich schließt (Rohr/Strässer, Bundesversorgungsrecht – Stand: März 1983 – Bd. I, § 10 Anm. 13, S K 32; BSG SozR 3100 § 10 Nr. 18 mwN; BSG SozR 2200 § 175 Nr. 2 S 2). Deshalb ist nach § 10 Abs. 7 BVG ein Anspruch auf freie Heilbehandlung für Nichtschädigungsfolgen ua stets dann ausgeschlossen, wenn ein Sozialversicherungsträger zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet ist. Das gilt auch für Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger aus der KVdR, so daß pflichtversicherten Rentnern Ansprüche nach § 10 Abs. 2, 4, 5, 6 BVG nicht zustehen (Wilke/Wunderlich, BVG, 5. Aufl, 1980, § 10 Anm. VI. 1 zu Abs. 7a; Rohr/Strässer, aaO, S K 37). Daß der Gesetzgeber insoweit, dh abgesehen von dem Anspruch auf Heilbehandlung wegen Schädigungsfolgen selbst (§ 10 Abs. 1 BVG), nur einen subsidiären Fürsorgeanspruch schaffen wollte, ergibt sich auch aus den Übrigen Regelungen in § 10 Abs. 7 BVG (idF des Art. 25 Nr. 1 HBegleitG 1983). Danach sind Ansprüche nach dem BVG in allen Fällen ausgeschlossen, in denen damit gerechnet werden kann, daß die Heilbehandlung auf andere Weise gewährt wird. Insoweit genügt beim Berechtigten oder Leistungsempfänger schon ein Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsverdienstgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung oder eine Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen. Auch insoweit geht der Gesetzgeber davon aus, daß die Behandlung sichergestellt ist oder ohne Schwierigkeiten sichergestellt werden kann. Eine „alternative” Krankenversorgung nach dem BVG hat der Gesetzgeber den schon anderweitig, insbesondere den in der gesetzlichen Krankenversicherung geschützten Personen nicht gewähren wollen.

Von der Mitgliedschaft in der KVdR ist der Kläger nicht befreit worden. Einen Antrag auf Befreiung gemäß § 173a RVO wegen Versicherung bei einem Krankenversicherungsunternehmen hat er innerhalb der Frist von einem Monat nach Beginn der Mitgliedschaft in der KVdR bei der Beklagten nicht gestellt. Auch von der Befreiungsmöglichkeit nach § 534 Abs. 1 RVO hat er nicht wirksam Gebrauch gemacht. Nach dieser Übergangsvorschrift, die bei der Neuregelung der KVdR durch das Rentenanpassungsgesetz (RAG) 1982 vom 1. Dezember 1981 (BGBl I S 1205) in die RVO eingefügt worden ist, kann sich auf Antrag befreien lassen, wer bei einem Krankenversicherungsunternehmen ausreichend versichert ist und ab 1. Januar 1983 Beiträge aus Versorgungsbezügen oder Arbeitseinkommen zu entrichten hat. Selbst wenn ein Befreiungsantrag des Klägers in seinem Widerspruch gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 11. November 1982 zu sehen wäre, hätte dieser für ihn nicht zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR führen können.

Zu den Krankenversicherungsunternehmen iS von § 534 Abs. 1 wie auch des § 173a RVO zählen nur private Versicherungsunternehmen, dh solche, die nicht Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind, mögen sie im übrigen privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert sein (BSGE 14, 116, 118; 27, 129, 131). Voraussetzung ist ferner, daß sie von ihren Mitgliedern Beiträge erheben und bei Eintritt des Versicherungsfalls einen Rechtsanspruch auf Leistungen gewähren (Peters, aaO, § 173a Anm. 3, S 17/182-1). Das trifft für den Anspruch auf Heilbehandlung gemäß § 10 BVG nicht zu. Dieser ist, wie ausgeführt, ein Versorgungsanspruch, den der Staat den Kriegsopfern aus Gründen der Fürsorge gewährt. § 534 Abs. 1 RVO fordert demgegenüber von dem Antragsteller die Bereitschaft, seinen Krankenversicherungsschutz (abgesehen von einem Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers) selbst zu finanzieren. Diese Finanzierungslast will der Kläger durch die Inanspruchnahme von kostenlosen Leistungen nach dem BVG gerade von sich abwälzen und auf den Bund, der die Aufwendungen für die BVG-Leistungen zu tragen hat, verlagern. Für eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung des § 534 Abs. 1 RVO ist hiernach im Falle des Klägers kein Raum. Dem steht auch nicht das Urteil des Senats vom 2. September 1977 entgegen, das die Befreiung von der KVdR im Falle eines beamtenrechtlichen Anspruchs auf freie Heilfürsorge bei Polizeibeamten betraf (SozR 2200 § 173a Nr. 3). Ein solcher Anspruch, den der Senat damals im Wege der richterlichen Lückenfüllung als ausreichend für eine Befreiung nach § 173a RVO angesehen hat, ist – anders als die Ansprüche nach § 10 Abs. 2 und 4 BVG – nicht subsidiär, sondern steht gleichrangig neben den KVdR-Ansprüchen des Rentners; auf ihn kann deshalb der Rentner statt der – für ihn seit 1983 beitragspflichtigen – KVdR wahlweise zurückgreifen.

Hiernach trifft es nicht zu, daß der Kläger, wie er meint, bis zum 31. Dezember 1982 einen Anspruch auf freie Heilbehandlung auch wegen Nichtschädigungsfolgen nach dem BVG hatte. Dieser Anspruch wurde vielmehr durch die – ihm vorgehende – Mitgliedschaft in der KVdR verdrängt, von der sich der Kläger, wie ausgeführt, nicht wirksam hatte befreien lassen. Im Ergebnis war dies für ihn so lange nicht nachteilig, als die KVdR für die Rentner beitragsfrei war. Selbst die Aufhebung der Beitragsfreiheit seit dem 1. Januar 1983 (§ 381 Abs. 2 RVO idF des RAG 1982) wirkte sich zunächst – bis zum 30. Juni 1983 – nicht belastend für die Rentner aus, soweit Beiträge von der gesetzlichen Rente zu entrichten waren; insoweit wurden die Beiträge nämlich bis zu dem genannten Zeitpunkt durch einen Zuschuß des Rentenversicherungsträgers gemäß § 1304e RVO bzw § 83e des Angestelltenversicherungsgesetzes voll gedeckt. Erst seit dem 1. Juli 1983 wird dem Kläger – wie den anderen Rentnern – ein Eigenanteil von der Rente einbehalten, anfangs in Höhe von 1 vH, seit dem 1. Juli 1984 von 3 vH des Zahlbetrages der Rente. Soweit Beiträge allerdings nicht nur von seiner Rente, sondern, wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom 11. November 1982 festgestellt hat, auch von seinen beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen zu entrichten sind, hat der Kläger sie schon seit dem 1. Januar 1983 zu zahlen, und zwar in Höhe des halben allgemeinen Beitragssatzes des für die Beklagte zuständigen Landesverbandes (§§ 381 Abs. 2, 385 Abs. 2a, 180 Abs. 5 und 8 RVO, alle idF des RAG 1982).

Dem Kläger ist somit entgegen seiner Ansicht ein – von ihm als eigentumsähnlich angesehener – Anspruch auf kostenlose Heilbehandlung für Nichtschädigungsfolgen nach dem BVG nicht durch die Neuregelung des Beitragsrechts der KVdR im RAG 1982 genommen worden. Ein solcher Anspruch hat vielmehr wegen der Subsidiaritätsregelung des § 10 Abs. 7 BVG seit Beginn seiner Pflichtversicherung in der KVdR im Jahre 1977 nie für ihn bestanden. Sein Anspruch nach dem BVG wäre allerdings nicht durch die (vorrangige) KVdR verdrängt worden, wenn er seinen Rentenantrag erst nach dem 30. Juni 1978 gestellt hätte und er deshalb, um in der KVdR pflichtversichert zu sein, die erschwerten Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO nF („Halbbelegung”) hätte erfüllen müssen, diese aber nicht erfüllt, wie es den Anschein hat. Dann wäre er nämlich mangels einer Pflichtversicherung in der KVdR auch für Nichtschädigungsfolgen nach dem BVG anspruchsberechtigt geblieben. Daß er nunmehr durch eine – vom Gesetzgeber als Vergünstigung gedachte – Übergangsvorschrift zur KVdR (Weiteranwendung des alten Rechts auf Rentenanträge bis zum 30. Juni 1978) Mitglied der KVdR geworden und dadurch im Ergebnis schlechter gestellt ist, als wenn er nicht ihr Mitglied geworden wäre, beruht indessen nicht auf der Anwendung dieser Übergangsvorschrift, sondern darauf, daß die KVdR seit dem 1. Januar bzw 1. Juli 1983 für die Rentner beitragspflichtig ist.

Die Einführung der Beitragspflicht für Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Einbeziehung der Versorgungsbezüge in die Bemessung der Beiträge durch das RAG 1982 ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wie der Senat schon in seinem Urteil in der Sache 12 RK 11/84 vom 18. Dezember 1984 näher dargelegt hat. Insbesondere sind die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) durch die Einbeziehung des Ruhegehalts in die Beitragspflicht zur KVdR nicht verletzt. Die in der Alimentationspflicht des Dienstherrn enthaltene Verpflichtung zur Krankenfürsorge schließt nicht aus, daß bei Ruhestandsbeamten, die gleichzeitig eine Rente beziehen und in der KVdR versichert sind, die Versorgungsbezüge in die Beitragsbemessung einbezogen werden. Eine Sozialversicherungspflicht der Ruhestandsbeamten wird dadurch nicht begründet. Ihre Versicherungspflicht in der KVdR, die in der Regel eine frühere, mit eigener Beitragsleistung verbundene freiwillige Krankenversicherung fortsetzt, beruht vielmehr auf der ihnen antragsgemäß bewilligten Rente und ihrer eigenen Entscheidung, sich von dieser Versicherungspflicht nicht nach § 173a RVO befreien zu lassen und – bei „Alt-Rentnern” wie dem Kläger – auch von der Befreiungsmöglichkeit nach § 534 Abs. 1 RVO keinen Gebrauch zu machen. Daß ihnen der Versicherungsschutz in der KVdR beitragsfrei gewährt wird, garantiert Art. 33 Abs. 5 GG nicht. Wie alle anderen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung haben vielmehr auch sie entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Aufwendungen der Krankenkasse beizutragen. Ihre amtsangemessene Alimentation wird dadurch nicht gefährdet.

Die Heranziehung der bis Ende 1982 in der KVdR beitragsfreien Rentner-Pensionäre zu KVdR-Beiträgen verstößt ferner nicht gegen den – schon bei Art. 33 Abs. 5 GG mit zu prüfenden – rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– (vgl. insbesondere BVerfGE 52, 303) kann der Gesetzgeber – aufgrund und im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit – auch in Rechtspositionen eingreifen, die den Beamten rechtsverbindlich und ohne Änderungsvorbehalt zugesichert sind, sofern sich seine Ziele nur auf diese Weise verwirklichen lassen und er die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit beachtet. Daß diese Voraussetzungen bei der Neuregelung des KVdR-Beitragsrechts erfüllt sind, soweit es Rentner-Pensionäre wie den Kläger betrifft, hat der Senat in dem schon genannten Urteil näher ausgeführt.

Die Beitragsbelastung von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar. Versorgungsbezüge sind zwar schon Bit den 1. Januar 1983 und sogleich mit dem halben Beitragssatz in der KVdR beitragspflichtig geworden, während von den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung erst ab 1. Juli 1983 eigene Beitragsanteile der Rentner einbehalten werden. Dabei sind jedoch zugunsten der Rentner auch die von den Rentenversicherungsträgern geleisteten Beitragszuschüsse zu berücksichtigen, so daß die Beitragsbelastung der Renten im Ergebnis sogar höher ist als die der Versorgungsbezüge (vgl. dazu BSGE 54, 293, 299).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist schließlich ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht darin zu sehen, daß ihm einerseits Beiträge nicht nur von der Rente, sondern auch von seinem Ruhegehalt abverlangt werden, andererseits ein Anspruch auf Krankengeld nicht zusteht. Richtig ist, daß Rentner zwar Beiträge von ihrer Rente und ihren Versorgungsbezügen entrichten müssen, daß diese Bezüge jedoch für die Gewährung eines Krankengeldes außer Betracht bleiben (§ 182 Abs. 6 Satz 1 RVO idF des RAG 1982). Das gilt im übrigen nicht nur für die aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen, sondern auch für die noch als Arbeitnehmer beschäftigten Rentner; auch sie erhalten Krankengeld nur nach einem aus dem Arbeitsentgelt berechneten Regellohn (§ 182 Abs. 6 Satz 2 RVO idF des RAG 1982), obwohl auch sie von der Rente und den Versorgungsbezügen Beiträge zu entrichten haben (§ 180 Abs. 6 Nrn 1 und 2 RVO).

Daß nicht beschäftigte Rentner im Ergebnis keinerlei Krankengeld erhalten (und beschäftigte Rentner nur entsprechend ihrem Arbeitsentgelt), daß also Beiträge und Leistungen bei Rentnern nach verschiedenen Maßstäben berechnet und sie insoweit anders als pflichtversicherte Arbeitnehmer behandelt werden, ist rechtlich unbedenklich. So hat der Senat schon in einem Urteil vom 11. April 1984 – 12 RK 55/82 – (zur Veröffentlichung in SozR 2200 § 385 Nr. 7 bestimmt) entschieden, daß die Krankenversicherungsbeiträge für erwerbstätige Rentner – trotz zeitlicher Begrenzung ihres Krankengeldanspruchs (nach § 183 Abs. 4 RVO erhalten sie während des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente oder Altersruhegeld Krankengeld höchstens für sechs Wochen) – nach dem gleichen Beitragssatz wie dem für pflichtversicherte Arbeitnehmer, die einen vollen Krankengeldanspruch haben, bemessen werden dürfen. Beiträge und Leistungen brauchen in der – vom Solidaritätsprinzip und dem Grundsatz des sozialen Ausgleichs beherrschten – gesetzlichen Krankenversicherung nicht gleichwertig zu sein; inbesondere zwingt die in § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO vorgesehene Beitragserhöhung für Versicherte, die keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben und die Kasse entsprechend höher mit Krankengeld belasten, den Gesetzgeber nicht, Unterschiede bei der Gewährung oder Inanspruchnahme von Krankengeld auch in anderen Fällen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Diese Grundsätze gelten allgemein, wenn Beiträge und Leistungen für pflichtversicherte Arbeitnehmer und Rentner miteinander verglichen werden. Der Kläger kann somit eine Minderung seines Beitrags nicht deswegen verlangen, weil er – im Gegensatz zu pflichtversicherten Arbeitnehmern – im Falle der Arbeitsunfähigkeit keinen Krankengeldanspruch hat.

Da weitere Bedenken gegen die der streitigen Beitragsforderung zugrunde liegenden Vorschriften weder geltend gemacht noch ersichtlich sind, hat der Senat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Über die Kosten hat er nach § 193 SGG entschieden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI924006

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