Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageänderung. Klageerweiterung. Änderung des Klagegrundes. Anerkennungsbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

Ein vorübergehender Arbeitsausfall iS von § 63 Abs 1 S 1 AFG liegt dann vor, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, daß in absehbarer Zeit wieder mit dem Übergang zur Vollarbeit zu rechnen ist. Absehbar ist diese Zeit nicht mehr, wenn sie die Dauer der Bezugsfristen des § 67 AFG deutlich überschreitet. Welche der in § 67 AFG genannten Bezugsfristen zugrunde zu legen ist bleibt offen.

 

Orientierungssatz

1. Wird gegen einen negativen Anerkennungsbescheid nach § 72 Abs 1 S 4 AFG zunächst die hierfür gegebene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben, handelt es sich bei dem in 2. Instanz erhobenen Leistungsantrag auf Kurzarbeitergeld nicht um eine Klageänderung, sondern um eine Erweiterung des Klageantrags gemäß § 99 Abs 3 Nr 2 SGG, der auch für das Berufungsverfahren gilt (§ 153 SGG ).

2. Für eine zulässige Klageerweiterung ist eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde nicht erforderlich (vgl BSG 1977-10-06 9 RV 66/76 = SozR 1500 § 99 Nr 2).

 

Normenkette

AFG § 63 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1979-07-23, § 67 Fassung: 1982-12-20, § 72 Abs. 1 S. 4; SGG § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 99 Abs. 3 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 153 Fassung: 1953-09-03

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 15.01.1982; Aktenzeichen L 4 Ar 21/81)

SG Berlin (Entscheidung vom 28.01.1981; Aktenzeichen S 63 Ar 1558/80)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Arbeitnehmer der Klägerin einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kug) haben. Die Klägerin betreibt eine Mode-Boutique. Ihre Gesellschafter sind die Eheleute Hedwig und Wolfgang Sch.. Alleinige Geschäftsführerin ist Frau Hedwig Sch.. Das Ladengeschäft - Einzelhandel mit Bekleidung und Accessoires - befindet sich in B.. Die Geschäftsführerin arbeitet in der Buchhaltung, im Verkauf und als Änderungsschneiderin. Außer ihr ist noch eine Verkäuferin beschäftigt.

Am 18. Juli 1980 zeigte die Klägerin beim Arbeitsamt an, die Arbeitszeit werde voraussichtlich vom 25. August 1980 bis zum 31. Dezember 1980 herabgesetzt, und zwar für die Geschäftsführerin von 40 auf 20 Stunden und für die Verkäuferin auf 22,5 Stunden wöchentlich. Zur Begründung wurde angegeben, die seit September 1979 laufenden Vorbereitungsarbeiten für den U-Bahn-Bau hätten, da das Geschäft an der stark durch die Verlegearbeiten beeinträchtigten Kreuzung E. Straße liege, zu erheblichen Umsatzeinbußen durch Kundenschwund geführt.

Mit Bescheid vom 24. September 1980 teilte das Arbeitsamt der Klägerin mit, für die Arbeitnehmer ihres Betriebes könne Kug nicht gewährt werden. Nach § 63 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) könne diese Leistung Arbeitnehmern bei vorübergehendem Arbeitsausfall gewährt werden. Nach den vorliegenden Informationen beeinträchtigten die U-Bahn-Bauarbeiten in der Rstraße die Tätigkeit des Betriebes der Klägerin von November 1980 bis Juli 1983. Der Betrieb der Klägerin liege im unmittelbaren Einflußbereich der Bautätigkeit. Dies würde dazu führen, daß Kug für die Dauer von fast drei Jahren gewährt werden müßte. Damit liege kein vorübergehender Arbeitsausfall mehr vor. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und beantragte zugleich die Gewährung von Kug. Der förmliche Antrag hierauf und auf die Gewährung von Zuschüssen für die geleisteten Aufwendungen für die Kranken- und Rentenversicherung ging am 16. Oktober 1980 beim Arbeitsamt ein. Mit Bescheid vom 12. November 1980 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage, mit der begehrt wurde, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, anzuerkennen, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug bei den Angestellten der Klägerin nach den §§ 63, 64 AFG in der Zeit vom 25. August 1980 bis 24. Februar 1981 vorliegen und daß ein Zuschuß zur Krankenversicherung auch für die freiwillig versicherte Arbeitnehmerin zu gewähren ist, abgewiesen (Urteil vom 28. Januar 1981). Es hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unbegründet soweit die Klägerin begehre, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Kug anzuerkennen. Da die Voraussetzungen des § 63 Abs 1 AFG nicht erfüllt seien, bestehe für die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis an der Klärung der Frage, ob entgegen der eindeutigen Regelung in den §§ 162 ff AFG im Rahmen der Gewährung von Kug auch freiwillig versicherten Arbeitnehmern ein Zuschuß zur Krankenversicherung zu gewähren sei. Insoweit sei die Klage unzulässig.

Auch die Berufung der Klägerin, mit der sie neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrte, die Beklagte zu verurteilen, ihr Kug für zwei Arbeitnehmer und einen Zuschuß zu den von ihr geleisteten Aufwendungen für die Krankenversicherung der freiwillig versicherten Angestellten nach § 163 Abs 2 Satz 2 und 3 AFG für die Zeit vom 25. August 1980 bis zum 24. Februar 1981 zu gewähren, hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines Urteils vom 15. Januar 1982 hat das Landessozialgericht (LSG) ua ausgeführt: Nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheide das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Es sei davon auszugehen, was der Kläger mit der Klage erreichen wolle. Die Klägerin wende sich nicht nur gegen die Ablehnung der Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Kug, sie mache auch die Zahlung von Kug und darüber hinaus die Gewährung von Zuschüssen gemäß § 163 Abs 2 Satz 2 AFG geltend. Die Gewährung von Kug habe die Beklagte mit dem Bescheid vom 24. September 1980 abgelehnt. Dieser Bescheid sei zwar allein auf die Anzeige der Klägerin über Arbeitsausfall vom 18. Juli 1980 erfolgt. Der entsprechende Antrag auf Gewährung von Kug sei aber nachgeholt worden. Er sei im Laufe des Widerspruchsverfahrens innerhalb der Ausschlußfrist des § 72 Abs 2 AFG wirksam gestellt worden. Der Widerspruchsbescheid habe den Ablehnungsbescheid des Arbeitsamtes bestätigt. Die prozessualen Voraussetzungen für eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage seien somit gegeben.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Kug scheitere daran, daß das Tatbestandsmerkmal "vorübergehender Arbeitsausfall" nicht erfüllt sei. Ein vorübergehender Arbeitsausfall liege vor, wenn sich aus den Gesamtumständen des Einzelfalles ergebe, daß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit wieder mit dem Übergang zur Vollarbeit zu rechnen sei. Dies sei der Fall, wenn erwartet werden könne, daß innerhalb der Regelbezugszeit von sechs Monaten (§ 67 Abs 1 AFG) oder innerhalb einer verlängerten Bezugsfrist bis zu höchstens 24 Monaten (§ 67 Abs 2 Nr 2 AFG) wieder Vollarbeit erreicht werde. Ein Arbeitsausfall, der länger dauere als 24 Monate, könne nicht mehr als vorübergehend bezeichnet werden, weil der Gesetzgeber eine längere Bezugsdauer von Kug als 24 Monate nicht vorsehe. Die Bauarbeiten im Rahmen des U-Bahn-Baues in der Rstraße , die zu einem Arbeitsausfall im Betrieb der Klägerin führten, würden nach der eingeholten Auskunft des Senators für Bau- und Wohnungswesen vom 29. September 1981 bis Ende 1983 dauern. Das bedeute, daß der Arbeitsausfall länger als drei Jahre andauern werde, wobei zu berücksichtigen sei, daß sich nach Beendigung der Bauarbeiten (Ende 1983) Arbeiten zur Wiederherstellung der Fahrbahnen anschließen würden. Hinzu komme, daß nicht vorhersehbar sei, daß nach Beendigung der Baumaßnahme zur Vollarbeit im Betrieb der Klägerin übergegangen werden könne.

Soweit die Klägerin die Gewährung von Zuschüssen zur Krankenversicherung auch von freiwillig versicherten Arbeitnehmern gemäß § 163 Abs 2 Satz 2 AFG begehre, sei die Berufung ebenfalls unbegründet. Die auf dieses Ziel gerichtete Klage sei ursprünglich unzulässig gewesen. Weder mit dem Bescheid vom 24. September 1980 noch mit dem Widerspruchsbescheid vom 12. November 1980 sei über den Antrag auf Gewährung von Zuschüssen nach § 163 Abs 2 Satz 2 AFG entschieden worden. Über diesen Anspruch sei jedoch im erstinstanzlichen Verfahren durch Verwaltungsakt entschieden worden. Der Schriftsatz der Beklagten vom 17. Dezember 1980 stelle insoweit einen Verwaltungsakt dar. Er lehne die Gewährung der beantragten Zuschüsse nach § 163 Abs 2 Satz 2 AFG ab. Diese Entscheidung sei zumindest im Ergebnis zutreffend, denn § 163 Abs 2 Satz 2 AFG setze voraus, daß ein Anspruch auf Kug bestehe. Dies sei nicht der Fall.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe den Begriff "vorübergehender Arbeitsausfall" unzutreffend ausgelegt. Dieser Begriff sei vom Gesetzgeber bewußt zeitlich nicht näher definiert worden und nur so auszulegen, daß es sich nicht um einen ständigen, niemals endenden Arbeitsausfall handeln dürfe. Im vorliegenden Falle müsse zwar eingeräumt werden, daß die durch den U-Bahn-Bau bedingte Zeit eines möglichen Arbeitsausfalles über die Regelbezugszeit bzw die erweiterte Bezugsfrist hinausgehe, was von den Vorinstanzen tatbestandsmäßig entsprechend aufgeklärt sei. Andererseits sei jedoch gerade aus der Sachverhaltsaufklärung ersichtlich, daß die Bauarbeiten bis ca Ende 1983 weitgehend abgeschlossen seien, so daß mit diesem Zeitpunkt ein Arbeitsausfall bei der Klägerin im Zusammenhang mit diesen Bauarbeiten nicht mehr zu erwarten sei. Es handele sich dementsprechend entgegen der Ansicht des LSG um einen in zeitlicher Hinsicht begrenzten Arbeitsausfall, der vorübergehend sei, wenn er auch über die Regelbezugszeit oder die erweiterte Bezugsfrist des Kug hinausgehe. Die Verquickung der Regelbezugszeit oder erweiterten Bezugsfrist für Kug mit dem im Gesetz nicht definierten Rechtsbegriff "vorübergehender Arbeitsausfall" sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Klägerin würde nämlich sonst von Anfang an bei einem unvermeidbaren Eingriff der Behörden in den Gewerbebetrieb entweder auf das Unternehmerrisiko oder den nach ihrer Auffassung schlechteren und nur begrenzt durchsetzbaren Aufopferungsanspruch verwiesen werden. Damit würden die Ansprüche aus den §§ 63 ff AFG in einer Vielzahl der Fälle öffentlicher Baumaßnahmen, die schon beinahe regelmäßig die Regelbezugs- oder erweiterte Bezugszeiten für Kurzarbeiter überschritten, ad absurdum geführt. Die Vorschriften des AFG wären insoweit in der Mehrzahl dieser Fälle sinn- und zwecklos. Ultima ratio wäre in diesem Falle allein, den Betrieb zu rationalisieren und betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Dies stehe in krassem Gegensatz zu arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen und zu der erklärten Politik der Bundesanstalt für Arbeit und des ehemaligen Bundesarbeitsministers Ehrenberg. Die Beklagte sei somit verpflichtet, Kug bis zur Höchstdauer der durch die einzelnen Verordnungen festgelegten Bezugszeiten zu gewähren und könne erst anschließend den Unternehmer auf weitere Ansprüche verweisen.

Damit sei auch der weiterhin geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Zuschüssen zur Krankenversicherung auch für freiwillig versicherte Arbeitnehmer dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 15. Januar 1982, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Januar 1981 und den Bescheid der Beklagten vom 24. September 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Kurzarbeitergeld für zwei Arbeitnehmer und einen Zuschuß zu der von der Klägerin geleisteten Aufwendungen für die Krankenversicherung der freiwillig versicherten Angestellten nach § 163 Abs 2 Satz 2 und 3 AFG für die Zeit vom 25. August 1980 bis 24. Februar 1981 zu gewähren, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist ergänzend darauf, daß ihre Rechtsauffassung auch durch die Rechtsentwicklung der Kug-Regelungen gestützt werde. Das LSG habe den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Zuschüssen zu Krankenversicherungsbeiträgen der Bezieher von Kug zutreffend verneint, da § 163 Abs 1 AFG die Gewährung von Kurzarbeitergeld voraussetze.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Vorab hatte der Senat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage zulässig ist. Die Unzulässigkeit der Klage ist ein Mangel im Verfahren, der in die Revisionsinstanz fortwirkt. Die verfahrensrechtliche Grundlage für eine Entscheidung in der Sache und damit eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung wäre nicht vorhanden (BSG SozR 1500 § 87 Nr 6). Der Senat stimmt im Ergebnis mit dem LSG darin überein, daß hier ein solcher Mangel nicht besteht.

Gegenstand des Rechtsstreits ist zunächst die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24. September 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1980. Der Verfügungssatz des Bescheides vom 24. September 1980 ging dahin, für die Arbeitnehmer der Klägerin könne Kug nicht gewährt werden, weil die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistungen gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 AFG nicht vorlägen. Damit hat die Beklagte im Gegensatz zur Auffassung des LSG den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kug nicht abgelehnt. Das folgt schon daraus, daß der Bescheid den Hinweis enthält, Kug müsse auch dann innerhalb der Ausschlußfrist des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG beantragt werden, wenn die Klägerin Widerspruch erheben wolle. Einen entsprechenden Antrag hat die Klägerin erst während des Vorverfahrens gestellt. Der Bescheid vom 24. September 1980 ist zwar gemäß § 95 SGG in der Gestalt Gegenstand der Klage geworden, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat. Indes hat der Widerspruchsbescheid den Verfügungssatz des ursprünglichen Bescheides nicht geändert, sondern den Widerspruch hiergegen als unbegründet zurückgewiesen. Er enthält in seiner Begründung nicht einmal einen Hinweis darauf, daß die Klägerin während des Vorverfahrens Kug beantragt hat. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Beklagte einen (negativen) Anerkennungsbescheid gemäß § 72 Abs 1 letzter Satz AFG erteilt hat, wovon auch das SG zutreffend ausgegangen ist. Die Klägerin hat hiergegen, soweit es den Anspruch auf Kug angeht, zunächst die hierfür gegebene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben. In der zweiten Instanz ist sie von der Verpflichtungsklage zur Leistungsklage übergegangen, was zulässig ist. Zwar ist materielle Voraussetzung für den Leistungsanspruch die Beantragung von Kug, was hier auch geschehen ist; allerdings ist über diesen Antrag noch nicht entschieden worden. Indes bedurfte es einer entsprechenden Verwaltungsentscheidung nicht. Bei dem in der zweiten Instanz erhobenen Leistungsantrag, den die Klägerin auch in der Revisionsinstanz verfolgt, handelt es sich nicht um eine Klageänderung, sondern um eine Erweiterung des Klageantrags gemäß § 99 Abs 3 Nr 2 SGG, der auch für das Berufungsverfahren gilt (§ 153 Abs 1 SGG).

Eine Änderung des Klagegrundes liegt im vorliegenden Falle durch den Übergang von der Verpflichtungsklage zur Leistungsklage nicht vor. Die Klägerin will nunmehr unmittelbar den Endzweck erreichen, während sie bisher die Verfolgung ihrer Ansprüche nur mittelbar betrieben hat. Der Anspruch auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Kug hat insoweit nur eine Hilfsfunktion und soll den Leistungsanspruch vorbereiten. Deshalb ist es gerechtfertigt, im vorliegenden Falle von einer Klageerweiterung auszugehen, da weder der bisherige Sachverhalt, auf den die ursprüngliche Klage gestützt wurde, geändert worden ist, noch die Anspruchsgrundlage eine andere Fassung erhalten hat (vgl BGH NJW 1960, 1950; BGH MDR 1969, 911). Einem solchen Vorgehen steht nicht entgegen, daß die Beklagte bisher nicht über den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kug für ihre Arbeitnehmer entschieden hat. Vielmehr folgt aus § 99 SGG, daß für eine zulässige Klageerweiterung eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Leistungsantrag nicht erforderlich ist (BSG SozR 1500 § 99 Nr 2; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 99 Anm 4b).

Soweit die Klägerin geltend macht, ihr müßten für ihre freiwillig versicherten Arbeitnehmer ebenfalls die Aufwendungen erstattet werden, die sie für die Krankenversicherungsbeiträge habe, ist dieses Begehren gleichfalls gemäß § 99 Abs 3 Nr 2 SGG zulässig. Insoweit wird der Klageantrag in bezug auf eine Nebenforderung gegenüber dem, der in der ersten Instanz gestellt wurde, erweitert. Dieser Anspruch ist sachlich-rechtlich von der Hauptforderung - Leistung von Kug - abhängig. Er setzt gemäß § 163 Abs 1 und 2 AFG die Gewährung von Kug voraus. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin diesen Anspruch aus eigenem Recht verfolgt, während sie hinsichtlich der Gewährung von Kug Prozeßstandschafter ihrer Arbeitnehmer ist (vgl BSGE 38, 98). Entscheidend ist, daß allein die Klägerin Subjekt des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens ist und hinsichtlich des Kug die eigentlichen Anspruchsberechtigten keine Befugnis haben, ihre Rechte zu verfolgen. Nicht unbeachtlich kann darüber hinaus der enge sachliche Zusammenhang zwischen dem Bezug von Kug und der anteiligen Erstattung von Beitragsaufwendungen bleiben, auf den der Senat, allerdings in einem anderen Zusammenhang, bereits hingewiesen hat (BSG SozR 4100 § 72 Nr 3).

Entgegen der Auffassung des LSG hat die Beklagte allerdings über den Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen noch keine Verwaltungsentscheidung getroffen. Die im Schriftsatz vom 17. Dezember 1980 enthaltene Stellungnahme ist kein Verwaltungsakt. Die Beklagte trifft in ihm nicht, wie es ein Verwaltungsakt zum Inhalt haben muß, eine Entscheidung in einem Einzelfalle. Sie äußert sich vielmehr als Prozeßbeteiligte und trägt ihre Rechtsauffassung vor, indem sie "lediglich noch darauf hinweist", daß die geltend gemachten Aufwendungen nicht erstattungsfähig seien. Damit hat die Beklagte keine Regelung gegenüber der Klägerin getroffen. Das ist indes unerheblich. Aus den vorstehend genannten Gründen bedarf es hier insoweit keines besonderen Verwaltungsverfahrens.

Zu Recht ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Kug für ihre Arbeitnehmer hat. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 63 Abs 1 AFG, daß ein vorübergehender Arbeitsausfall vorliegt. Das ist hier, wie das LSG zutreffend erkannt hat, nicht der Fall.

Was unter einem vorübergehenden Arbeitsausfall zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht näher definiert. Entsprechend dem Sprachgebrauch ist der Senat mit der im Schrifttum vertretenen Auffassung der Meinung, daß ein vorübergehender Arbeitsausfall dann vorliegt, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, daß in absehbarer Zeit wieder mit dem Übergang zur Vollarbeit zu rechnen ist (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, Stand August 1972, § 63 Anm 57; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, Stand Dezember 1982, § 63 Anm 4; Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand November 1979, § 63 Anm 10; Gebhardt, Kommentar zu den Vorschriften des AFG über das Kurzarbeitergeld, § 63 Anm 15). Im vorliegenden Falle ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG davon auszugehen, daß mit einem Übergang zur Vollarbeit in der Boutique der Klägerin nicht vor Ende 1983 zu rechnen ist. Bis zu dieser Zeit dauern die Baumaßnahmen im Bereich des Ladengeschäftes der Klägerin weiter. Hierdurch wird ein Umsatzrückgang verursacht, der dazu geführt hat, daß ein Arbeitsmangel entstanden ist, der zur Arbeitszeitverkürzung zwingt. Der Zeitraum vom Eintritt des Arbeitsausfalles Ende August 1980 bis zu seinem voraussichtlichen Ende würde hiernach etwa drei Jahre und vier Monate betragen. Hierbei handelt es sich nicht mehr um eine absehbare Zeit, in der der Arbeitsausfall vorübergeht. Absehbar ist diese Zeit nicht mehr, wenn sie die Dauer der Bezugsfristen des § 67 AFG deutlich überschreitet. Ob es sich hierbei um die normale Bezugsfrist bis zu sechs Monaten gemäß § 67 Abs 1 AFG oder um die Bezugsfrist, die gemäß § 67 Abs 2 AFG verlängert ist oder um die gesetzlich festgesetzte Höchstbezugsdauer handelt, kann hier dahingestellt bleiben. Auch die letztgenannte Frist, die gemäß § 67 Abs 2 Nr 2 AFG im Regelfalle vierundzwanzig Monate beträgt und in der Zeit vom 1. Januar 1983 bis zum 31. Dezember 1984 für Betriebe der Stahlindustrie im Sinne des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl auf sechsunddreißig Monate festgesetzt ist (§ 67 Abs 2 Nr 3 AFG idF vom 20. Dezember 1982 - BGBl I 1857 -), wird erheblich überschritten.

Die Auffassung der Klägerin, die Bindung des Begriffs "vorübergehender Arbeitsausfall" an die Bezugsfristen des § 67 AFG entspreche nicht dem Gesetz, ist unzutreffend. Schon von der Zweckbestimmung her erscheint eine solche Bindung geboten. Kug wird gemäß § 63 Abs 1 AFG gewährt, wenn zu erwarten ist, daß durch die Gewährung dieser Leistung den Arbeitnehmern die Arbeitsplätze gesichert und dem Betrieb die eingearbeiteten Arbeitskräfte erhalten werden. Diese Erwartung ist aber im allgemeinen dann nicht gerechtfertigt, wenn vorauszusehen ist, daß nach Ablauf des Bezuges von Kug der Arbeitsausfall weiter andauert und die Bezugszeit deutlich überschreitet. Damit besteht die Gefahr, daß Entlassungen wegen Arbeitsmangels erfolgen. Dies hat zur Folge, daß der vom Gesetzgeber mit der Gewährung von Kug vorrangig erfolgte Zweck, den Arbeitnehmern die Arbeitsplätze zu sichern, nicht erfüllt würde. Es bestünde vielmehr die Gefahr einer Subventionierung des Arbeitgebers, die durch die Gewährung von Kug gerade nicht erfolgen soll. Das Unternehmerrisiko soll ihm nicht abgenommen werden.

Andererseits läßt eine Auslegung, die den Begriff des vorübergehenden Arbeitsausfalles an die Bezugszeit des § 67 AFG koppelt, die Möglichkeit offen, die jeweilige Arbeitsmarktsituation, wirtschaftliche Strukturwandlungen und auch die Situation eines Betriebes entsprechend den mit den §§ 1 und 2 des AFG verfolgten Zielen besser zu berücksichtigen. Diese Koppelung erlaubt es im Rahmen der Grenzen des § 67 AFG, den Begriff jeweils im Einzelfalle flexibel auszulegen und arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen nachzukommen.

Für diese Auslegung spricht auch, daß es in der amtlichen Begründung zum Zweiten Änderungsgesetz zum AVAVG (BT-Drucks 1240 zu Art I Nr 15), mit der § 119 AVAVG geändert wurde, dessen Vorschriften § 67 AFG im wesentlichen übernommen hat (vgl BT-Drucks V 2291 S 72 zu § 62) ua heißt: "Um die Voraussetzungen des vorübergehenden Charakters des Arbeitsmangels besonders zu betonen, sieht § 119 eine Bezugsdauer von grundsätzlich nur 14 Wochen vor. Lediglich in besonders gelagerten Fällen ist der Verwaltungsrat mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, die Gewährung von Kurzarbeitergeld bis zu 52 Wochen zuzulassen."

Soweit sich die Klägerin weiterhin darauf beruft, die vorstehend vorgenommene Auslegung des Begriffes "vorübergehender Arbeitsausfall" stehe in krassem Gegensatz zu der erklärten Politik des Präsidenten der BA und des früheren Bundesarbeitsministers Ehrenberg, ist dies unerheblich. Entscheidend ist nicht, was unter Umständen politisch wünschenswert ist, sondern der im Gesetz zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers. Hiernach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Kug für ihre Arbeitnehmer.

Damit entfällt auch ein Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für Beitragszahlungen zur Krankenversicherung. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 163 Abs 2 Satz 2 AFG, daß diese Aufwendungen für Empfänger von Kug geleistet worden sind, was hier nicht der Fall sein kann.

Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518381

Breith. 1984, 147

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