Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufhebung eines Bescheides über die Rücknahme der Bewilligung einer ungekürzten Witwenrente darf im Falle seiner Rechtswidrigkeit nicht zusätzlich von der Verpflichtung des Versicherungsträgers zur Rücknahme oder zum Widerruf des der geschiedenen Ehefrau erteilten Hinterbliebenenrentenbescheides abhängig gemacht werden (Anschluß an und Fortführung von BSG vom 25.10.84 - 11 RA 60/83 = SozR 2200 § 1265 Nr 73).

2. Die Zulässigkeit der Aufhebung eines Bescheides über die Bewilligung einer ungekürzten Witwenrente wegen des nachträglichen Hinzutritts einer weiteren Berechtigten richtet sich allein nach § 45 Abs 4 S 2 AVG (= § 1268 Abs 4 S 2 RVO) und nicht nach § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 (Bestätigung von BSG vom 22.4.86 - 1 RA 21/85 = SozR 2200 § 1268 Nr 29).

3. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB 10) unterliegt, wenn der Versicherungsträger eine Ermessensentscheidung nicht getroffen oder die für diese Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte nicht in der Begründung des Rücknahmebescheides mitgeteilt hat, allein deswegen der Aufhebung (Anschluß an BSG vom 12.9.84 - 4 RJ 79/83 = BSGE 57, 138 = SozR 1300 § 50 Nr 6; BSG vom 13.12.84 - 9a RV 40/83 = BSGE 57, 274 = SozR 1300 § 48 Nr 11; BSG vom 14.11.85 - 7 RAr 123/84 = BSGE 59, 157 = SozR 1300 § 45 Nr 19; BSG vom 16.1.86 = 4b/9a RV 9/85 = SozR 1300 § 44 Nr 22).

 

Normenkette

AVG § 45 Abs 4 S 2; RVO § 1268 Abs 4 S 2; SGB 10 § 48 Abs 1 S 1, § 45

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 27.02.1985; Aktenzeichen III ANBf 4/84)

SG Hamburg (Entscheidung vom 05.12.1983; Aktenzeichen 10 AN 163/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der der Klägerin zustehenden Witwenrente.

Die Klägerin war seit dem 20. Dezember 1974 mit dem am 16. Dezember 1978 verstorbenen Harry St. (im folgenden: Versicherter) verheiratet. Dessen erste Ehe mit der Beigeladenen wurde durch Urteil des Landgerichts München II vom 2. Oktober 1974 aus dem Verschulden des Versicherten geschieden. Dieser verpflichtete sich in einer Unterhaltsvereinbarung vom 2. Oktober 1974 für den Fall der rechtskräftigen Ehescheidung, der Beigeladenen eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 100,-- DM bis längstens September 1977 und von 80,-- DM für die folgende Zeit zu zahlen sowie auf eine Abänderung gemäß § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu verzichten. Der Betrag von monatlich 80,-- DM wurde der Beigeladenen bis zum Tode des Versicherten gezahlt.

Nach dem Tode des Versicherten bewilligte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin mit Bescheid vom 8. Februar 1979 für die Zeit ab 1. Januar 1979 (ungekürzte) Witwenrente. Deren Zahlbetrag belief sich nach Ablauf des sogen. Sterbevierteljahres ab 1. April 1979 auf 859,20 DM monatlich. Im Januar 1979 beantragte auch die Beigeladene die Gewährung einer sogen. Geschiedenen-Witwenrente. Die Beklagte bewilligte ihr diese Rente mit Bescheid vom 7. Mai 1979 für die Zeit ab 1. Februar 1979 in Höhe eines Betrages von 774,-- DM monatlich. Mit einem weiteren Bescheid vom 7. Mai 1979 nahm sie eine Neuberechnung der der Klägerin zustehenden Witwenrente vor und setzte diese für die Zeit ab 1. Juli 1979 auf einen Betrag von 85,30 DM monatlich herab.

Wegen dieses Bescheides erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg. Auf dessen Hinweis auf die unterlassene Anhörung der Klägerin hob die Beklagte den dieser erteilten Bescheid vom 7. Mai 1979 mit Bescheid vom 4. März 1981 auf und bewilligte der Klägerin zunächst für die Zeit vom 1. Juli 1979 bis 30. April 1981 sowie später (Bescheid vom 1. Juni 1981) auch für die anschließende Zeit bis zum 31. Juli 1981 die ungekürzte Witwenrente. In dem Bescheid vom 1. Juni 1981 stellte die Beklagte zugleich die Witwenrente für die Zeit ab 1. August 1981 im Hinblick auf die der Beigeladenen zu zahlende Hinterbliebenenrente abermals auf einen Betrag von lediglich 92,20 DM monatlich fest. Der Bescheid vom 1. Juni 1981 wurde Gegenstand des beim SG anhängigen Rechtsstreits. In diesem gab die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 23. April 1982 das von der Klägerin angenommene Anerkenntnis ab, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 1979 und des Änderungsbescheides vom 1. Juni 1981 über den 31. Juli 1981 hinaus ungekürzte Witwenrente zu zahlen. In Ausführung dieses Anerkenntnisses erließ die Beklagte den ihm entsprechenden Bescheid vom 19. August 1982.

Gegenüber der Beigeladenen hob die Beklagte mit Bescheid vom 21. Juni 1982 den Bescheid vom 7. Mai 1979 mit sofortiger Wirkung auf, weil nach dem Ergebnis der öffentlichen Sitzung des SG vom 23. April 1982 allein die Klägerin Anspruch auf die volle Hinterbliebenenrente habe. Auf den Widerspruch der Beigeladenen hob die Beklagte mit Bescheid vom 7. März 1983 "unter Beachtung der geänderten Rechtsprechung" den Bescheid vom 21. Juni 1982 auf und erkannte einen Anspruch der Beigeladenen auf Hinterbliebenenrente auch über den 30. Juni 1982 hinaus an.

Nach vorheriger Anhörung der Klägerin unter Hinweis darauf, daß nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (Urteil vom 12. Mai 1982 - 5b/5 RJ 30/80 - = BSGE 53, 256 = SozR 2200 § 1265 Nr 63) bei der Ermittlung des Mindestunterhaltsbedarfes der geschiedenen Ehefrau die Kosten der Unterkunft nicht mehr zu berücksichtigen seien, erließ die Beklagte gegenüber der Klägerin ebenfalls einen Bescheid vom 7. März 1983. Darin hob sie im Hinblick darauf, daß auch der Beigeladenen eine Hinterbliebenenrente zu gewähren sei, den Bescheid vom 19. August 1982 auf und stellte die Witwenrente der Klägerin für die Zeit ab 1. Mai 1983 mit einem Zahlbetrag von monatlich nur noch 97,60 DM neu fest.

Das SG hat die Klage wegen des an die Klägerin gerichteten Bescheides vom 7. März 1983 abgewiesen (Urteil vom 5. Dezember 1983). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg das Urteil des SG sowie den an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 7. März 1983 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die ungekürzte Witwenrente über den 30. April 1983 hinaus zu gewähren (Urteil vom 27. Februar 1985). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe einen Anspruch auf die volle Hinterbliebenenrente entsprechend dem gerichtlichen Anerkenntnis der Beklagten vom 23. April 1982. Mit der Klage angefochten sei lediglich der der Klägerin und nicht auch der der Beigeladenen erteilte Bescheid vom 7. März 1983. Der Klägerin gehe es nicht um die Rückgängigmachung der Rentengewährung an die Beigeladene. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und unter Berücksichtigung der §§ 44 ff des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB 10) vom 18. August 1980 (BGBl I S 1469) fehle es an einer Abhängigkeit der Rechtspositionen mehrerer Berechtigter voneinander und ließen sich einheitliche Entscheidungen für alle Berechtigten einer Hinterbliebenenrente nicht mehr ausnahmslos treffen. Welche Bedeutung für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch dem gerichtlichen Anerkenntnis vom 23. April 1982 zugemessen werde und ob und wie die Rechtsfolgen eines solchen Anerkenntnisses rückgängig gemacht werden könnten, könne auf sich beruhen. Auch wenn nicht schon das angenommene Anerkenntnis als solches entgegenstehe, sei gleichwohl der angefochtene Bescheid vom 7. März 1983 rechtswidrig. Zwar scheine der Wortlaut des § 45 Abs 4 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die Leistungsherabsetzung im Verhältnis zur Klägerin zu decken. Er erfasse auch Fälle, in denen eine als weitere Berechtigte in Betracht kommende Person schon bekannt gewesen sei, sofern nur ihre Berechtigung erst nach der ersten Rentenfeststellung entstanden sei. Das sei auch im vorliegenden Fall anzunehmen, weil im Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses vom 23. April 1982 ein Anspruch der Beigeladenen noch zu verneinen und erst aufgrund der mit dem Urteil des BSG vom 12. Mai 1982 eingeleiteten neueren Rechtsprechung zur Ermittlung des Mindestbedarfes zu bejahen gewesen sei. Zusätzlich zum Gesetzeswortlaut seien jedoch Sinn und Zweck des § 45 Abs 4 Satz 2 AVG zu berücksichtigen. Der innere Grund für die Zulässigkeit der in der Neufeststellung liegenden Beeinträchtigung sei darin zu sehen, daß die Witwe eines wiederholt verheiratet gewesenen Versicherten über dessen vorangegangene Ehen regelmäßig unterrichtet sei und deshalb mit dem Auftreten weiterer Berechtigter rechnen müsse. Ob die Witwe mit einer Kürzung ihrer Rente rechnen müsse, sei jedoch ua dann zweifelhaft, wenn im Zeitpunkt der Feststellung der Witwenrente Klarheit darüber bestanden habe, daß ein Anspruch auf eine sogen. Geschiedenen-Witwenrente nicht in Betracht gekommen sei. Das sei auch im vorliegenden Fall so gewesen, weil bei Berücksichtigung der bei Abgabe und Annahme des Anerkenntnisses vom 23. April 1982 maßgebenden Rechtsprechung die Voraussetzungen eines Hinterbliebenenrentenanspruchs der Beigeladenen nicht erfüllt gewesen seien und sich insofern eine grundlegende Änderung erst durch die mit dem Urteil des BSG vom 12. Mai 1982 eingeleitete neuere Rechtsprechung ergeben habe. Ungeachtet der Vereinbarkeit dieser Überlegungen mit der Zielsetzung des § 45 Abs 4 Satz 1 AVG, daß insgesamt nur eine Hinterbliebenenrente nach dem betreffenden Versicherten gezahlt werden solle, dürfe sich die Beklagte auf § 45 Abs 4 Satz 2 AVG jedenfalls wegen des Zusammenhanges der Vorschrift mit §§ 44 ff SGB 10 nicht stützen. Hierdurch sei auch schon für die hier interessierende Zeit die Aufhebung bindend gewordener Verwaltungsakte grundlegend neu geregelt worden. Damit erlaube § 45 Abs 4 Satz 2 AVG die Aufhebung bindend gewordener Bescheide nur noch im Einklang mit diesen Vorschriften, wobei einem gerichtlichen Anerkenntnis nicht geringere Wirkungen als einem bindend gewordenen Verwaltungsakt beigemessen werden könnten. Entgegen der Ansicht des SG müßten somit die hier allein anwendbaren §§ 45 oder 48 SGB 10 nicht gegenüber § 45 Abs 4 Satz 2 AVG als der spezielleren Regelung zurücktreten. Eine Rücknahme eines dem Anerkenntnis entsprechenden bindenden Bescheides der Beklagten nach § 48 SGB 10 komme nicht in Betracht. Die spezielle Regelung des Abs 2 der Vorschrift für Änderungen der Rechtsprechung kenne nur eine Aufhebung zugunsten und nicht zum Nachteil des Berechtigten. Ob in solchen Fällen auf § 45 SGB 10 zurückgegriffen werden dürfe, sei äußerst zweifelhaft. Einer auf diese Vorschrift gestützten Rücknahme stehe jedenfalls entgegen, daß diese auch für die Zukunft nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs 2 bis 4 SGB 10 vorgenommen werden dürfe. Diese Einschränkungen griffen hier ein. Die Klägerin habe auf den Bestand des Anerkenntnisses und darauf vertraut, daß der Streit um die Geschiedenen-Witwenrente der Beigeladenen zu ihren (Klägerin) Gunsten entschieden worden sei. Sie habe vor Zugang des Schreibens der Beklagten vom 11. Februar 1983 nicht erkennen können und keinen Anlaß zu der Annahme gehabt, daß seitens der Beklagten eine erneute Aufteilung der Hinterbliebenenrente beabsichtigt worden sei. Demzufolge habe sie sich in der Zeit vor Erlaß des angefochtenen Bescheides auf die Gewährung der vollen Witwenrente eingestellt und die ihr nach der geänderten Rechtsprechung nicht zustehenden Rentenleistungen verbraucht. Ihre Schutzwürdigkeit und deren Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes ergebe sich auch daraus, daß die Klägerin durch die Kürzung ihrer Witwenrente auf nur noch ein Zehntel des bisherigen Betrages besonders hart getroffen worden sei. Ihr komme deswegen der sich aus § 45 Abs 1 SGB 10 ergebende Bestandsschutz zugute.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine unzutreffende Anwendung des § 45 SGB 10. Dem LSG werde darin zugestimmt, daß ebenso wie eine bindend gewordene Verwaltungsentscheidung selbst und ein sie bestätigendes oder ersetzendes rechtskräftiges Urteil auch das einen Rechtsstreit beendende Anerkenntnis nur unter den näheren Voraussetzungen der §§ 44 ff SGB 10 durch einen neuen Verwaltungsakt aufgehoben werden dürfe. Als Rechtsgrundlage einer möglichen Rücknahme komme hier jedoch nicht § 45 SGB 10 in Betracht, sondern § 45 Abs 4 Satz 1 AVG im Zusammenwirken mit § 48 Abs 1 Satz 1 SGB 10. Ihr (der Beklagten) Anerkenntnis vom 23. April 1982 zusammen mit dem Ausführungsbescheid vom 19. August 1982 sei nicht als rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 Abs 1 SGB 10 einzustufen, weil die mit dem Urteil des BSG vom 12. Mai 1982 eingeleitete Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung unmittelbar nur den Anspruch der früheren Ehefrau nach § 42 AVG und nicht den Anspruch der Witwe nach § 41 AVG betreffe und damit lediglich den bindend gewordenen Ablehnungs- oder Entziehungsbescheid gegenüber der früheren Ehefrau mit der Rechtsfolge aus § 44 Abs 1 und 4 SGB 10, nicht aber das angenommene Anerkenntnis von Anfang an rechtswidrig mache. Das Anerkenntnis vom 23. April 1982 könne aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BSG zur Ermittlung des Mindestbedarfes im Rahmen des § 42 AVG nicht als ein von Anfang an rechtswidriges Verwaltungshandeln mit der eingeschränkten Rücknahmemöglichkeit gemäß § 45 Abs 2 bis 4 SGB 10 bewertet werden. Das ergebe sich aus der rentenrechtlichen Regelung des § 45 Abs 4 AVG. Satz 2 der Vorschrift enthalte sowohl eine verfahrensrechtliche Regelung über die Art und Weise der Neufeststellung der mehreren Hinterbliebenenrenten als auch die materiell-rechtliche Regelung, daß beim (späteren) Hinzutritt einer weiteren Hinterbliebenenrentenberechtigung ihretwegen eine (erneute) Aufteilung der einen Hinterbliebenenrente entsprechend § 45 Abs 4 Satz 1 AVG zu erfolgen habe. Die Gründe für die erst spätere Feststellung einer weiteren Hinterbliebenenrentenberechtigung spielten für die Beurteilung der zuerst bewilligten Hinterbliebenenrente keine Rolle. Nicht die Möglichkeit des Bestehens eines oder mehrerer weiterer Hinterbliebenenrentenansprüche, sondern nur der spätere Hinzutritt eines weiteren festgestellten Hinterbliebenenrentenanspruchs machten die ungekürzte Rentengewährung rechtswidrig bzw teilweise rechtswidrig. Damit sei ohne die Feststellung einer weiteren Berechtigung der volle Witwenrentenanspruch von Anfang an rechtmäßig. Anders sei die Rechtslage auch nicht im vorliegenden Fall. Die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 42 AVG habe allein zur Feststellung bzw Anerkennung der Geschiedenen-Witwenrente der Beigeladenen und somit durch Hinzutritt einer weiteren Rentenberechtigung zur teilweisen Rechtswidrigkeit des ungekürzten Witwenrentenanspruchs der Klägerin vom Zeitpunkt der Feststellung der Berechtigung der Beigeladenen an geführt. Damit sei § 45 Abs 1 SGB 10 hier nicht einschlägig, weil die Änderung der Rechtsprechung des BSG zu § 42 AG den Witwenrentenanspruch der Klägerin nicht unmittelbar vom Zeitpunkt des angenommenen Anerkenntnisses an rechtswidrig gemacht habe. Das Anerkenntnis sei vielmehr unter dem Gesichtspunkt der wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse in Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB 10 für die Zukunft aufzuheben. Unabhängig von der Form der Bewilligung der ungekürzten Witwenrente etwa durch bindenden Bescheid, Anerkenntnis oder rechtskräftiges Urteil sei die Aufhebung des zunächst rechtmäßigen Bescheides für die Zukunft möglich und sogar zwingend vorgeschrieben, wenn durch eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Rentenbewilligungsbescheid als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rechtswidrig bzw teilweise rechtswidrig werde. Der Hinzutritt einer weiteren Witwenrentenberechtigung sei als eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse anzusehen. Die dadurch bewirkte teilweise Rechtswidrigkeit des Anerkenntnisses vom 23. April 1982 habe sie (Beklagte) gemäß § 45 Abs 4 AVG zur Kürzung der vollen Witwenrente für die Zukunft berechtigt und verpflichtet. Hinsichtlich des Zeitpunktes, von dem an die rechtswidrig gewordene Entscheidung aufzuheben sei, sei mangels einer entsprechenden Bestimmung in § 48 Abs 1 Satz 1 SGB 10 auf die insoweit speziellere Regelung des § 45 Abs 4 Satz 2 AVG zurückzugreifen und der Witwenrentenbescheid der Klägerin in Gestalt des Anerkenntnisses vom 23. April 1982 mit Ablauf des Monats zu kürzen, der dem Monat folge, in welchem der neue Witwenrentenbescheid der Beigeladenen zugestellt worden sei. Dem trage der angefochtene Bescheid vom 7. März 1983 Rechnung.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Hamburg vom 27. Februar 1985 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Dezember 1983 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils und meint darüber hinaus, der Beklagten sei es angesichts der materiell-rechtlichen Wirkung des Anerkenntnisses vom 23. April 1982 verwehrt, die Rechtsfolgen daraus einseitig durch Verwaltungsakt rückgängig zu machen. Überdies sei der Beklagten im Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses die eingeleitete neuere Rechtsprechung zur Ermittlung des Mindestbedarfes im Rahmen der Geschiedenen-Hinterbliebenenrente bereits bekannt gewesen.

Die Beigeladene beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 27. Februar 1985 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Dezember 1983 zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Revisionsbegründung der Beklagten an und ist der Ansicht, der allein zum Streitgegenstand des Verfahrens gewordene, der Klägerin erteilte Bescheid vom 7. März 1983 sei rechtmäßig. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht die streitige Rücknahme unter Anwendung des § 45 SGB 10 geprüft und für unzulässig angesehen. Im übrigen würde auch die Anwendbarkeit des § 45 SGB 10 nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 7. März 1983 führen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist insofern begründet, als das LSG die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin die ungekürzte Witwenrente über den 30. April 1983 hinaus zu gewähren. Soweit das LSG das Urteil des SG vom 5. Dezember 1983 und den an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 7. März 1983 aufgehoben hat, erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet.

Gegenstand der Klage ist allein der der Klägerin erteilte Bescheid vom 7. März 1983. Nicht angefochten ist der unter demselben Datum der Beigeladenen erteilte Bescheid über die Fortgewährung der Geschiedenen-Witwenrente über den 30. Juni 1982 hinaus. Das ist eine Konsequenz der verwaltungsverfahrensrechtlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles. Nach § 45 Abs 4 AVG in seiner hier noch maßgeblichen Fassung vor der Änderung durch Art 2 Nr 18 Buchst b) des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz -HEZG-) vom 11. Juli 1985 (BGBl I S 1450) erhält, wenn mehrere Berechtigte ua nach §§ 41 oder 42 AVG vorhanden sind, jeder von ihnen nur den Teil der für ihn nach § 45 Abs 1 bis 3 AVG zu berechnenden Rente, der im Verhältnis zu den anderen Berechtigten der Dauer seiner Ehe mit dem Versicherten entspricht (Satz 1). Ist nach Feststellung der Renten ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen, so sind die Renten nach Satz 1 neu festzustellen mit Wirkung vom Ablauf des Monats, der dem Monat folgt, in dem der neue Feststellungsbescheid zugestellt wird (Satz 2). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist dann, wenn wegen des Vorhandenseins einer weiteren Berechtigten der Witwe eines Versicherten lediglich eine der Dauer ihrer Ehe mit dem Versicherten entsprechende Rente bewilligt (§ 45 Abs 4 Satz 1 AVG) oder wegen des Hinzutritts einer weiteren Berechtigten die zunächst bewilligte ungekürzte Witwenrente nachträglich herabgesetzt wird (§ 45 Abs 4 Satz 2 AVG), nicht nur der der Witwe, sondern auch der der anderen Berechtigten erteilte Bescheid über die Bewilligung einer anteiligen Hinterbliebenenrente mit angefochten (BSG SozR Nr 3 zu § 1268 RVO; BSGE 21, 125, 127 f = SozR Nr 5 zu § 1268 RVO; BSGE 51, 1 = SozR 2200 § 1268 Nr 18 S 63; BSG SozR aaO Nr 29 S 91). Diese Rechtsprechung kann für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. Die erstmalige Bewilligung einer im Hinblick auf die Rentengewährung an eine weitere Berechtigte gekürzten Witwenrente ist nicht im Streit. Die Klägerin wendet sich auch nicht allein gegen eine nachträgliche Herabsetzung ihrer Witwenrente wegen eines Hinzutritts der Beigeladenen als weiterer Berechtigter. Sie ficht auch und vor allem die unter Anwendung sozialverfahrensrechtlicher Vorschriften erfolgte teilweise Aufhebung des bindenden Bescheides vom 19. August 1982 über die Bewilligung einer ungekürzten Witwenrente an. Für einen Fall, in welchem der Träger der Rentenversicherung unter rechtsfehlerhafter Annahme einer Hinterbliebenenrentenberechtigung der geschiedenen Ehefrau des Versicherten dessen Witwe lediglich gekürzte Witwenrente gewährt hat und deshalb nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB 10 zur teilweisen Rücknahme des Witwenrentenbescheides verpflichtet gewesen ist, hat der 11. Senat des BSG in seinem Urteil vom 25. Oktober 1984 (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 73 S 248 f) ausgesprochen, die Rücknahmeverpflichtung dürfe nicht zusätzlich noch davon abhängig gemacht werden, daß der Versicherungsträger außerdem zur Rücknahme des der geschiedenen Ehefrau erteilten Bescheides über eine Hinterbliebenenrente verpflichtet werde. Diese Rücknahme hänge nicht nur davon ab, daß nach materiellem Recht der geschiedenen Ehefrau ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht zustehe. Die Rücknahme müsse außerdem auch nach verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig sein. Dies aber könne und dürfe auf die Verpflichtungen des Versicherungsträgers gegenüber der Witwe keinen Einfluß haben. Ihr gegenüber müsse er den früheren Bescheid über eine gekürzte Witwenrente aufgrund des § 44 SGB 10 schon und allein deshalb korrigieren, weil dieser Bescheid rechtswidrig gewesen sei. Diese Erwägungen müssen entsprechend im vorliegenden Fall gelten. Zwar begehrt die Klägerin nicht die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB 10. Sie wendet sich gegen die teilweise Aufhebung oder Rücknahme eines sie begünstigenden Verwaltungsaktes in Gestalt des Bescheides vom 19. August 1982 über die Gewährung einer ungekürzten Witwenrente. Diese Teilrücknahme des Bescheides vom 19. August 1982 läßt sich - wie noch auszuführen sein wird - allein auf § 45 SGB 10 stützen. Indes darf ebenso wie in dem vom 11. Senat entschiedenen Rechtsstreit auch im Falle der Rechtswidrigkeit eines auf § 45 SGB 10 gestützten Bescheides über die Rücknahme der Bewilligung einer ungekürzten Witwenrente die Aufhebung des Rücknahmebescheides nicht zusätzlich von der Verpflichtung des Versicherungsträgers abhängig gemacht werden, den der geschiedenen Ehefrau erteilten Bescheid über eine Hinterbliebenenrente zurückzunehmen oder zu widerrufen. Auch die Zulässigkeit einer solchen Verwaltungshandlung hängt nicht allein von der materiell-rechtlichen Hinterbliebenenrentenberechtigung der geschiedenen Ehefrau ab. Sie ist zusätzlich davon abhängig, daß der ihr erteilte Hinterbliebenenrentenbescheid auch nach verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zurückgenommen oder widerrufen werden darf. Davon aber darf die Entscheidung über die Aufhebung eines der Witwe erteilten und auf § 45 SGB 10 gestützten Rücknahmebescheides nicht abhängig gemacht werden. Für diese Entscheidung ist allein maßgeblich, ob der Rücknahmebescheid rechtswidrig ist. Ist das zu bejahen, so muß allein dieser Umstand zur Aufhebung des Rücknahmebescheides führen. Nicht hingegen darf sie zusätzlich davon abhängig gemacht werden, ob und inwieweit der Versicherungsträger zur Rücknahme oder zum Widerruf des der früheren Ehefrau erteilten Hinterbliebenenrentenbescheides berechtigt oder verpflichtet ist. Demgemäß ist Gegenstand der von der Witwe erhobenen Klage allein der ihr erteilte Rücknahmebescheid.

Soweit das LSG sich nicht auf die Aufhebung des Urteils des SG und des der Klägerin erteilten Bescheides der Beklagten vom 7. März 1983 beschränkt, sondern zugleich die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin die ungekürzte Witwenrente über den 30. April 1983 hinaus zu gewähren, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Nach der Wiedergabe im Tatbestand dieses Urteils hat die Klägerin neben der Aufhebung des klagabweisenden Urteils des SG beantragt, den an sie gerichteten Bescheid der Beklagten vom 7. März 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die ungekürzte Witwenrente auch über den 30. April 1983 hinaus zu gewähren. Die Klägerin hat damit eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) erhoben. Das LSG hat entsprechend dem Berufungsantrag entschieden und demnach die kombinierte Klage für zulässig gehalten. Dem pflichtet der Senat nicht bei. Für eine neben der Anfechtungsklage erhobene und mit ihr kombinierte Leistungsklage hat der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt. Sie erstrebt in der Sache eine Fortgewährung der ungekürzten Witwenrente über den 30. April 1983 hinaus. Dieses Ziel läßt sich schon mit der isolierten Anfechtungsklage iS des § 54 Abs 1 SGG erreichen. Sie würde im Falle ihres Erfolges zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 7. März 1983 und diese wiederum zu einer vollinhaltlichen Wiederherstellung des Bescheides vom 19. August 1982 über die Gewährung einer ungekürzten Witwenrente führen. Zur Gewährung dieser Rente wäre die Beklagte dann schon aufgrund letzteren Bescheides verpflichtet. Für eine zusätzlich darauf gerichtete Leistungsklage hat folglich kein Raum bestanden (vgl BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19 S 54; BSGE 59, 157, 159 = SozR 1300 § 45 Nr 19 S 53; BSGE 59, 206, 211 = SozR aaO Nr 20 S 70 f; BSGE 59, 227, 229 = SozR 4100 § 134 Nr 29 S 79; vgl auch BSGE 58, 49, 54 = SozR 1300 § 45 Nr 15 S 42).

Soweit das LSG den der Klägerin erteilten Bescheid der Beklagten vom 7. März 1983 aufgehoben hat, bleibt der Revision der Erfolg versagt. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte hat ihren Bescheid vom 19. August 1982 über die Gewährung einer ungekürzten Witwenrente an die Klägerin über den 31. Juli 1981 hinaus nicht aufheben oder zurücknehmen dürfen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt eine Aufhebung des Bescheides vom 19. August 1982 - nur diese und nicht (auch) eine Aufhebung des Anerkenntnisses vom 23. April 1982 ist im Streit - aufgrund des § 45 Abs 4 AVG "im Zusammenwirken" mit § 48 Abs 1 Satz 1 SGB 10 nicht in Betracht. Nach letzterer Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Anwendungsbereich sowohl dieser Bestimmung als auch des gesamten § 48 SGB 10 ist auf die Fälle einer nachträglichen wesentlichen Änderung der für einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung maßgebend gewesenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beschränkt. Der Verwaltungsakt muß entsprechend den bei seinem Erlaß vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen und übereinstimmend mit der damals gegebenen Rechtslage ergangen und erst nach diesem Zeitpunkt infolge einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in dem Sinne rechtswidrig geworden sein, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht oder nicht mit seinem ursprünglichen Inhalt hätte erlassen dürfen (BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19 S 36; BSG SozR aaO Nr 22 S 50). Hingegen berechtigt § 48 SGB 10 nicht zur Aufhebung eines schon im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrigen Verwaltungsaktes zum Zwecke der Beseitigung dieser Rechtswidrigkeit. Mit dieser Zweckrichtung darf eine nachträgliche Korrektur des rechtswidrigen Verwaltungsaktes je nachdem, ob er belastend oder begünstigend gewesen ist, nur durch "Rücknahme" auf der Grundlage des § 44 oder des § 45 SGB 10 vorgenommen werden (vgl BSGE 57, 274, 275 ff = SozR 1300 § 48 Nr 11 S 20 ff; BSGE 60, 218, 219 f = SozR aaO Nr 27 S 74 f; Urteil des BSG vom 9. April 1987 - 5b RJ 36/86 -).

§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB 10 - für sich allein betrachtet - läßt somit angesichts seines begrenzten Anwendungsbereiches die Neufeststellung einer bisher ungekürzt gewährten Witwenrente allein wegen des nachträglichen Hinzutritts einer weiteren Hinterbliebenenrentenberechtigten zu. Indes wird er als mögliche Rechtsgrundlage einer solchen Neufeststellung durch die speziellere Vorschrift des § 45 Abs 4 Satz 2 AVG verdrängt. Das hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 22. April 1986 (BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29 S 92 f) ausgesprochen. Danach läßt § 45 Abs 4 Satz 2 AVG nach Wortlaut, Sinn und Zweck die Neufeststellung einer Hinterbliebenenrente stets dann zu, wenn - aus welchen Gründen auch immer - ein weiterer Berechtigter erst nach der Feststellung der Hinterbliebenenrente "zu berücksichtigen", dh nunmehr eine weitere Hinterbliebenenrente zu zahlen ist. Mit diesem Inhalt gilt § 45 Abs 4 Satz 2 AVG als Vorschrift des AVG und damit eines besonderen Teils des Sozialgesetzbuchs iS des § 37 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB 1) idF des Art II § 15 Nr 1 des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl I S 1450) auch nach Inkrafttreten der allgemeinen Rücknahmeregelungen der §§ 44 ff SGB 10 als abweichendes und zugleich spezielles Recht fort mit der Wirkung, daß §§ 44 ff SGB 10 keine Anwendung finden, jedenfalls soweit die besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs 4 Satz 2 AVG vorliegen. Wird daher - wie im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten - geltend gemacht, die Aufhebung des Bescheides über die Bewilligung einer ungekürzten Witwenrente sei wegen des nachträglichen Hinzutritts einer weiteren Hinterbliebenenrentenberechtigten veranlaßt und geboten, so ist Maßstab der rechtlichen Prüfung der Zulässigkeit einer solchen Aufhebung die spezielle Regelung des § 45 Abs 4 Satz 2 AVG und nicht die generelle Norm des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB 10. Letztere scheidet damit als mögliche Rechtsgrundlage des hier angefochtenen Bescheides von vornherein aus.

Einer Aufhebung des Bescheides vom 19. August 1982 nach der allein maßgebenden speziellen Regelung des § 45 Abs 4 Satz 2 AVG stehen sachliche Gründe entgegen. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Vorschrift sind nicht erfüllt. Zwar ist sie nicht nur auf die Fälle anwendbar, in denen die Anspruchsvoraussetzungen für eine weitere Rentenberechtigung erst nach Feststellung der Witwenrente erfüllt werden bzw eintreten. Sie findet vielmehr auch dann Anwendung, wenn ein weiterer Hinterbliebenenrentenanspruch vor der Feststellung der Rente bestanden hat, dieser Anspruch aber aus sonstigen Gründen (zB wegen fehlender Ermittlungen oder irrtümlicher Verneinung von Anspruchsvoraussetzungen) vorher vom Versicherungsträger noch nicht anerkannt worden ist oder hat anerkannt werden können oder eine weitere Rente wegen eines Ruhenstatbestandes bisher nicht auszahlbar gewesen ist. Nach § 45 Abs 4 Satz 2 AVG ist die Neufeststellung einer bereits festgestellten Hinterbliebenenrente stets dann zulässig, wenn nach dieser Feststellung ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen, dh nunmehr eine weitere Hinterbliebenenrente zu zahlen ist (BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29 S 92 mwN). Darin liegen zugleich die Grenzen der Anwendbarkeit des § 45 Abs 4 Satz 2 AVG. Die Vorschrift setzt jedenfalls voraus, daß erst von einem nach der Feststellung der Hinterbliebenenrente liegenden Zeitpunkt an ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen, dh auch ihm Hinterbliebenenrente zu zahlen ist. Diese Voraussetzung mag noch erfüllt sein, wenn dem weiteren Berechtigten die Hinterbliebenenrente zwar rückwirkend ab einem vor der Feststellung der ersten Hinterbliebenenrente liegenden Zeitpunkt zu zahlen ist, die bescheidmäßige Feststellung der weiteren Hinterbliebenenrente aber erst nach der ersten Feststellung erfolgt. Ist jedoch bereits im Zeitpunkt dieser ersten Feststellung auch eine weitere Hinterbliebenenrentenberechtigung schon bescheidmäßig festgestellt oder einem weiteren Berechtigten Hinterbliebenenrente gezahlt worden, so ist § 45 Abs 4 Satz 2 AVG nicht anwendbar. In diesen Fällen ist nicht "nach Feststellung der Renten" ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen. Vielmehr hat diese Berücksichtigung schon im Zeitpunkt der Feststellung der Rente erfolgen müssen. Die Nichtberücksichtigung des weiteren Berechtigten in diesen Fällen führt damit zu einer Rechtswidrigkeit der Feststellung der Hinterbliebenenrente von Anbeginn an und nicht iS einer Änderung der Verhältnisse ab einem späteren Zeitpunkt. Für die Korrektur einer solcherart rechtswidrigen Feststellung der Hinterbliebenenrente ist § 45 Abs 4 Satz 2 AVG nicht einschlägig.

Das gilt auch im vorliegenden Fall. Die Beklagte hat in Ausführung ihres gerichtlichen Anerkenntnisses vom 23. April 1982 mit dem Bescheid vom 19. August 1982 der Klägerin auch für die Zeit ab 1. August 1981 eine ungekürzte Witwenrente bewilligt. Schon vor diesen Zeitpunkten war mit Bescheid vom 7. Mai 1979 auch der Beigeladenen eine anteilige Hinterbliebenenrente zuerkannt worden. Zwar hat die Beklagte diesen Verwaltungsakt mit Bescheid vom 21. Juni 1982 aufgehoben. Diese Aufhebung ist jedoch wegen des von der Beigeladenen dagegen eingelegten Widerspruchs zur Zeit der Erteilung des Bescheides vom 19. August 1982 an die Klägerin nicht bindend gewesen und mit dem der Beigeladenen erteilten Bescheid vom 7. März 1983 ihrerseits wieder aufgehoben worden. Hierdurch ist der Bescheid vom 7. Mai 1979 über die Gewährung einer anteiligen Hinterbliebenenrente an die Beigeladene für Bezugszeiten nach dem 30. Juni 1982 und damit auch für den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 19. August 1982 vollinhaltlich wiederhergestellt worden. Danach ist die Beigeladene nicht erst nach dem Erlaß dieses Bescheides als weitere Hinterbliebenenrentenberechtigte zu berücksichtigen gewesen. Ihr ist schon in der und für die Zeit zuvor anteilige Hinterbliebenenrente bewilligt und gezahlt worden. Die Außerachtlassung dieses Umstandes bei dem Erlaß des Bescheides vom 19. August 1982 kann nicht zu dessen nachträglicher Korrektur gemäß § 45 Abs 4 Satz 2 AVG führen.

Als Rechtsgrundlage einer solchen Korrektur kommt allein § 45 SGB 10 in Betracht. Danach darf, soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs 1). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Abs 2 Satz 1). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Abs 2 Satz 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte ua nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Abs 2 Satz 3 Nr 3).

Die Voraussetzungen des § 45 SGB 10 sind insoweit erfüllt, als der begünstigende Bescheid vom 19. August 1982 im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen ist. Der Klägerin hat zumindest in diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf eine ungekürzte Witwenrente nicht (mehr) zugestanden. Sie hat gemäß § 45 Abs 4 Satz 1 AVG neben der Beigeladenen als weiterer Anspruchsberechtigter lediglich einen der Dauer ihrer Ehe mit dem Versicherten entsprechenden Teil der Hinterbliebenenrente beanspruchen können. Das könnte sich bereits aus der formellen Erwägung ergeben, daß der Beigeladenen mit Bescheid vom 7. Mai 1979 eine anteilige Hinterbliebenenrente bewilligt, dieser Bescheid nach Rücknahme des Aufhebungsbescheides vom 21. Juni 1982 durch den der Beigeladenen erteilten Bescheid vom 7. März 1983, welcher aus den bereits erörterten Gründen im vorliegenden Rechtsstreit nicht angefochten ist, vollinhaltlich wiederhergestellt worden ist und er damit retrospektiv auch schon im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 19. August 1982 bestanden hat. Diese formelle Erwägung braucht jedoch nicht vertieft zu werden. Jedenfalls hat der Beigeladenen im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 19. August 1982 die bescheidmäßig festgestellte anteilige Hinterbliebenenrente auch nach materiellem Recht zugestanden. Sie hat aufgrund der ihr vom Versicherten bis zu dessen Tode geleisteten Unterhaltszahlungen unter Berücksichtigung der mit dem Urteil vom 12. Mai 1982 (BSGE 53, 256 = SozR 2200 § 1265 Nr 63) eingeleiteten neueren Rechtsprechung des BSG zum Begriff des Unterhalts iS des § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO; = § 42 AVG) eine Geschiedenen-Witwenrente nach der dritten Regelung des § 42 Satz 1 AVG beanspruchen können. Das ist unter den Beteiligten unstreitig und insbesondere von der Beklagten schon in der Begründung des der Beigeladenen erteilten Bescheides vom 7. März 1983 ausdrücklich anerkannt worden.

Nach der Systematik des § 45 SGB 10 hängt damit die Zulässigkeit einer Rücknahme des Bescheides vom 19. August 1982 von der Erfüllung der weiteren Rechtsvoraussetzungen des § 45 Abs 2 SGB 10 ab. Diese Vorschrift erfordert eine Abwägung zwischen dem Vertrauen des Begünstigten in die Bestandskraft des Verwaltungsakts einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Verwaltungsakts andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (vgl hierzu insbesondere BSG SozR 1300 § 45 Nr 9 S 25 ff; BSGE 59, 157, 163 ff = SozR aaO Nr 19 S 57 ff; BSGE 59, 206, 208 ff = SozR aaO Nr 20 S 69 f). Der Senat braucht auf die damit zusammenhängenden Rechtsfragen und die dazu im angefochtenen Urteil angestellten tatsächlichen Erwägungen nicht einzugehen. Derartige Erörterungen sind für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich. Denn selbst wenn - was zugunsten der Beklagten unterstellt werden mag - die nach § 45 Abs 2 SGB 10 vorzunehmende Abwägung zu dem Ergebnis führen würde, daß dem Interesse der Beklagten an der Rücknahme des Bescheides vom 19. August 1982 gegenüber dem Vertrauen der Klägerin in die Bestandskraft des Bescheides der Vorrang gebührt, erweist sich der der Klägerin erteilte Bescheid vom 7. März 1983 jedenfalls aus einem anderen Grunde als rechtswidrig.

Nach § 45 Abs 1 SGB 10 "darf" bei Erfüllung der dafür erforderlichen Rechtsvoraussetzungen und unter Wahrung bestimmter Fristen ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden. Die Behörde ist danach nicht zu einer Rücknahme verpflichtet. Diese steht vielmehr in ihrem Ermessen (vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 12 S 30; BSGE 59, 157, 169 = SozR aaO Nr 19 S 64; BSG SozR 1300 § 44 Nr 22 S 50; zweifelnd lediglich BSGE 60, 147, 150 f = SozR 1300 § 45 Nr 24 S 76). Infolgedessen hat der Versicherungsträger bei einer Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB 10 sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB 1). Er muß bei seiner Ermessensentscheidung von einer richtigen Beurteilung der Voraussetzungen für das Ermessen und bei dessen Ausübung von einem richtig und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen und überhaupt eine Ermessensentscheidung treffen, wo das Gesetz eine solche vorsieht. Für die Fragen, ob der Versicherungsträger überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat und - falls ja - ob diese rechtmäßig gewesen ist, kommt es auf den Inhalt des Rücknahmebescheides und insbesondere auf dessen Begründung an. Sie muß nicht nur erkennen lassen, daß der Versicherungsträger eine Ermessensentscheidung hat treffen wollen und getroffen hat, sondern gemäß § 35 Abs 1 Satz 3 SGB 10 auch diejenigen Gesichtspunkte, von denen der Versicherungsträger bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen ist (so insbesondere BSGE 59, 157, 169 f = SozR 1300 § 45 Nr 19 S 64 f mwN). Hat der Versicherungsträger eine Ermessensentscheidung nicht getroffen oder die für diese Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte nicht in der Begründung des Rücknahmebescheides mitgeteilt, so führt allein dies zur Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit des Bescheides (BSGE 57, 138, 144 = SozR 1300 § 50 Nr 6 S 13; BSGE 57, 274, 278 = SozR 1300 § 48 Nr 11 S 23 f; BSGE 59, 157, 172 = SozR 1300 § 45 Nr 19 S 67; BSG SozR 1300 § 44 Nr 22 S 50).

Der der Klägerin erteilte Bescheid vom 7. März 1983 ist jedenfalls aus diesen Gründen rechtswidrig. Seiner Begründung ist nicht zu entnehmen, daß die Beklagte über die Rücknahme des Bescheides vom 19. August 1982 eine Ermessensentscheidung hat treffen wollen und getroffen hat und von welchen Gesichtspunkten sie sich bei einer solchen Entscheidung hat leiten lassen. Die Bescheidbegründung läßt im Gegenteil erkennen, daß die Beklagte sich zur Aufhebung des Bescheides vom 19. August 1982 für verpflichtet gehalten und insoweit einen Fall gebundenen Verwaltungshandelns angenommen hat. Das geht aus den Ausführungen im Bescheid vom 7. März 1983 hervor, daß gemäß § 45 Abs 4 AVG eine Hinterbliebenenrente zwischen der Witwe und der geschiedenen Ehefrau eines Versicherten aufzuteilen "ist", wenn auch der geschiedenen Ehefrau ein Hinterbliebenenanspruch zusteht.

Der der Klägerin erteilte Bescheid vom 7. März 1983 unterliegt somit der Aufhebung. In diesem Umfange erweisen sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als zutreffend und damit die Revision der Beklagten als unbegründet. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG und berücksichtigt, daß trotz der aus prozessualen Gründen erforderlichen Abänderung des angefochtenen Urteils die Klägerin der Sache nach auch in der Revisionsinstanz in vollem Umfange obsiegt hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665345

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