Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.03.1989; Aktenzeichen L 2 BU 41/84)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. März 1989 aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 1.026,90 DM durch den Kläger.

Der 1927 geborene Kläger war von 1963 bis Ende Juni 1980 bei der Firma S. Möbelwerke OHG (Firma S.) in H. beschäftigt.

Mit Schreiben vom 27. Juni 1980 kündigte der Konkursverwalter der Firma S. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen am selben Tag erfolgter Konkurseröffnung „zum nächstzulässigen Termin” und stellte ihn gleichzeitig mit sofortiger Wirkung frei. In der vom Konkursverwalter am 3. Juli 1980 ausgefüllten Arbeitsbescheinigung ist angegeben, daß die Kündigung am 27. Juni 1980 zum 27. Juni 1980 erfolgt sei. Der Kläger seinerseits kündigte das Arbeitsverhältnis am 30. Juni 1980 fristlos.

Auf die Arbeitslosmeldung des Klägers am 30. Juni 1980 bewilligte ihm die Beklagte Alg vom 28. Juni 1980 bis 31. Juli 1980 in Höhe von 293,40 DM wöchentlich. Am 1. August 1980 nahm der Kläger eine neue Arbeit auf.

Mit Schreiben vom 10. Juli 1980 teilte die Beklagte der Firma S. mit, gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) seien eventuelle Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt, Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen gegen die Firma S. auf sie (die Bundesanstalt für Arbeit – BA –) übergegangen. Den Anspruchsübergang teilte die Beklagte auch dem Kläger mit. Das Schreiben hat der Konkursverwalter – laut seiner Mitteilung vom 18. September 1986 an das Sozialgericht (SG) – nicht erhalten.

Am 29. Juli 1982 wurde dem Kläger aus dem Sozialplan der Firma S. eine Abfindung in Höhe von 5.165,80 DM gezahlt.

Am 14. August 1984 erteilte die Beklagte dem Kläger einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem sie unter Berufung auf § 117 Abs 4 Satz 2 AFG wegen der Auszahlung der Abfindung das für die Zeit vom 1. bis 21. Juli 1980 gezahlte Alg in Höhe von 880,20 DM zurückforderte.

Mit weiterem Bescheid vom 11. Dezember 1984 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß er insgesamt 1.026,90 DM zu erstatten habe, denn der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses sei nicht der 27., sondern der 30. Juni, so daß der Erstattungszeitraum richtigerweise die Zeit vom 1. bis 24. Juli 1980 umfasse.

Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 1985; Urteil des SG Detmold vom 26. März 1987; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) vom 9. März 1989).

Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Dem Kläger sei eine Abfindung iS von § 117 Abs 2 Satz 1 AFG zugeflossen. Bei der Ende Juli 1982 gezahlten Sozialplanabfindung handele es sich um eine Leistung, die wegen und nicht nur anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden sei.

Das zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin bestehende Arbeitsverhältnis sei auch ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Zwar habe der Konkursverwalter mit Schreiben vom 27. Juni 1980 eine ordentliche Kündigung „zum nächstzulässigen Termin” ausgesprochen; jedoch sei das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Klägers vorzeitig beendet worden.

Nach § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG ruhe der Anspruch auf Alg zwar nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Diese Regelung greife zugunsten des Klägers jedoch weder unmittelbar noch mittelbar ein. Der Konkursverwalter sei nach § 22 der Konkursordnung zu einer fristlosen Kündigung des Klägers nicht berechtigt gewesen.

Da der Konkursverwalter von der an die Gemeinschuldnerin gerichteten Mitteilung des Anspruchsübergangs keine Kenntnis erlangt habe, habe er die Sozialplanabfindung mit befreiender Wirkung an den Kläger gezahlt. In einem derartigen Fall habe der Empfänger des Alg dieses insoweit zu erstatten (§ 117 Abs 4 Satz 2 AFG).

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 117 Abs 4 Satz 2 sowie Abs 2 Satz 1 und Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG.

Wenn eine Partei berechtigt sei, das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden, bestehe kein Anlaß, auch noch eine Abfindung zu zahlen. Die Abfindung werde in einem solchen Fall als Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstands gewährt. Auch in einer Sozialplanabfindung seien keine pauschalierten Arbeitsentgeltansprüche enthalten, wenn der Arbeitnehmer das bestehende Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt habe. Dem Kläger stehe vielmehr neben der Abfindung ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen seiner Verdienstausfälle zu. Nur dieser Anspruch sei auf die Beklagte übergegangen.

Die berechtigte fristlose Kündigung des Arbeitnehmers stehe der fristlosen Kündigung des Arbeitgebers gleich. Der Gesetzgeber habe durch § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG gerade die Fälle vom Anwendungsbereich des § 117 Abs 2 AFG ausnehmen wollen, in denen fristlos aus wichtigem Grund hätte gekündigt werden können. Daraus folge, daß der Anspruch auf Alg auch nicht über den Tag hinaus ruhen könne, an dem der Arbeitnehmer das bestehende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen dürfe. Insofern sei eine Lücke im Gesetz anzunehmen. Das zur fristlosen Kündigung berechtigende vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers müsse, wie das des Arbeitnehmers, das Ruhen des Anspruchs auf Alg und damit auch den Anspruchsübergang nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG ausschließen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. März 1989 und das Urteil des SG Detmold vom 26. März 1987 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14. August 1984 idF des Änderungsbescheids vom 11. Dezember 1984 sowie des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 1985 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend und § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG nicht für analog anwendbar, wenn der Arbeitnehmer aus wichtigem Grund hätte fristlos kündigen können. Eine die Analogie rechtfertigende planwidrige Lücke im Gesetz sei nicht vorhanden. Dies gehe bereits aus der Begründung der Bundesregierung zu ihrem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des AFG hervor (BT-Drucks VIII/857).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

Dem LSG ist zunächst darin zu folgen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Das LSG hat festgestellt, daß der Konkursverwalter am 27. Juli 1980 eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Das Arbeitsverhältnis ist aber nicht durch diese Kündigung, sondern durch die fristlose Kündigung seitens des Klägers vom 30. Juni 1980 beendet worden, bevor die Kündigungsfrist abgelaufen war. Auch eine Kündigung durch den Arbeitnehmer vor Ablauf der für den Arbeitgeber geltenden ordentlichen Kündigungsfrist erfüllt die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG. Die Vorschrift unterscheidet nicht danach, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde und wer gekündigt oder sonst die Initiative zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses ergriffen hat (Gagel, AFG § 117 RdNr 105).

Die Revision rügt zu Unrecht eine Verletzung des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG. Danach ruht der Anspruch auf Alg nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Das Gesetz stellt nur darauf ab, ob dem Arbeitgeber ein Recht zur fristlosen Kündigung zustand, nicht aber darauf, ob der Arbeitnehmer fristlos hätte kündigen können.

Auch eine analoge Anwendung von § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG kommt nicht in Betracht, weil nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung gerade nicht die Fälle erfaßt werden sollen, in denen der Arbeitnehmer ein Recht zur fristlosen Kündigung hat.

Der Zweck der Vorschrift liegt darin, Doppelleistungen zu vermeiden, die entstehen würden, wenn der Arbeitnehmer einerseits Alg erhielte und andererseits mit der Abfindung Arbeitsentgeltansprüche abgegolten würden, die ihm für dieselbe Zeit zugestanden hätten, sofern er von seinem Recht auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der für den Arbeitgeber geltenden ordentlichen Kündigungsfrist Gebrauch gemacht hätte. Solche Doppelleistungen kommen bei der in § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG allein erfaßten berechtigten fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber nicht in Betracht.

Die in § 117 Abs 2 und 3 AFG getroffene Regelung beschränkt sich jedoch nicht auf Abfindungen, in denen ein Arbeitsentgeltanteil vermutet wird, sondern erfaßt auch ähnliche Leistungen wie Schadensersatzansprüche, die dem Arbeitnehmer wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugebilligt worden sind oder zustehen (BSGE 40, 26, 30 f). Dazu gehören Schadensersatzansprüche, die dem Arbeitnehmer zustehen, wenn er berechtigt fristlos kündigt, weil die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers veranlaßt ist (§ 628 Abs 2 BGB; s dazu Gessert, Schadensersatz nach Kündigung, 1987). Auch in solchen Fällen wird in der Form des Schadensersatzes für entgangenen Lohn in der Zeit vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist eine Leistung gewährt, die anstelle des Arbeitsentgelts tritt und in gleicher Weise Lohnersatzfunktion hat wie eine Abfindung, mit der Arbeitsentgeltansprüche abgefunden werden, die anderenfalls bestanden hätten. Dies rechtfertigt ein Ruhen des Alg, wenn solche Ansprüche bestehen oder zu vermuten ist, daß sie mit einer Abfindung abgegolten werden.

Der Gesetzgeber hat in § 117 Abs 2 und 3 AFG für alle diese Fälle eine pauschalierende Regelung getroffen, die sicherstellt, daß keinesfalls mehr als 70 % der Abfindung oder einer ähnlichen Leistung zum Ruhen des Alg führen. Sie ist von dem Gedanken geprägt, das Alg nicht über den Zeitpunkt hinaus ruhen zu lassen, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unabhängig vom Willen des Arbeitnehmers hätte beenden können. Dies kommt einmal darin zum Ausdruck, daß eine Abfindung nicht zum Ruhen führt, wenn die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten ist (§ 117 Abs 2 Satz 1 AFG), zeigt sich aber auch darin, daß das Alg nicht über den Tag hinaus ruht, an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung geendet hätte (§ 117 Abs 3 Satz 2 Nr 2 AFG), und wird schließlich daran deutlich, daß ein Ruhen ausscheidet, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können (§ 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG).

Zutreffend hat das LSG auch entschieden, daß es sich bei der dem Kläger zugebilligten Abfindung um eine Leistung handelte, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wurde. Ein Sozialplan dient gemäß § 112 Abs 1 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Bei Betriebsstillegungen sollen somit durch den Sozialplan insbesondere die Nachteile gemildert werden, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehen. Dies zeigt, daß die Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Das Gesetz unterscheidet auch nicht danach, ob die Leistung auf einzelvertraglicher Vereinbarung, gerichtlichem Vergleich oder betrieblicher oder tariflicher Regelung beruht.

Dennoch kann dem LSG im Ergebnis nicht gefolgt werden. Bei der Entscheidung ist unbeachtet geblieben, daß für den Zeitraum nach dem Tage der fristlosen Kündigung durch den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist Schadensersatzansprüche wegen entgangenen Arbeitsentgelts nach § 628 Abs 2 BGB in Betracht kommen (vgl KR-Weigand 2. Aufl, § 22 KO RdNrn 28-30), die ebenfalls den Charakter einer Abfindung haben und zum Ruhen des Alg führen.

Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen, ob dem Kläger unter Einbeziehung von Ansprüchen nach § 628 Abs 2 BGB eine höhere Abfindung als 5.165,– DM zustand. Ist dies nicht der Fall, etwa weil der Sozialplan eine Abgeltung der Restlohnansprüche einschließlich der Ansprüche aus § 628 Abs 2 BGB vorsah, so ist der Anspruch der BA in Höhe von 1.026,90 DM begründet. Von dem Gesamtabfindungsanspruch von 5.165,32 DM hätten dem Kläger anrechnungsfrei 60 % = 3.099,48 DM zugestanden. Der Restbetrag von 2.066,32 DM enthielt bei einem Arbeitsentgelt von kalendertäglich 84,95 DM das Entgelt für 24 Kalendertage. Der Anspruch ging in Höhe des für diese Tage gewährten Alg (1.026,90 DM) nach § 115 SGB X auf die Beklagte über. Da der Arbeitgeber bei einem Gesamtabfindungsanspruch von 5.165,32 DM seine Verpflichtung voll erfüllt hat, hat der Kläger auch die auf die BA übergegangenen 1.026,90 DM erhalten, wie dies der Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 AFG voraussetzt.

Hatte der Kläger jedoch noch einen Anspruch aus § 628 Abs 2 BGB neben der ihm ausgezahlten Abfindung, so wäre dieser mit der gezahlten Abfindung zu einem Gesamtabfindungsanspruch zusammenzurechnen. Der Arbeitgeber hätte bei dieser Sachlage den Gesamtabfindungsanspruch nur teilweise erfüllt. Der Kläger hätte dann nur in der Höhe eine Abfindung trotz des Anpruchsübergangs erhalten, in der der ihm zugeflossene Teil der Gesamtabfindung den ihm zustehenden Teil übersteigt. Hätte zB im vorliegenden Fall der Gesamtabfindungsanspruch 6.000,– DM betragen, so hätten davon nur 2.400,– DM (40 %) zum Ruhen von Alg geführt. Auf die BA wäre danach Alg für 28 Tage, das sind bei einem täglichen Alg von 48,90 DM 1.369,20 DM übergegangen, dem Kläger hätten 4.630,80 DM zugestanden. Da er jedoch 5.165,80 DM erhalten hat, wären dies 535,– DM zuviel, die der Arbeitgeber dann mit befreiender Wirkung entrichtet hätte. In dieser Höhe hätte die Bundesanstalt für Arbeit das Recht, Alg zurückzufordern. Der Bescheid der Beklagten wäre in dieser Höhe rechtmäßig. Wäre der Gesamtabfindungsanspruch noch höher, zB 10.000,– DM, so hätten davon nur 4.000,–DM (40 %), nicht aber die übrigen 6.000,– DM (60 %) zum Ruhen von Alg geführt. Der Kläger hätte dann mit der Zahlung von 5.165,32 DM nicht einmal den ihm uneingeschränkt zustehenden Betrag erhalten, so daß es hier keiner weiteren Berechnung bedürfte.

Die Zusammenrechnung der verschiedenen Ansprüche zu einer einheitlich zu betrachtenden Gesamtabfindung, bei der Differenzierungen nach der Art der Abfindung und ihrer zeitlichen Abfolge nicht mehr vorgenommen werden, ist durch den pauschalierenden Grundzug des § 117 AFG geboten. Andere Lösungen würden zu kaum zu bewältigenden Verwaltungsschwierigkeiten führen. Der Anspruch aus § 628 Abs 2 BGB kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, weil es sich um eine „ähnliche Leistung” iS des § 117 Abs 2 AFG handelt.

Eine andere Lösung würde überdies verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 GG) begegnen. Es würden dann nämlich diejenigen, denen ordentlich gekündigt worden ist, besser gestellt als diejenigen, die von ihrem Recht zur außerordentlichen Kündigung Gebrauch machen und denen deshalb eine Lohnersatzleistung (Schadensersatz) zusteht. Eine solche Folgerung würde die Möglichkeit der Arbeitnehmer zur außerordentlichen Kündigung unangemessen belasten (s dazu auch die einhellige Ansicht zur Erschwerung außerordentlicher Kündigung durch Vertrag oder Tarifklauseln: KR-Hillebrecht 2. Aufl, § 626 RdNrn 37-42), wofür aus dem Gedanken der Vermeidung von Doppelleistungen kein Bedürfnis besteht.

Das LSG wird deshalb feststellen müssen, welche Überlegungen der Zahlung der Abfindung an den Kläger zugrundelagen, ob es sich um eine reine, nach allgemeinen für alle Belegschaftsmitglieder gleichen Kriterien berechnete Abfindung handelte oder ob – wie das SG vermutet hat – die Abfindung zur Abgeltung aller Ansprüche des Klägers, dh auch für in Betracht kommende Schadensersatzansprüche gezahlt wurde.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

NJW 1990, 2772

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