Leitsatz (amtlich)

1. Die Förderung von Behinderten im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstätte für Behinderte durch die Bundesanstalt für Arbeit ist nach dem bis zum 31.12.1981 geltenden Recht nicht auf zwei Jahre beschränkt. Sie setzt dann allerdings voraus, daß der Behinderte noch nicht ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung iS des § 52 Abs 3 SchwbG erbringen kann.

2. Zum Begriff des Mindestmaßes einer wirtschaftlich verwertbaren Arbeitsleistung iS des § 52 Abs 3 SchwbG.

 

Leitsatz (redaktionell)

Für das Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung reicht es aus, wenn der Behinderte irgendwie am Arbeitsauftrag der Werkstatt für Behinderte mitwirken, dh an der Herstellung und Erbringung der von der Werkstatt vertriebenen Waren und Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann, ohne sich und andere zu gefährden. Das ist, weil ein bestimmter Grad an Wirtschaftlichkeit nicht erforderlich ist, schon dann der Fall, wenn der Behinderte an einem oder mehreren Arbeitsvorgängen eingesetzt werden kann, die in der Werkstatt wiederholt anfallen; auch ist die Werkstattfähigkeit eines Behinderten zu bejahen, wenn die Werkstatt einen anderen Behinderten mit den in etwa gleichen Fähigkeiten beschäftigt.

 

Normenkette

AFG §§ 56, 58 Abs. 1 S. 4; RehaAnO 1975 § 1 Fassung: 1975-07-31, § 22 Abs. 2 Fassung: 1975-07-31; SchwbG § 52 Abs. 3

 

Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 10.02.1982; Aktenzeichen S 3 Ar 442/81)

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 26.10.1982; Aktenzeichen L 7 Ar 62/82)

 

Tatbestand

Der 1960 geborene behinderte Kläger befand sich seit dem 20. September 1979 drei Jahre lang im Eingangsverfahren sowie Arbeitstrainingsbereich einer Werkstätte für Behinderte (WfB) in B. Seit etwa Mitte September 1982 wird er im Arbeitsbereich der Werkstätte mit Handverpackung beschäftigt. Die Teilnahme des Klägers an Maßnahmen im Eingangsverfahren sowie im Arbeitstrainingsbereich förderte die Beklagte bis zum 19. September 1981, lehnte jedoch die im August 1981 beantragte Verlängerung der Förderung ab (Bescheid vom 11. September 1981, Widerspruchsbescheid vom 17. November 1981). Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Rehabilitationsleistungen für die Zeit bis zum 19. September 1982 zu gewähren (Urteil vom 10. Februar 1982); die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 26. Oktober 1982).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zwar habe das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) die Höchstförderungsdauer von Maßnahmen im Eingangsverfahren und Arbeitstrainingsbereich auf zwei Jahre begrenzt. Nach den Übergangsbestimmungen sei im Falle des Klägers jedoch noch der § 58 Abs 1 Satz 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung anzuwenden, der eine solche Begrenzung nicht enthalten habe. Auch die Anordnung über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (RehaAnO) vom 31. Juli 1975 (ANBA 1975, 994) idF der 6. Änderungsanordnung vom 23. Juli 1981 (ANBA 1981, 1142) habe bis zur 7. Änderungsanordnung vom 16. März 1982 (ANBA 1982, 575) eine Begrenzung nicht gekannt. Leistungen hätten zwar nur jeweils für ein Jahr gewährt werden dürfen, darüber hinaus sei aber eine Förderung möglich gewesen, wenn das Rehabilitationsziel nachweislich auf andere Weise nicht habe erreicht werden können. Das sei hier der Fall gewesen. Das Maßnahmeziel habe darin bestanden, den Kläger zu befähigen, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung (§ 52 Abs 3 Schwerbehindertengesetz -SchwbG-) zu erbringen. Ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung werde dann erbracht, wenn das Ergebnis wirtschaftlichen Wert besitze, indem es sich zB als Ware verkaufen lasse. Das Rehabilitationsziel sei daher dann erreicht, wenn der Behinderte im Arbeitsbereich der Werkstatt in der Gruppe eingesetzt werden könne, die die geringsten Leistungsanforderungen stelle. Das sei im Falle des Klägers die Abteilung gewesen, in der Erzeugnisse fremder Hersteller per Hand verpackt werden. Ein solches Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung habe der Kläger im September 1981 nicht erbringen können. Das ergebe sich aus der Aussage seines Gruppenleiters. Nach ihr sei der Kläger im Februar 1982 noch nicht in der Lage gewesen, im Arbeitsbereich tätig zu werden. Der Kläger habe nur eine Arbeitsleistung von etwa 4 bis 5 % der Leistung eines normal Leistungsfähigen erzielen können, weil er noch zu viele Fehler gemacht habe, die von anderen hätten korrigiert werden müssen. Eine weitere Förderung sei notwendig und erfolgversprechend gewesen, da eine Umsetzung in den Bereich Verpackung oder Montage möglich erschienen sei. Tatsächlich sei der Kläger in die Handverpackung versetzt worden und habe sein Leistungsvermögen in etwa verdreifacht, so daß er seine Entlohnung von mindestens 85,-- DM monatlich auch tatsächlich verdiene.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung von § 58 Abs 1 Satz 4 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung), §§ 22 Abs 3, 9 Abs 2, 19 Abs 1 Nr 3 RehaAnO. Sie macht geltend, zwar scheine es vertretbar, wenn das LSG darauf abstelle, ob der Behinderte im Arbeitsbereich der Werkstätte mit einer Arbeit beschäftigt werden könne, die die geringsten Anforderungen stelle. Doch sei der Kläger bereits nach zweijähriger Förderung im September 1981, spätestens aber im Februar 1982 in der Lage gewesen, in der Handverpackung mitzuarbeiten. Das LSG habe dies verneint, weil es auf einen Prozentsatz des Leistungsvermögens eines Nichtbehinderten bzw ein Mindestentgelt abgestellt habe; damit habe es seinen rechtlichen Ausgangspunkt verlassen. Sei für die Aufnahme in den Arbeitstrainingsbereich einer Werkstätte die Erwartung erforderlich, daß der Behinderte später ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen könne, könne dieses Mindestmaß nur im Einzelfall durch prognostische Festlegung eines - mit auch zeitlich angemessenem Förderungsaufwand erreichbaren - Ziels bestimmt werden, das eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit gegenüber der Ausgangssituation bedeute. Der vom LSG vernommene Gruppenleiter habe die Arbeitsleistung des Klägers im Februar 1982 bereits als "wirtschaftlich verwertbar" charakterisiert. Angesichts der schweren Behinderungen des Klägers spreche nichts dagegen, diese Arbeitsleistung als wesentlich gebesserte Erwerbsfähigkeit und damit als das angestrebte Mindestmaß anzusehen, zumal der Kläger auch nach Ablauf des dritten Jahres nur in der Handverpackung und nicht in der Montage eingesetzt worden sei, wie das noch in dem Entwicklungsbericht von Mai 1981 und von dem Gruppenleiter als erreichbar angesehen worden sei. Im übrigen führe schon das Leistungsbild des Entwicklungsberichts zu dem Ergebnis, daß nach Ablauf der zweijährigen Förderung das fallangemessene Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung vorhanden gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

die ergangenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Der Kläger führt ergänzend aus, es könne nicht durch Begriffsspielerei bestimmt werden, welche Leistung ein Behinderter zu erbringen imstande sei; allein ausschlaggebend seien vielmehr nur Beobachtungen der Fertigkeiten und Arbeiten, wie sie hier durch den Gruppenleiter und die Werkstatt getroffen worden seien.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, daß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird.

Gegenstand des Rechtsstreits sind geldliche Leistungen für eine Zeit, in der sich der behinderte Kläger im Arbeitstrainingsbereich einer WfB befand. Der Kläger macht damit Leistungen nach § 56 Abs 3 AFG geltend. Das sind Leistungen, die die berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation ergänzen. An der Geltendmachung der ergänzenden Leistungen ist der Kläger nicht dadurch gehindert, daß die Arbeitstrainingsmaßnahme, die zu fördern die Beklagte abgelehnt hat, inzwischen abgeschlossen ist. Zwar können die auf den Zweck der Rehabilitation ausgerichteten Leistungen grundsätzlich nur für eine zukünftige, nicht für eine zurückliegende Maßnahme bewilligt werden. Doch darf es dem Berechtigten nicht zum Nachteil gereichen, wenn nach Antragstellung seine Rehabilitation vorerst ohne Zutun des zuständigen Rehabilitationsträgers betrieben wird. In einem solchen Falle ist der Antragsteller bei einem begründeten Antrag so zu stellen, als ob der Rehabilitationsträger die Rehabilitationsmaßnahme rechtzeitig bewilligt hätte; die ergänzenden Leistungen sind dann noch im nachhinein zu gewähren (vgl BSGE 48, 92, 94 = SozR 2200 § 1236 Nr 15; SozR 2200 § 1236 Nr 16; BSGE 54, 54, 56 = SozR 2200 § 1237 Nr 18). Ob dem Kläger ergänzende Leistungen gemäß § 56 Abs 3 AFG zustehen, hängt somit wesentlich davon ab, ob und gegebenenfalls welche weitere berufliche Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich die Beklagte dem Kläger im September 1981 zu gewähren hatte und ob einer solchen Maßnahme die weitere Beschäftigung des Klägers im Arbeitstrainingsbereich entsprach.

Nach § 56 Abs 1 Satz 1 AFG gewährt die Beklagte als berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation die Hilfen, die erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit der körperlich, geistig oder seelisch Behinderten entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und die Behinderten möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Behinderte erhalten berufsfördernde und ergänzende Leistungen auch zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren sowie im Arbeitstrainingsbereich einer anerkannten WfB, wie sich seit dem Fünften Gesetz zur Änderung des AFG (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§ 58 Abs 1 Satz 4 AFG, jetzt § 58 Abs 1a AFG idF des AFKG). Dabei genügt seit dem Inkrafttreten des 5. AFG-ÄndG die - nach den von der Revision nicht angegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Falle des Klägers berechtigte - Erwartung, daß der Behinderte nach der Teilnahme an den Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich in der Lage ist, (wenigstens) ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung iS des § 52 Abs 3 SchwbG zu erbringen.

Daß die Beklagte dem Kläger schon für Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich für zwei Jahre berufsfördernde und ergänzende Leistungen erbracht hat, schließt einen Anspruch des Klägers auf die Förderung einer weiteren Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich nicht schlechthin aus.

In der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung hat das AFG weder für die zu fördernden Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich noch für die Förderung mehrerer Maßnahmen in diesem Bereich eine Höchstdauer vorgesehen (vgl Begründung zu Art 1 Nr 16b des AFKG-Entwurfs, BT-Drucks 9/799 S 39 und 9/846 S 40). Berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation sollen für die Dauer gewährt werden, die zur Erreichung des Berufsziels vorgeschrieben oder allgemein üblich ist (§ 56 Abs 4 Satz 1 AFG). Für Rehabilitationsmaßnahmen beruflicher Fortbildung und Umschulung mit ganztägigem Unterricht schreibt das Gesetz zwar vor, daß sie in der Regel nicht länger als zwei Jahre dauern dürfen; gleichzeitig ermöglicht das Gesetz jedoch die Förderung auch länger dauernder Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, wenn eine Eingliederung nur durch sie zu erreichen ist (§ 56 Abs 4 Satz 2 AFG).

Ob angesichts dieser gesetzlichen Regelung die Beklagte die Förderung von Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich durch Anordnung auf höchstens zwei Jahre hätte beschränken können, bedarf keiner Entscheidung; denn eine solche Beschränkung ergibt sich entgegen der in den Vorinstanzen vertretenen Rechtsansicht der Beklagten nicht aus der RehaAnO: In Übereinstimmung mit § 56 Abs 4 Satz 1 AFG sieht § 22 Abs 3 Satz 1 RehaAnO (idF der 6. Änderungsanordnung) vor, daß sich die Dauer der Förderung von Maßnahmen nach den §§ 18 und 19 RehaAnO, zu denen auch Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich einer WfB gehören (§ 19 Abs 1 Satz 1 Nr 6 RehaAnO), nach dem Zeitraum richtet, der zum Erreichen des angestrebten Zieles vorgeschrieben oder erforderlich ist. Das - nur in Zweifelsfällen - durchzuführende Eingangsverfahren soll in der Regel vier Wochen dauern (§ 3 Abs 2 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes vom 13. August 1980, BGBl I 1365, -SchwbWV-), im Arbeitstrainingsbereich dauern die in einen Grund- und einen Aufbaukurs zu gliedernden Lehrgänge in der Regel je zwölf Monate (§ 4 Abs 3 SchwbWV). Zwar heißt es in § 22 Abs 3 Satz 2 RehaAnO, daß berufsfördernde und ergänzende Leistungen für Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich von WfB für eine Dauer von bis zu 12 Monaten bewilligt werden. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf das Bewilligungsverfahren und stellt sicher, daß die weitere Maßnahme (zB die Teilnahme am Aufbaukurs) nur bewilligt wird, wenn sie zum Erreichen des angestrebten Zieles erforderlich ist. Weder die Förderung eines verlängerten Eingangsverfahrens - letzteres kann bis zur Dauer von drei Monaten verlängert werden (§ 3 Abs 2 SchwbWV) - noch die Förderung länger dauernder Lehrgänge, der Wiederholung eines Lehrgangs oder der Teilnahme an einem weiteren Lehrgang im Arbeitstrainingsbereich ist nach § 22 Abs 3 RehaAnO ausgeschlossen, wenn der Nachweis geführt wird, daß das Rehabilitationsziel auf andere Weise nicht erreicht werden kann (§ 22 Abs 3 Satz 3 RehaAnO). Eine zeitliche Höchstgrenze hat § 22 RehaAnO somit nicht vorgesehen; eine solche Höchstgrenze gab es im übrigen auch nicht für die Förderung anderer Rehabilitationsmaßnahmen. Angesichts dessen kann aus dem Umstand, daß § 24 Abs 5 RehaAnO die Höhe des Ausbildungsgeldes, das Behinderte erhalten, die an einer Bildungsmaßnahme teilnehmen, die auf eine Tätigkeit in einer WfB ausgerichtet ist, nur für das erste und zweite Jahr der Maßnahme regelt, nicht entnommen werden, daß damit die Dauer der Förderung beschränkt worden ist. Der § 24 Abs 5 RehaAnO muß nicht auf dem eindeutigen Willen des Verwaltungsrats der Beklagten beruhen, die Förderungsdauer systemwidrig auf zwei Jahre zu beschränken; die aufgezeigte Unstimmigkeit der RehaAnO kann ebenso auf ein Versehen zurückzuführen sein.

Allerdings bestimmt nunmehr § 58 Abs 1 a Satz 3 AFG in der Fassung des AFKG, daß berufsfördernde und ergänzende Leistungen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich insgesamt bis zu zwei Jahren erbracht werden. Diese Vorschrift, die seit dem 1. Januar 1982 in Kraft ist, steht der Förderung einer Maßnahme auch über den 31. Dezember 1981 nicht entgegen, falls der Kläger in der Zeit vom 20. September bis 31. Dezember 1981 eine von der Beklagten nach damaligem Recht zu fördernde weitere Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich begonnen hat. Das folgt aus Art 1 § 2 Nr 3 Satz 2 Buchst b AFKG. Nach dieser Übergangsregelung ist § 58 Abs 1 Satz 4 AFG dem Grunde nach weiter anzuwenden, wenn der Antragsteller vor dem 1. Januar 1982 in eine Maßnahme eingetreten ist, Leistungen beantragt hat und ihm die Leistungen aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde vor dem 1. Januar 1982 nicht bewilligt wurden. Letzteres wäre der Fall, wenn die Beklagte 1981 den Antrag des Klägers zu Unrecht abgelehnt hätte.

Ob und welche weitere Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich dem Kläger nach der erfolgten zweijährigen Förderung als berufsfördernde Leistung zustand, richtet sich somit nach § 22 Abs 3 Satz 3 RehaAnO. Danach kommt eine weitere Förderung nur in Betracht, wenn das Rehabilitationsziel auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Es kann dahingestellt bleiben, auf welches Ziel die Rehabilitation des Klägers bis September 1981 auszurichten war; denn jedenfalls nach der zweijährigen Teilnahme des Klägers an von der Beklagten geförderten Maßnahmen ist das Ziel darauf beschränkt, den Kläger fachlich zu befähigen, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, um einen Arbeitsplatz oder einen Platz zur Ausübung einer geeigneten Tätigkeit in eine WfB einzunehmen.

Das Ziel der berufsfördernden Maßnahmen der Beklagten im Arbeitstrainingsbereich einer WfB ist im Einzelfall aus dem für die Beklagte geltenden Leistungsrecht zu entwickeln, dh aus dem AFG und der RehaAnO, dagegen nicht unmittelbar aus § 52 SchwbG; denn diese Vorschrift umschreibt nur die Anforderungen, die das Gesetz an WfB stellt.

Auch für Behinderte, die wie der Kläger wegen Art und Schwere ihrer Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht tätig sein können und auf einen Arbeitsplatz oder die Gelegenheit zur Ausübung einer geeigneten Tätigkeit in einer WfB angewiesen sind, gilt das Rehabilitationsziel des § 56 AFG. Danach ist die Erwerbsfähigkeit entsprechend der jeweiligen Leistungsfähigkeit zu steigern und der Behinderte möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern, soweit dies durch die Teilnahme an berufsfördernden Maßnahmen in angemessener Zeit erreichbar ist. Die Vorschrift des § 1 Abs 1a RehaAnO, nach der die individuelle Förderung in WfB darauf auszurichten ist, Behinderte in die Lage zu versetzen, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung (§ 52 Abs 3 SchwbG) zu erbringen, steht dem nicht entgegen. Sie gibt nur das Mindestziel an, wie die Beklagte in ihren Verwaltungsanweisungen eingeräumt hat (Abschnitt C Nr 1 des Runderlasses 50/80 vom 20. Februar 1980, DBl BA 50/80); anderenfalls ließe sich § 1 Abs 1a RehaAnO kaum mit § 56 AFG vereinbaren (vgl dazu auch Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, § 58 Anm 6.3, März 1983; Cramer, Die neue Werkstättenverordnung, München 1981, S XXXIII).

Doch beschränkt sich die Verpflichtung der Beklagten, weiterhin Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich zu fördern, auf dieses Mindestziel, wenn der Behinderte auch nach der zweijährigen Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich noch nicht in der Lage ist, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Das folgt aus der Leistungszuständigkeit der Beklagten für berufsfördernde Leistungen, durch die die Beschäftigung eines Behinderten in einer WfB ermöglicht werden soll. Diese ist nämlich auf Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich beschränkt. Behinderten Gelegenheit zur Ausübung einer ihrer Behinderung entsprechenden Beschäftigung in einer WfB zu bieten, nachdem der Behinderte den Arbeitstrainingsbereich durchlaufen hat, ist nicht Aufgabe der Beklagten, sondern dauernde Verpflichtung der (überörtlichen) Träger der Sozialhilfe, sofern kein anderer Kostenträger zuständig ist (§ 40 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz; vgl dazu Urteil des Senats vom 9. Dezember 1982 - 7 RAr 14/82 - SGb 1983, 305 m Anm Naendrup). Die Sozialhilfeträger sind demnach auch verpflichtet, dazu beizutragen, daß die Leistungsfähigkeit der Behinderten im Arbeitsbereich einer WfB weiterentwickelt wird; denn die Werkstätten haben zur Erhaltung und Erhöhung der im Arbeitstrainingsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit der Behinderten arbeitsbegleitend geeignete Maßnahmen durchzuführen (vgl § 5 SchwbWV; § 52 Abs 2 SchwbG). Die Beschränkung der Leistungszuständigkeit der Beklagten erfordert nach Ablauf der Förderung der Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich von allgemein üblicher Dauer eine Beschränkung auf das Mindestziel, um einer nicht gewollten Verlagerung der Kostenträgerschaft zu Lasten der Bundesanstalt durch Ausweitung des Arbeitstrainingsbereichs entgegenzuwirken. Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich haben üblicherweise bis zu zwei Jahren gedauert (vgl Gagel/Jülicher, Kommentar zum AFG, § 56 RdNr 44); auch künftig werden Leistungen insgesamt bis zu zwei Jahren erbracht (§ 58 Abs 1a Satz 3 AFG idF AFKG). Aufgrund der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Rechtslage hat die Beklagte nach erfolgter zweijähriger Förderung somit eine weitere Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich nur zu fördern, wenn diese noch erforderlich ist, damit der Behinderte fachlich befähigt wird, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung iS des § 52 Abs 3 SchwbG zu erbringen.

Das LSG hat angenommen, der Kläger habe ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung iS des § 52 Abs 3 SchwbG nicht erbringen können, weil er noch im Februar 1982 nur 4 bis 5 % der Leistung eines normal Leistungsfähigen habe erzielen können. Das beanstandet die Revision zu Recht; denn dieser Maßstab wird § 52 Abs 3 SchwbG nicht gerecht.

Nach § 52 Abs 3 SchwbG soll die WfB allen Behinderten unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offenstehen, sofern sie in der Lage sind, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Wie das Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu bestimmen ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Die Bundesregierung hat zwar angekündigt, Möglichkeit, Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit einer näheren Bestimmung des Mindestmaßes im Rahmen der Vorbereitung der nach § 55 Abs 3 SchwbG zu erlassenden Rechtsverordnung zu prüfen (vgl BT-Drucks 7/5483 S 4), die SchwbWV hat den Begriff jedoch nicht konkretisiert. Selbst der Versuch, eine Definition zunächst nicht in der Verordnung zu bringen, sie aber in der Begründung anzubieten, ist gescheitert (Cramer Behindertenrecht 1977, 1, 3; Cramer, Die neue Werkstättenverordnung, München 1981, S XX f). Das Mindestmaß läßt sich auch nicht Art 1 § 2 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter (SVBG) vom 7. Mai 1975 (BGBl I 1061) entnehmen, der für die Versicherung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung der in Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen beschäftigten Behinderten voraussetzt, daß die Behinderten in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht. Abgesehen davon, daß diese Leistungsanforderung nur für die Einbeziehung in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung vorgesehen ist, gilt Art 1 § 2 SVBG nicht für Behinderte in WfB. Deren Einbeziehung in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung knüpft Art 1 § 1 SVBG unabhängig vom Maße der erbrachten Leistung bzw der Leistungsfähigkeit allein an die Tatsache der Beschäftigung in einer WfB an. Was an Fähigkeit zu wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung für die Aufnahme in den Arbeitsbereich einer Werkstatt ausreicht, ist damit unmittelbar aus § 52 Abs 3 SchwbG zu entwickeln.

Wirtschaftlich verwertbar ist eine Arbeitsleistung, wenn ihr Ergebnis wirtschaftlichen Wert besitzt, sich also beispielsweise als Ware oder Dienstleistung verkaufen läßt. Erforderlich ist nach § 52 Abs 3 SchwbG lediglich ein Mindestmaß. Es kommt somit nicht darauf an, ob Arbeits-, Sach- und Personalaufwand und Arbeitsergebnis in einem wirtschaftlichen Verhältnis zueinander stehen, ob der Behinderte die Kosten seines Platzes in der WfB oder einen bestimmten Teil dieser Kosten erwirtschaftet oder ob der Behinderte ein Mindesteinkommen erzielt (BSGE 52, 123, 127 f = SozR 2200 § 1237a Nr 19; Wilrodt/Neumann, Kommentar zum SchwbG, 5. Auflage 1980, § 52 RdNr 16). Ein bestimmtes Mindestmaß, wie das LSG gemeint hat, setzt das Gesetz nicht voraus; vielmehr ist jedes Minimum an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung ausreichend (vgl Jung/Cramer, Kommentar zum SchwbG, 2. Aufl 1980, RdNr 8; Cramer, Die neue Werkstättenverordnung, München 1981, RdNr 15 zu § 1 SchwbWV).

Was damit des Näheren gemeint ist, ergibt sich aus dem Sinn des § 52 Abs 3 SchwbG. Dieser besteht nicht darin, durch Leistungsanforderungen die Werkstätten den leistungsfähigeren Behinderten zu reservieren; vielmehr bezweckt § 52 Abs 3 SchwbG, die Werkstätten allen Behinderten, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht tätig sein können, zu öffnen. Ihnen allen soll unabhängig von Art und Schwere der Behinderung ermöglicht werden, durch regelmäßige nützliche Arbeit in einer Werkstatt das Gefühl zu erhalten, etwas Positives zu leisten (Wilrodt/Neumann aaO). Der Gesetzgeber hat damit der Kritik der Werkstätten, ihrer Träger und der die Werkstättenarbeit vor allem finanzierenden Sozialhilfeträger an der von der Bundesregierung anfangs vorgeschlagenen Anlehnung des Werkstättenbegriffs an das AFG und die fachlichen Anforderungen der Arbeitsverwaltung entsprochen. Ein mehr arbeitsmarkt-, produktions- und leistungsorientierter Werkstättenbegriff hätte nämlich zur Folge gehabt, daß zahllose bestehende Einrichtungen und die in diesen Einrichtungen betreuten Personen, insbesondere leistungsschwächere Behinderte, von den den Werkstätten zugedachten Vergünstigungen ausgeschlossen worden wären; es hätte dann für diese leistungsschwächsten Behinderten ein zusätzliches Netz von Einrichtungen zur sozialen Rehabilitation "unterhalb" der WfB geschaffen werden müssen (vgl die Stellungnahme des Bundesrates zu § 38b SchwbG-Entwurf, BT-Drucks 7/656 S 46; vgl zum Problem aus praktischer Sicht Rother NDV 1976, 272; von Zimmermann Rehabilitation 1976, 53; Dahlinger NDV 1979, 72, 73; Bericht über die Lage der Psychiatrie, BT-Drucks 7/4200 S 229 f). Entsprechend sahen die im Zusammenhang mit den Gesetzesberatungen mit den beteiligten Ländern, der Sozialhilfe, der Arbeitsverwaltung und Vertretern der Werkstattpraxis abgesprochenen "Mindestvoraussetzungen für die vorläufige Anerkennung einer Werkstatt für Behinderte" (vgl BT-Drucks 7/3999 Anl 2) vor, daß das Aufnahmekriterium "Fähigkeit, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen" großzügig gehandhabt werden sollte. Hieraus folgt, daß der Bedingungssatz in § 52 Abs 3 SchwbG ("sofern sie in der Lage sind, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen"), nur die werkstattunfähigen Behinderten von den Werkstätten fernhalten soll, für die lediglich Pflege, Aufbewahrung und ausschließlich Beschäftigung um der Beschäftigung willen in Betracht kommt (so zutreffend Wilrodt/Neumann aaO). Das verbietet es, auf einen Prozentsatz der Leistungsfähigkeit eines Nichtbehinderten abzustellen. Vielmehr muß von dieser Zwecksetzung her es für das "Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung" ausreichen, wenn der Behinderte irgendwie am Arbeitsauftrag der Werkstätte mitwirken, dh an der Herstellung und Erbringung der von den Werkstätten vertriebenen Waren und Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann, ohne sich oder andere zu gefährden. Das ist, weil ein bestimmter Grad an Wirtschaftlichkeit nicht erforderlich ist, schon dann der Fall, wenn der Behinderte an einem oder mehreren Arbeitsvorgängen eingesetzt werden kann, die in der Werkstatt wiederholt anfallen; auch ist die Werkstattfähigkeit eines Behinderten zu bejahen, wenn die Werkstätte einen anderen Behinderten mit den in etwa gleichen Fähigkeiten beschäftigt.

Ob der Kläger im September 1981 an der Herstellung und Erbringung der von den Werkstätten für Behinderte vertriebenen Waren und Dienstleistungen hätte beteiligt werden können, kann dem Urteil des LSG nicht entnommen werden. Die Feststellung, der Kläger habe 4 bis 5 % der Leistung eines Nichtbehinderten erzielt, spricht, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, dafür, daß zu diesem Zeitpunkt das Ergebnis der Arbeit des Klägers schon wirtschaftlichen Wert besaß; denn die hohe Anzahl von Fehlern, die Grund für diese geringe Leistungsfähigkeit des Klägers war, stünde der wirtschaftlichen Verwertung eines Teils der Arbeit des Klägers nur entgegen, wenn wegen der Fehler jegliches Arbeitsergebnis unverwertbar gewesen ist, die Fehler also weder durch Organisation vermieden noch durch andere Mitarbeiter ausgemerzt werden konnten. Doch kommt es weder auf die prozentuale Leistungsfähigkeit noch auf die Verhältnisse von Februar 1982 an, sondern darauf, ob der Kläger im September 1981 in der Lage war, irgendwie am Arbeitsauftrag der Werkstätte mitzuwirken. Das ist nach den damals vorhandenen Kenntnissen und Fertigkeiten des Klägers und den in der Werkstatt üblicherweise anfallenden Arbeiten zu beurteilen. Das LSG hat jedoch keine Feststellungen über Kenntnisse und Fertigkeiten des Klägers getroffen, die einen Rückschluß zulassen, ob der Kläger im September 1981 wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen erbringen konnte oder nicht. Ob das von der Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch zu fördernde Rehabilitationsziel bereits erreicht war, steht somit nicht fest.

Dies führt, weil die Sache auch nicht aus anderen Gründen abschließend entschieden werden kann, gemäß § 170 Abs 2 SGG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

Für die erneute Entscheidung wird auf folgendes hingewiesen: Sollte sich herausstellen, daß der Kläger im September 1981 noch keine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringen konnte, hängt die Dauer einer dann von der Beklagten zu fördernden Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich grundsätzlich davon ab, in welcher Zeit dem Kläger die zur Eingliederung im Arbeitsbereich noch erforderlichen Fertigkeiten voraussichtlich hätten vermittelt werden können. In diesem Falle wird auch zu prüfen sein, ob die durchgeführte Maßnahme der Maßnahme entsprach, welche die Beklagte zu fördern hatte; denn nur zu berufsfördernden Leistungen, die die Beklagte zu erbringen hat, sind ergänzende Leistungen zu gewähren. Schließlich sollte geprüft werden, ob ein Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen die Beklagte gemäß §§ 102 ff Sozialgesetzbuch X besteht; denn soweit ein Erstattungsanspruch nach diesen während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Vorschriften besteht, würde ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte als erfüllt gelten (§ 107 aaO). Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Breith. 1984, 807

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