Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

Besonderer Vertreter

 

Tatbestand

I

Der 1952 geborene Beigeladene, der an körperlicher Unterentwicklung, Sprach- und Hörbehinderung sowie angeborenem Schwachsinn leidet, nahm 1975/76 an einem zweijährigen Eingliederungslehrgang der Werkstatt für Behinderte (WfB) in P… teil, den er erfolgreich abschloß. Die Teilnahme förderte die Beklagte durch Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Seit Januar 1977 hat der Beigeladene einen Arbeitsplatz im Produktionsbereich der Werkstatt inne; er ist jedoch nicht in der Lage, durch seine Leistung die Kosten dieses Arbeitsplatzes zu erwirtschaften.

Der Kläger, überörtlicher Träger der Sozialhilfe, gewährte dem Beigeladenen vorläufig für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zunächst 31. Dezember 1979 die Kosten der teilstationären Unterbringung in der WfB abzüglich der Gewinnbeteiligung der Werkstätte zu den maßgebenden Pflegesätzen und leitete Ansprüche des Beigeladenen gegen die Beklagte auf sich über (Bescheid vom 29. Dezember 1976).

Den im Mai 1977 gestellten Antrag des Beigeladenen, diese Defizitkosten im Rahmen der Rehabilitationsleistungen zu übernehmen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17. April 1978; Widerspruchsbescheid vom 17. August 1978). Klage und die vom Sozialgericht (SG) zugelassene Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG vom 5. Dezember 1979; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 19. Februar 1982). Das LSG hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, Rehabilitationsleistungen der Beklagten hätten keinen Dauercharakter. Ihnen sei vielmehr der abschließende Erfolg eigentümlich. Nachdem der Kläger das Ziel des Eingliederungslehrganges, auf einem Arbeitsplatz in der WfB beschäftigt werden zu können, erreicht habe, sei die berufliche Eingliederung erfolgt; damit sei die Aufgabenstellung nach § 56 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erreicht gewesen. Auch auf § 56 Abs. 3 Nr. 6 AFG lasse sich der geltend gemachte Anspruch nicht stützen; denn die in § 56 Abs. 3 AFG genannten Leistungen müßten im Zusammenhang mit dem angestrebten oder erreichten Abschluß der Rehabilitationsmaßnahme stehen und daraufhin ausgerichtet sein, was hier nicht der Fall sei. Die erstrebte Übernahme der Defizitkosten sichere nicht den Erfolg des Eingliederungslehrgangs, sondern gleiche eine verbliebene Minderung der Leistungsfähigkeit aus. Deshalb ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 20 Abs. 1 der Anordnung über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (AReha). Schließlich lasse sich aus § 9 Abs. 2 AReha nicht ableiten, daß die Beklagte, weil sie den Beigeladenen gefördert habe, Leistungen zu erbringen habe, die das AFG nicht vorsehe. Dieses Ergebnis sei nicht, wie die Klägerin meine, sozialpolitisch untragbar. Personen, die wie der Beigeladene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht konkurrenzfähig seien, unterlägen dem Schutz der Sozialhilfe oder, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien, dem der Rentenversicherung.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung der §§ 5 Abs. 2, 20 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl. I 1881, -RehaAnglG-), der §§ 2 Nr. 4, 56 Abs. 1, 56 Abs. 3 Nr. 6, 56 Abs. 4, 58 Abs. 1 AFG sowie der AReha. Sie führt aus, der Beigeladene sei auf dem Arbeitsmarkt weiterhin nicht konkurrenzfähig. Deshalb sei seine berufliche Eingliederung nicht mit dem Lehrgang abgeschlossen worden, vielmehr erfahre er auf dem Arbeitsplatz in der Werkstatt weitere berufliche Eingliederung, die unentbehrlich sei. Die Ermöglichung der Tätigkeit im Arbeitsplatzbereich der Werkstatt sei eine fortwährende Aufgabe beruflicher Rehabilitation, für die die Beklagte zuständig sei. Sie habe die nach Lage des Einzelfalles erforderlichen Leistungen so vollständig und umfassend zu erbringen, daß Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich würden (§ 5 Abs. 2 RehaAnglG). Berufsfördernde Leistungen seien auch die Hilfen, welche den Behinderten möglichst auf Dauer beruflich eingliederten (§§ 2 Nr. 4, 56 Abs. 1 AFG). Eine dauernde berufliche Eingliederung des Beigeladenen sei nur zu erreichen, wenn die Beklagte die ungedeckten Kosten des Arbeitsplatzes in der WfB übernehme; denn die Werkstatt könne ihre Betriebskosten nicht voll aus eigener Kraft decken. Anders lasse sich die Existenz der mit erheblichen öffentlichen Mitteln errichteten WfB auf Dauer zufriedenstellend nicht sichern.

Der Kläger beantragt, die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide zu verpflichten, für den Beigeladenen die ungedeckten Kosten des Arbeitsplatzes zu übernehmen,

und hilfsweise, das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf das Urteil des LSG. Sie weist darauf hin, daß § 58 Abs. 1 Satz 4 AFG in der seit dem 1. August 1979 geltenden Fassung klargestellt habe, daß nach Maßnahmen im Eingangsverfahren sowie im Arbeitstrainingsbereich Leistungen nach § 56 AFG von der Beklagten nicht mehr zu erbringen seien. Schon vor dieser Klarstellung habe gegolten, daß nur zu dem Zweck und mit der Aussicht auf Überwindung eines beeinflußbaren Zustandes erbrachte Leistungen Rehabilitationsleistungen seien. Decke das Arbeitsergebnis des bereits in dem Produktionsbereich einer Werkstatt eingegliederten Behinderten Kosten des Arbeitsplatzes nicht, sei dies eine Folge der begrenzten Leistungsfähigkeit des Behinderten; dieses Defizit habe letztlich nicht die Beklagte, sondern der Träger der Sozialhilfe auszugleichen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Übernahme der Kosten der teilstationären Unterbringung des Beigeladenen in der WfB für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis 31. Dezember 1979, die der Kläger vorläufig übernommen hat. Dieser Klaganspruch läßt sich nur auf einen materiell-rechtlichen Anspruch des Beigeladenen stützen, der auf den Kläger übergeleitet ist. Mit der Gewährung der "Defizitkosten" ist der Kläger seiner Verpflichtung nach § 40 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) nachgekommen, dem Beigeladenen Gelegenheit zur Ausübung einer seiner Behinderung entsprechenden Beschäftigung in einer WfB zu geben. Soweit die Gesetze dem Träger der Sozialhilfe eigenständige Ansprüche auf Ersatz der Sozialhilfe gegen Träger der Sozialversicherung einräumen, sind diese nicht einschlägig (§§ 59 ff. BSHG) oder richten sich, wie die §§ 1531 ff. Reichsversicherungsordnung nicht gegen die Beklagte. Den Ausgleich zwischen den vorrangig zur Leistung Verpflichteten und dem kompetenzmäßig tätig gewordenen Sozialhilfeträger in anderen Fällen regelt § 90 BSGH; diese Regelung schließt einen Rückgriff auf einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus (BSGE 41, 237, 239 = SozR 5910 § 90 Nr. 2; BSGE 47, 296, 298 ff. = SozR 3100 § 10 Nr. 12; BSG USK 76, 195; BVerwG FEVS 15, 241, 245 f.; 21, 1, 4; vgl. ferner BVerwGE 18, 221, 222 ff. und BGHZ 33, 243, 244 ff.).

Ob der Kläger mit dem Bescheid vom 29. Dezember 1976 gem. § 90 BSHG bewirkt hat, daß ein Anspruch des Beigeladenen auf ihn übergegangen ist, ist nicht unzweifelhaft. Die Überleitung ist für den Hilfeempfänger ein sein Verfügungsrecht über den übergeleiteten Anspruch beeinträchtigender Verwaltungsakt, den er mit der Klage zu den Verwaltungsgerichten angreifen kann (BVerwG Buchholz 436.0 § 90 BSHG Nr. 3). Die Überleitung bedarf daher auch der Bekanntgabe an den Hilfeempfänger. Eine solche Bekanntgabe ist nur wirksam, wenn der Hilfeempfänger handlungsfähig ist; nach den Feststellungen des LSG ist die Handlungsfähigkeit des Klägers jedoch zweifelhaft. Doch bedarf diese Frage hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn dem Beigeladenen steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Defizitkosten nicht zu.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AFG (in der hier maßgebenden Fassung des § 36 des RehaAnglG, geändert durch Art 1 § 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes -HStruktG-AFG- vom 18. Dezember 1975, BGBl. I 3113) gewährt die Beklagte als berufsfördernde Leistungen die Hilfen, die erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit der körperlich, geistig oder seelisch Behinderten entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und die Behinderten möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Berufsfördernde Leistungen sind nach § 56 Abs. 2 AFG insbesondere die im 2. bis 5. Unterabschnitt des 2. Abschnittes des AFG genannten Leistungen, mithin Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Förderung der Teilnahme an Maßnahmen beruflicher Bildung und Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme. Die berufsfördernden Leistungen werden durch im einzelnen benannte Leistungen (§ 56 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 AFG) und sonstige Leistungen, die unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zusichern, ergänzt (§ 56 Abs. 3 Nr. 6 AFG).

Wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt, ist die Aufzählung der berufsfördernden Leistungen in § 56 Abs. 2 AFG nicht abschließend. Zu § 57 AFG in der bis zum 30. September 1974 geltenden Fassung hat der Senat entschieden, daß unmittelbar aus dem Gesetz abzuleiten sei, in welchem Umfange die Beklagte selbst Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung für Behinderte im Einzelfall zu treffen habe; lediglich für die Bereiche der Förderung der beruflichen Bildung und der Arbeitsaufnahme seien Anordnungen der Beklagten maßgebend, weil dieser nur für diese Bereiche das Recht zustehe, Anordnungen zu erlassen (BSGE 41, 241, 246 f. = SozR 4100 § 57 Nr. 2; SozR 4100 § 57 Nr. 3). Für die seit dem 1. Oktober 1974 aufgrund des RehaAnglG geltende Neufassung der §§ 56 ff. AFG gilt dies nicht; denn nunmehr bestimmt § 58 Abs. 2 Satz 1 AFG ausdrücklich, daß die Beklagte durch Anordnung das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der berufsfördernden und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation bestimmt; die Anordnungsbefugnis erstreckt sich daher nun auf alle Leistungen der Beklagten zur Rehabilitation (so zutreffend Gagel/Jülicher, Kommentar zum AFG, § 58 Rdnr. 7). Unter welchen Voraussetzungen und welche berufsfördernden und ergänzenden Leistungen gewährt werden, ist somit der Satzungsgewalt der Beklagten überantwortet. Das aufgrund der Satzungsgewalt erlassene Recht bindet auch die Gerichte, soweit es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (BSGE 35, 164, 165 f. = SozR Nr. 1 zu § 40 AFG). Maßgebend ist daher die AReha vom 31. Juli 1975 (ANBA1975, 996) unter Berücksichtigung der Änderungsanordnungen vom 24. März 1977 (ANBA 1977, 821) und vom 21. Juni 1979 (ANBA 1979, 993). Danach sind laufende Leistungen der Beklagten an Behinderte, um deren ständige Beschäftigung in einer WfB zu gewährleisten, nicht vorgesehen.

Die Beschäftigung des Beigeladenen im Arbeitsbereich der WfB dient nicht dazu, in bestimmter Zeit planmäßig eine Veränderung seiner beruflichen Fähigkeiten zu bewirken, sei es in dem Sinne, daß die Erwerbsfähigkeit verbessert wird, sei es, daß besondere Maßnahmen getroffen werden, um einer andernfalls zu erwartenden Verringerung entgegenzuwirken; vielmehr soll der Beigeladene auf nicht absehbare Zeit in einer seiner Behinderung entsprechenden Weise beschäftigt werden. Der Beigeladene nimmt mithin nach dem erfolgreichen Abschluß des Eingliederungslehrgangs nicht mehr an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teil. Daß die Werkstatt Entwicklungsmöglichkeiten des Beigeladenen Rechnung trägt oder zur Erhaltung und Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit arbeitsbegleitend geeignete Maßnahmen durchführt, steht dem nicht entgegen. Die WfB als Einrichtung zur Eingliederung in das Arbeitsleben, die begleitend auch Aufgaben der sozialen Rehabilitation erfüllt, entspricht damit nur ihren besonderen sozialbetreuerischen und sozialpädagogischen Aufgaben. In Betracht kommen daher lediglich sonstige berufsfördernde Maßnahmen i.S. des § 20 AReha, d.h. Hilfen, die erforderlich werden, um die Erwerbsfähigkeit des Behinderten entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen, soweit dieses Ziel nicht oder nicht vollständig durch Bildungsmaßnahmen erreicht werden kann. Als sonstige berufsfördernde Leistungen sehen die §§ 37 bis 50 AReha sowohl Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme als auch zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes vor. Diese Leistungen (Bewerbungs-, Reise-, Fahr-, Wohnungs- und Umzugskosten; Trennungs- und Überbrückungsbeihilfe; Arbeitsgerät, technische Arbeitshilfen, Hilfsmittel; Fahrzeug, Führerschein) erfassen die durch die Leistung des Behinderten nicht gedeckten Kosten der ihn beschäftigenden Stelle nicht. Allerdings sieht § 54 AReha Eingliederungshilfe an Arbeitgeber vor, wenn diese einem Behinderten einen seinem Leistungsvermögen angemessenen Dauerarbeitsplatz bieten. Diese Hilfe bemißt sich jedoch nicht nach den nicht gedeckten Kosten, sondern nach dem Arbeitsentgelt. Ob Eingliederungshilfe auch für Plätze in WfB gewährt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung; denn sie wird dem Arbeitgeber, d.h. hier allenfalls dem Träger der Werkstatt, gewährt, nicht dem Behinderten, und kann daher nicht vom Kläger aufgrund der Überleitung geltend gemacht werden.

Daß die AReha den Behinderten, die wegen Art und Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden können, aber einen Arbeitsplatz oder eine geeignete Tätigkeit im Arbeitsbereich einer WfB wahrnehmen können, keinen Anspruch einräumt, ihnen Gelegenheit zu einer solchen Beschäftigung zu geben, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AFG hat die Beklagte bei der Ausübung ihres Satzungsrechts die besonderen Verhältnisse der Behinderten zu berücksichtigen und ihre Leistungen in Übereinstimmung mit den für die anderen Rehabilitationsträger i.S. des RehaAnglG geltenden gesetzlichen Vorschriften zu regeln. Das hat die Beklagte insoweit beachtet; denn der Gesetzgeber selbst zählt das Anbieten der Gelegenheit zur Ausübung einer behinderungsgerechten Beschäftigung in einer WfB nicht zu den berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation. Das ergibt ein Vergleich von § 40 Abs. 2 BSHG mit § 11 Abs. 2 Nr. 4 RehaAnglG. Denn während § 40 Abs. 2 BSHG (in der Fassung des Art II § 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24. April 1974, BGBl. I 981) die (überörtlichen) Träger der Sozialhilfe verpflichtet, nach Möglichkeiten Behinderten, bei denen wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 BSHG mit dem Ziel der Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in Betracht kommen, Gelegenheit zur Ausübung einer der Behinderung entsprechenden Beschäftigung, insbesondere in einer WfB, zu geben, zählt § 11 Abs. 2 Nr. 4 RehaAnglG zu den berufsfördernden Leistungen im Hinblick auf die WfB lediglich sonstige Hilfen der Arbeits- und Berufsförderung, um Behinderten eine angemessene und geeignete Erwerbs- oder Berufstätigkeit in einer WfB zu ermöglichen. Damit wird hinreichend deutlich, daß die Verpflichtung der Sozialhilfeträger zur Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 2 BSHG nicht auf die Träger der beruflichen Rehabilitation nach dem RehaAnglG erstreckt worden ist (Cramer, Werkstättenverordnung, 1981, § 5 Rdnr. 15). Das entspricht im übrigen dem allgemeinen Charakter der berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation, wie sie der Beklagten übertragen sind. Diese Leistungen zielen auf eine Änderung oder Stabilisierung der Fähigkeit des Behinderten ab, erwerbstätig zu sein; die Erwerbsfähigkeit soll nach Abschluß der Maßnahme gebessert, hergestellt, wiederhergestellt oder erhalten sein, nachdem sie vorher bedroht war. Berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation sind daher tendenziell einmalige oder zeitlich begrenzte zielgerichtete Maßnahmen, wie das LSG zutreffend hervorgehoben hat; daß innerhalb eines Rehabilitationsgeschehens mehrere Maßnahmen erforderlich sind (z.B. nach einer Bildungsmaßnahme Hilfen zur Arbeitsaufnahme) oder nach geglückter Rehabilitation erneut berufsfördernde Leistungen erforderlich werden können, steht dem nicht entgegen. Durch die Erwähnung der WfB in § 11 Abs. 2 Nr. 4 RehaAnglG sollten, wie in der Begründung zum Regierungsentwurf ausgeführt worden ist, die Werkstätten für alle Träger, die berufsfördernde Leistungen zu erbringen haben, erschlossen werden; künftig sollte in allen Fällen, in denen der allgemeine Arbeitsmarkt wegen der Schwere der Behinderung nicht in Betracht kam, zu prüfen sein, ob das Recht auf einen Arbeitsplatz in einer solchen Werkstatt verwirklicht werden könne (vgl. BT-Drucks 7/1237 zu § 11 Abs. 2 S. 57 f.). Berufsfördernde Leistungen sollten demnach auch erbracht werden können, um Behinderte für eine Beschäftigung in einer WfB zu befähigen. Hierauf beschränkt sich, was der Kläger verkennt, die Bedeutung des § 11 Abs. 2 Nr. 4 RehaAnglG.

Träfe die Ansicht des Klägers zu, wäre die durch das Unvermögen von Behinderten, die laufenden Kosten ihrer Plätze im Produktionsbereich der WfB zu erarbeiten, den Sozialhilfeträgern an sich dauernd zufallende Last auf die Beklagte (bzw. die anderen Träger der beruflichen Rehabilitation i.S. des RehaAnglG) verlagert worden. Das ist jedoch zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen.

Erstmals ermöglichte § 61 AFG (i.d.F. des Gesetzes vom 25. Juni 1969, BGBl. I 582) der Beklagten, für den Aufbau, die Erweiterung und Ausstattung von Werkstätten, deren Arbeitsplätze den besonderen Verhältnissen der Behinderung Rechnung tragen, Zuschüsse und Darlehen zu gewähren. Hierdurch sollten die überwiegend von der freien Wohlfahrtspflege errichteten Arbeitsstätten für Personen, die ihrer Behinderung wegen nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein konnten (beschützende Werkstätten, geschützte Werkstätten, WfB), institutionell gefördert werden (vgl. Begründung zu § 57 f. AFG-Entwurf, BT-Drucks zu Drucks V/4110 S. 12). Die institutionelle Förderung der WfB durch Übernahme der laufenden Kosten ist gesetzlich nicht vorgesehen. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann die Beklagte Zuwendungen auch zur Unterhaltung von Einrichtungen gewähren, die der beruflichen Rehabilitation dienen (§ 60 Abs. 1 AReha); auch aus Mitteln der Ausgleichsabgabe können die Hauptfürsorgestellen und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Zuwendungen zur Deckung von Kosten des laufenden Betriebs nur ausnahmsweise gewähren, wenn nämlich hierdurch der Verlust bestehender Beschäftigungsmöglichkeiten für Behinderte abgewendet werden kann (§ 13 Abs. 3, 24 Abs. 1 der Ausgleichsabgabeverordnung vom 8. August 1978, BGBl. I 1228).

Lediglich im Rahmen der individuellen berufsfördernden Leistungen konnten Lehrgänge und Ausbildungen in den Werkstätten nach der AReha gefördert werden. Zwar stand der Förderung nicht entgegen, daß Art und Schwere der Behinderung nach Abschluß der Maßnahme nur eine Beschäftigung in einer WfB erlaubten. Jedoch mußte zu erwarten sein, daß der Behinderte ein Einkommen erzielen werde, das nicht unter dem Regelsatz eines Haushaltsvorstandes lag, (§ 3 Abs. 2 AReha vom 2. Juli 1970, ANBA 1970, 637) bzw. der Behinderte eine Leistungsfähigkeit hatte, welche mindestens ein Drittel derjenigen eines Nichtbehinderten entsprach (§ 9 Abs. 2 AReha 1975). Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat diese Fassungen der AReha genehmigt; dennoch hat die Bundesregierung die Abgrenzung des von der Beklagten zu fördernden Personenkreises für unbefriedigend gehalten (vgl. BT-Drucks 7/5483 Nr. 4; BT-Drucks 8/2190 Nr. 15). Die Abgrenzung schloß nämlich nicht alle Behinderten ein, für die Arbeitsplätze in der WfB in Betracht kommen. Nach § 52 Abs. 3 des Schwerbehindertengesetzes -SchwerbG- sollen die Werkstätten allen Behinderten offenstehen, die in der Lage sind, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die genannten Bestimmungen der AReha hatten aber dazu geführt, daß nur ein geringer Teil der auf einen Platz in einer Werkstatt angewiesenen Behinderten von der Beklagten gefördert wurde. Die Bundesregierung erstrebte daher eine Regelung, die alle Behinderte erfaßte und die Leistungszuständigkeit danach bestimmte, in welchem Bereich der Werkstatt sich der Behinderte befand. Die Beklagte sollte nur für den Arbeitstrainingsbereich zuständig sein (vgl. BT-Drucks 7/2999 Anl. 3, BT-Drucks 8/2190 Nr. 15 sowie die vom Kläger vorgelegte Schrift "Werkstätten für Behinderte, Einrichtungen zur Eingliederung Behinderter in das Arbeitsleben", herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in Zusammenarbeit mit der Zentralen Beratungsstelle für WfB, S. 15 f.). Die überörtlichen Träger der Sozialhilfe sollten demnach für den Arbeitsbereich der Werkstätten allein zuständig bleiben, Behinderten Gelegenheit zur Ausübung einer ihrer Behinderung entsprechenden Beschäftigung in einer WfB zu geben.

Der Gesetzgeber hat dieser Zielsetzung entsprochen. So sieht § 58 Abs. 1 Satz 4 AFG in der seit dem 1. August 1979 geltenden Fassung (des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979, BGBl. I 1189) ausdrücklich vor, daß Behinderte in anerkannten Werkstätten berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren sowie im Arbeitstrainingsbereich erhalten, sofern erwartet werden kann, daß sie nach Teilnahme an diesen Maßnahmen in der Lage sind, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung i.S. des § 52 Abs. 3 SchwerbG zu erbringen. Damit ist im Eingangsverfahren, in welchem festgestellt wird, welche Maßnahmen für den Behinderten in Betracht kommen, sowie im Arbeitstrainingsbereich, in dem berufsfördernde Bildungsmaßnahmen mit dem Ziel durchgeführt werden, den Behinderten zu befähigen, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, die Leistungszuständigkeit der Beklagten gegenüber den bisherigen Regelungen der AReha erweitert (vgl. jetzt § 58 Abs. 1 a AFG und § 11 Abs. 3 RehaAnglG i.d.F. des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981, BGBl. I 1497). Wie der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung in seinem Bericht zu dem Gesetzesentwurf ausgeführt hat, stellt die Vorschrift gleichzeitig klar, daß die Beklagte für die Förderung Behinderter im Arbeitsbereich nicht zuständig ist (vgl. BT-Drucks 8/2914 zu Art 1 Nr. 17 S. 42 f.). Die Klarstellung soll deutlich machen, was hinsichtlich des Arbeitsbereichs schon bisher gegolten hat. Der Neuregelung ist somit zu entnehmen, daß nach wie vor im Verhältnis zur Beklagten die überörtlichen Träger der Sozialhilfe allein zuständig bleiben, Behinderten Gelegenheit zur Ausübung einer ihrer Behinderung entsprechenden Beschäftigung in einer WfB zu bieten, nachdem der Behinderte die Arbeitstrainingsphase erfolgreich durchlaufen hat; ob damit ebenfalls die Förderung anderer Maßnahmen im Arbeitsbereich durch die Beklagte ausgeschlossen ist, ist hier nicht zu entscheiden (verneinend Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 58 Anm. 2.2, August 1982; anders wohl Bundesregierung in der Begründung zur Werkstättenverordnung BR-Drucks 554/79 Nr. 10 S. 19; Baltzer/Jürgens SGb 1981, 241, 244; Naendrup SGb 1982, 265, 267; vgl. Schulin, Soziale Sicherung der Behinderten, S. 72).

Die Beklagte hat nach alledem es zu Recht abgelehnt, die durch die Beschäftigung des Beigeladenen in der WfB seit dem 1. Januar 1977 dem Kläger entstandenen Kosten zu übernehmen. Die Revision hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.7 RAr 14/82

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

Breith. 1983, 814

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