1 Anspruch

Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub nach § 616 Satz 1 BGB wenn die folgenden Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

  1. Der Beschäftigte ist ohne sein Verschulden durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung gehindert,
  2. die persönliche Verhinderung dauert eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit,
  3. es ist nichts anderes geregelt, z. B. arbeits- oder tarifvertraglich.

1.1 Verhinderung aus persönlichen Gründen

Für bezahlten Sonderurlaub nach § 616 BGB sind nur individuelle Hinderungsgründe ausschlaggebend, die sich allein in der Sphäre des betroffenen Arbeitnehmers verwirklicht haben. Die Freistellung muss also nötig sein, weil der Beschäftigte aufgrund persönlicher Ereignisse an der Arbeitsleistung gehindert ist. Dies ist z. B. nicht der Fall, wenn ein Arbeitnehmer im Stau steht, öffentliche Verkehrsmittel bestreikt werden oder ein Schneechaos die Fahrt zur Arbeit unmöglich macht. In diesen Fällen führen äußere Umstände zu einer Arbeitsverhinderung und der Anspruch nach § 616 BGB ist ausgeschlossen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Persönliche Gründe

Folgende Situationen können persönliche Gründe sein, die zu einem Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub nach § 616 BGB führen:

  • Geburt des eigenen Kindes,
  • Sterbefall in der Familie,
  • eigene Eheschließung,
  • gesundheitspolizeiliche Untersuchungen in Lebensmittelbetrieben,
  • Umzug,
  • Gerichtstermin,
  • Musterung,
  • Gesellenprüfung,
  • Hochzeit der Kinder,
  • goldene Hochzeit der Eltern,
  • Niederkunft der Lebensgefährtin,
  • Termine bei Behörden – auch bei der Strafverfolgung des Arbeitnehmers, allerdings kann der Anspruch insbesondere in diesen Fällen wegen Verschuldens ausgeschlossen sein (s. u.),
  • persönliche Unglücksfälle (Einbruch, Brand, unverschuldete Unfälle).

1.1.1 Öffentlich-rechtliche oder ehrenamtliche Pflichten

Ein persönliches Leistungshindernis i. S. d. § 616 BGB kann auch die Erfüllung öffentlich-rechtlicher und/oder ehrenamtlicher Verpflichtungen sein. Das gilt aber nur, wenn es sich um eine Pflicht handelt, der sich der Mitarbeiter aufgrund rechtlicher Vorgaben grundsätzlich nicht entziehen kann. Das gilt z. B. bei der Inanspruchnahme als ehrenamtlicher Richter.[1] Die Ausübung eines Wahlmandats, wie z. B. eine Stadtratstätigkeit, ist dagegen kein Verhinderungsgrund i. S. d. § 616 Satz 1 BGB. Die Übernahme des Mandats beruht auf einem freien Willensentschluss und nicht auf rechtlichem Zwang.[2]

1.1.2 Arztbesuche

Arztbesuche ohne Vorliegen einer Krankheit können ebenfalls ein persönlicher Grund sein, wenn der Termin gesundheitlich erforderlich ist, z. B. Vorsorgeuntersuchungen oder Blutentnahmen. Außerdem muss das Aufsuchen des Arztes während der Arbeitszeit erforderlich sein.[1] Hierfür genügt es, dass der Betroffene auf die Termingestaltung keinen Einfluss nehmen kann und der Arzt den Mitarbeiter während der Arbeitszeit einbestellt.[2] Impfungen, z. B. gegen das Coronavirus, die aufgrund eines behördlich bindend zugeteilten Impftermins während der Arbeitszeit vorgenommen werden müssen, stellen ebenfalls einen persönlichen Grund i. S. d. § 616 BGB dar.

[1] OVG Niedersachsen, Beschluss v. 2.7.2021, 13 LA 258/21.

1.1.3 Quarantäne

Eine behördliche Quarantäneanordnung ist ebenfalls ein persönlicher Hinderungsgrund. Das gilt auch dann, wenn regelmäßig und zeitgleich mehrere Personen betroffen sind. Der Anspruch nach § 616 BGB geht dem Anspruch auf eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz grundsätzlich vor.[1] Das Verwaltungsgericht Berlin hält im Fall der Quarantäne sogar einen Anspruch nach § 616 BGB von bis zu etwa 14 Tagen angemessen.[2] Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage wurde aber die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) zugelassen.

[1] OVG Niedersachsen, Beschluss v. 2.7.2021, 13 LA 258/21.
[2] VG Berlin, Urteil v. 1.12.2022, VG 14 K 631/20.

1.1.4 Erkrankung des Kindes

Auch die nötige Betreuung der Kinder mangels Alternativen ist ein persönlicher Grund nach § 616 BGB. Da der bezahlte Sonderurlaub nach § 616 BGB nur wenige Tage umfasst, kommt hier in der Regel das Kinderkrankengeld der Krankenkasse nach § 45 SGB V zum Tragen. Arbeitgeber können den Anspruch aus § 616 BGB aber nicht mit der Begründung verweigern, dem Mitarbeiter stehe ja ein Krankengeldanspruch nach § 45 SGB V zu. Die Ansprüche aus § 616 BGB und § 45 SGB V können nicht addiert werden. Der Anspruch gegen die Krankenkasse verkürzt sich um die Tage, für die der Mitarbeiter einen Vergütungsanspruch nach § 616 BGB hat. Kommen nur Vater und Mutter als für die Pflege geeignete Personen in Betracht und sind beide berufstätig, so können grundsätzlich die Eltern darüber entscheiden, wer von ihnen die Pflege übernehmen soll. Der Arbeitgeber kann also nicht etwa die Hälfte des Anspruchs auf den Arbeitgeber des anderen Ehegatten verweisen.[1]

1.2 Kein Verschulden des Mitarbeiters

Der Verhinderungsgrund führt nur dann zu einem Anspruch des Arbeitnehmers auf unbezahlten Sonderurlaub, wenn dieser das persönliche Ereignis nicht verschuldet hat. Von einem Vers...

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