Zusammenfassung

 
Begriff

Bezahlter Sonderurlaub ist neben dem Erholungsurlaub eine weitere Abweichung von der Grundregel "ohne Arbeit kein Geld". Es handelt sich dabei aber nicht um einen Unterfall des Urlaubs nach dem BUrlG. Vielmehr soll Beschäftigten mit einem Sonderurlaub die Möglichkeit gegeben werden, besondere persönliche Anlässe zu begehen oder einschneidende persönliche Ereignisse zu bewältigen, ohne finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen. Der bezahlte Sonderurlaub darf dementsprechend auch nicht auf den Erholungsurlaub nach dem BUrlG angerechnet werden. Er ist Ausdruck der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, der geringfügige Arbeitsverhinderungen des Mitarbeiters hinnehmen muss.

Lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlich ist bezahlter Sonderurlaub nicht anders zu behandeln als andere bezahlte Urlaubstage.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Zentrale Rechtsgrundlage für bezahlten Sonderurlaub ist der § 616 BGB. Die Norm sieht eine Freistellung gegen Entgeltfortzahlung aus persönlichen Gründen vor. Wie viele Arbeitstage Anspruch auf Sonderurlaub besteht, ist allerdings nicht geregelt. Das Gesetz nennt den unbestimmten Rechtsbegriff "vorübergehend verhindert". Bei § 616 BGB handelt es sich um eine Auffangnorm, die nur dann Anwendung findet, wenn der betreffende Arbeitnehmer nicht bereits Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub aufgrund eines Spezialgesetzes, einer Regelung im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem einschlägigen Tarifvertrag hat. Eine vorrangige gesetzliche Regelung ist etwa § 37 Abs. 2 BetrVG. Danach erhalten Betriebsräte bezahlten Sonderurlaub auf Grund ihrer Betriebsratstätigkeit. Dieser Anspruch umfasst auch sämtliche für die Betriebsratstätigkeit erforderlichen Fortbildungsveranstaltungen.

Wichtige Klarstellungen zum Anspruch nach § 616 BGB trifft das BAG in den Urteilen v. 5.8.2014, 9 AZR 878/12 und v. 19.5.2021, 5 AZR 318/20. Grundlegende Ausführungen zum bezahlten Sonderurlaub im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und Quarantäne enthält die Entscheidung des OVG Niedersachsen v. 2.7.2021, 13 LA 258/21.

Arbeitsrecht

1 Anspruch

Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub nach § 616 Satz 1 BGB wenn die folgenden Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

  1. Der Beschäftigte ist ohne sein Verschulden durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung gehindert,
  2. die persönliche Verhinderung dauert eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit,
  3. es ist nichts anderes geregelt, z. B. arbeits- oder tarifvertraglich.

1.1 Verhinderung aus persönlichen Gründen

Für bezahlten Sonderurlaub nach § 616 BGB sind nur individuelle Hinderungsgründe ausschlaggebend, die sich allein in der Sphäre des betroffenen Arbeitnehmers verwirklicht haben. Die Freistellung muss also nötig sein, weil der Beschäftigte aufgrund persönlicher Ereignisse an der Arbeitsleistung gehindert ist. Dies ist z. B. nicht der Fall, wenn ein Arbeitnehmer im Stau steht, öffentliche Verkehrsmittel bestreikt werden oder ein Schneechaos die Fahrt zur Arbeit unmöglich macht. In diesen Fällen führen äußere Umstände zu einer Arbeitsverhinderung und der Anspruch nach § 616 BGB ist ausgeschlossen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Persönliche Gründe

Folgende Situationen können persönliche Gründe sein, die zu einem Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub nach § 616 BGB führen:

  • Geburt des eigenen Kindes,
  • Sterbefall in der Familie,
  • eigene Eheschließung,
  • gesundheitspolizeiliche Untersuchungen in Lebensmittelbetrieben,
  • Umzug,
  • Gerichtstermin,
  • Musterung,
  • Gesellenprüfung,
  • Hochzeit der Kinder,
  • goldene Hochzeit der Eltern,
  • Niederkunft der Lebensgefährtin,
  • Termine bei Behörden – auch bei der Strafverfolgung des Arbeitnehmers, allerdings kann der Anspruch insbesondere in diesen Fällen wegen Verschuldens ausgeschlossen sein (s. u.),
  • persönliche Unglücksfälle (Einbruch, Brand, unverschuldete Unfälle).

1.1.1 Öffentlich-rechtliche oder ehrenamtliche Pflichten

Ein persönliches Leistungshindernis i. S. d. § 616 BGB kann auch die Erfüllung öffentlich-rechtlicher und/oder ehrenamtlicher Verpflichtungen sein. Das gilt aber nur, wenn es sich um eine Pflicht handelt, der sich der Mitarbeiter aufgrund rechtlicher Vorgaben grundsätzlich nicht entziehen kann. Das gilt z. B. bei der Inanspruchnahme als ehrenamtlicher Richter.[1] Die Ausübung eines Wahlmandats, wie z. B. eine Stadtratstätigkeit, ist dagegen kein Verhinderungsgrund i. S. d. § 616 Satz 1 BGB. Die Übernahme des Mandats beruht auf einem freien Willensentschluss und nicht auf rechtlichem Zwang.[2]

1.1.2 Arztbesuche

Arztbesuche ohne Vorliegen einer Krankheit können ebenfalls ein persönlicher Grund sein, wenn der Termin gesundheitlich erforderlich ist, z. B. Vorsorgeuntersuchungen oder Blutentnahmen. Außerdem muss das Aufsuchen des Arztes während der Arbeitszeit erforderlich sein.[1] Hierfür genügt es, dass der Betroffene auf die Termingestaltung keinen Einfluss nehmen kann und der Arzt den Mitarbeiter während der Arbeitszeit einbestellt.[2] Impfungen, z. B. gegen das Coronavirus, die aufgrund eines behörd...

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