Es gibt gewisse Verhaltensmuster bei Menschen, die sich rechtsmissbräuchlich bewerben. Ob es am Ende hilft, ein Entschädigungsverlangen erfolgreich zu bekämpfen, ist eine Frage des Einzelfalls. Allerdings kann ein Verdachtsfall im weiteren Verfahren berücksichtigt werden und eine Haftung möglichst vermieden oder die Entschädigungszahlung zumindest reduziert werden.

4.2.1 Verhaltensmuster

Die Verhaltensmuster eines professionellen Scheinbewerbers können – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – sein:

Mögliche Verhaltensmuster in den Bewerbungsunterlagen

Vieles ergibt sich schon aus dem Anschreiben und dem Lebenslauf selbst. Geht es um eine Diskriminierung wegen der Behinderung, sei folgendes Beispiel genannt:

Der schwerbehinderte professionelle Scheinbewerber muss notwendigerweise – wie bereits geschildert – auf seine Schwerbehinderung hinweisen. Gleichzeitig will er ja gerade nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, weil dann ja kein Indiz für eine Diskriminierung vorläge. Insofern hat er möglicherweise ein Interesse, die notwendige Information über seine Schwerbehinderung an einer eher versteckten Stelle im Anschreiben, Lebenslauf oder den Anlagen zu platzieren.[1]

Geht es um Diskriminierung wegen anderer Merkmale, wird der professionelle Scheinbewerber in seiner Bewerbung eher bemüht sein, herauszustellen, dass er die diskriminierende Anforderung nicht erfüllt:

  • Diejenige, die in einer Stellenanzeige ein altersdiskriminierendes Merkmal entdeckt hat (Beispiel 2), wird in jedem Fall ihr Alter mitteilen oder ihre Bewerbung mit dem Hinweis garnieren, sie übe ihren Beruf seit vielen Jahren aus.[2] Denn wenn der potenzielle Arbeitgeber über die Nichterfüllung der diskriminierenden Anforderung keine Kenntnis hat, kann er auch nicht diskriminieren.
  • Jemand bewirbt sich um eine Stelle bei einer evangelischen Kirche, für die die Mitgliedschaft in einer Kirche als Voraussetzung genannt wird. In seinem Bewerbungsschreiben erwähnt er, aus der evangelischen Kirche ausgetreten zu sein.[3]

Entfernung vom Wohnort und Attraktivität der Stelle

Bewirbt sich jemand mit Wohnsitz in Rostock auf eine mit dem Mindestlohn vergütete Teilzeitstelle in Freiburg im Breisgau, kann dies auf eine nicht ernstgemeinte Bewerbung hindeuten. Allerdings zeigt sich gerade hier auch die Schwäche solcher "Indizien". Es besteht auch für Menschen, die tatsächlich an der Stelle interessiert sind, nicht unbedingt eine Veranlassung, über möglicherweise sehr private Motive für die Bewerbung gleich im Anschreiben aufzuklären. Gleichwohl hat das LAG Hamm – neben vielen anderen Indizien – eine Entfernung von 170 km für eine Tätigkeit als "Sekretärin" als Indiz angenommen.[4]

Verlegung des Gesprächs/Übernahme der Anfahrtskosten

Geschieht das Unerwartete und wird der professionelle Scheinbewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen, ist eine Bitte um Verlegung des Gesprächs und/oder Übernahme der Anfahrtskosten usw. nicht selten.

Attraktivität der Bewerbung

Bewerbungen von professionellen Scheinbewerbern sind häufig bewusst nicht besonders ansprechend gestaltet[5] und gehen nicht detailliert auf die Stellenanzeige ein.[6] Denn es geht ja darum, die Stelle gerade nicht zu bekommen. Allerdings ist eine wenig professionelle Bewerbung nicht allein ausreichend, um eine Scheinbewerbung zu unterstellen[7], auch wenn dies im Einzelfall ein Indiz unter mehreren darstellen kann.[8]

Vergleichsvorschlag

Professionelle Scheinbewerber machen mit der außergerichtlichen Geltendmachung einer Entschädigung von 3 Monatsgehältern häufig einen Vergleichsvorschlag.[9] Dieser geht dann meist in die Richtung, man sei mit einer Zahlung einer bestimmten (geringeren) Summe einverstanden, wenn diese innerhalb einer bestimmten Frist erfolge.

4.2.2 Verhalten bei einem Verdachtsfall

Erkennt der Arbeitgeber ein derartiges Muster, darf dies in keinem Fall dazu verleiten, die Bewerbung unbeachtet zu lassen. Vielmehr sollte er dies zum Anlass nehmen, die Verpflichtungen nach dem AGG und dem SGB IX möglichst penibel zu erfüllen. Insofern sollte ggf. auch vorsorglich eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erfolgen, soweit dies noch möglich ist.

Im Fall des Vergleichsvorschlags[1] kann es sich lohnen, Kontakt aufzunehmen, einen Gegenvorschlag zu machen oder auf den Vorschlag einzugehen, wenn eine Prüfung ergibt, dass möglicherwe...

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