Die zweifellos beste und einzige einigermaßen Erfolg versprechende Strategie ist, keine Verstöße gegen das AGG und das SGB IX zu begehen und dies gem. § 22 AGG auch beweisen zu können.[1] Dies schützt nicht nur vor professionellen Scheinbewerbern, sondern auch vor Entschädigungsansprüchen tatsächlich diskriminierter Bewerber, womit, neben der Entschädigungsverpflichtung, auch ein Reputationsverlust für das Unternehmen verbunden sein kann.

Ein Arbeitgeber muss sich also in jeder Phase des Bewerbungsverfahrens der Gefahr bewusst sein, dass er auch – selbst wenn er nicht diskriminieren will – falsch verstanden werden kann. Daher sind selbst harmlos gemeinte, flapsige Bemerkungen in E-Mails (Beispiel 3) ebenso ein Tabu wie Verfahrensfehler im Hinblick auf die gesetzlichen Verpflichtungen nach § 164 SGB IX. Dazu gehört auch, dass gem. § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung "unmittelbar nach Eingang" der Bewerbung unterrichtet wird und nicht erst, wenn alle Bewerbungen gesammelt und sortiert wurden (Fall 5).[2]

Es ist dabei wichtig, die einzelnen Schritte des Einstellungsverfahrens zu dokumentieren. Dabei sollte die notwendige Information der Agentur für Arbeit oder der Schwerbehindertenvertretung nicht nur telefonisch durchgeführt werden – und wenn doch, sollten mindestens Vermerke über die entsprechenden Gespräche und den Gesprächspartner gefertigt werden, um den gesamten – diskriminierungsfreien – Ablauf des Bewerbungsverfahrens später auch rekapitulieren, im Prozess vortragen und notfalls beweisen zu können.

Gerade im Hinblick auf die besonderen Verpflichtungen nach § 164 SGB IX müssen Arbeitgeber jede Bewerbung von Anfang bis Ende aufmerksam lesen, um sicher zu wissen, ob es sich um einen schwerbehinderten Bewerber handelt oder nicht. Arbeitgeber können sich nicht darauf berufen, sie hätten einen Hinweis im 10-seitigen Lebenslauf, wonach der Bewerber vor 10 Jahren 3 Monate wegen seiner Schwerbehinderung in einer Rehabilitationseinrichtung gewesen sei, nicht gelesen.[3]

[3] Vgl. BAG, Urteil v. 23.1.2020, 8 AZR 484/18: Zwar hatte der Bewerber hier deutlich auf die Schwerbehinderung hingewiesen. Danach kann sich der Arbeitgeber nur entlasten, wenn er beweisen kann, dass er die Bewerbung gar nicht zur Kenntnis nehmen konnte, nicht aber damit, sie nicht vollständig zur Kenntnis genommen und damit die Information zur Schwerbehinderung überlesen zu haben.

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