Mit der Aufnahme von Einstellungsverhandlungen und bereits in deren Vorfeld bei den ersten Anbahnungsmaßnahmen treffen auch den Bewerber gemäß § 311 Abs. 2 BGB rechtliche Pflichten. Auch hier spielt es keine Rolle, ob später ein Arbeitsvertrag zustande kommt oder nicht. Selbst wenn die Gespräche mit dem Bewerber nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags geführt haben, kann die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der dem Bewerber obliegenden Pflichten einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers begründen.

Zu den Pflichten des Bewerbers zählen insbesondere die Pflicht, zulässige Fragen des Arbeitgebers wahrheitsgemäß zu beantworten oder Umstände zu offenbaren, die dem Bewerber entweder die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht von vornherein unmöglich machen oder für seine Eignung für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind.[1]

Stellt sich nach Abschluss eines Arbeitsvertrags heraus, dass der Arbeitnehmer unrichtige Angaben in der Bewerbung gemacht, zulässige Fragen falsch beantwortet oder Umstände verschwiegen hat, die er verpflichtet war, zu offenbaren, kommen verschiedene Rechtsfolgen in Betracht. Grundsätzlich ist die Anfechtung des Arbeitsvertrags, die das Arbeitsverhältnis entgegen des Wortlauts des § 142 Abs. 1 BGB nur mit zukünftiger Wirkung auflöst, denkbar. Möglich ist auch eine Kündigung des Arbeitsvertrags, wenn dem Arbeitnehmer Qualifikationen oder Fähigkeiten fehlen, die für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Im Übrigen kommen Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 und § 311 Abs. 2 BGB in Betracht.[2]

Wird der Arbeitnehmer nach Vertragsabschluss, aber vor Dienstantritt vertragsbrüchig, ist z. B. an die Kosten für die Stellenanzeige zu denken, die der Arbeitgeber nun erneut aufbringen muss. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein neues Arbeitsverhältnis regelmäßig mit einer Probezeit und einer kurzen Kündigungsfrist beginnt. Nach der Rechtsprechung kann nämlich der Arbeitgeber von einem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer keinen Ersatz der durch Stellenanzeigen veranlassten Kosten verlangen, wenn diese Kosten auch bei einer fristgemäßen ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers zum arbeitsvertraglich nächsten Kündigungstermin entstanden wären. Es bedarf keines Nachweises, dass der Arbeitnehmer von der vertraglich eingeräumten Kündigungsmöglichkeit fristgemäß Gebrauch gemacht hätte.

Der Arbeitgeber kann also nur dann Ersatz für die Kosten von Stellenanzeigen verlangen, wenn diese bei ordnungsgemäßer Einhaltung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist vermeidbar gewesen wären.[3]

Dem Arbeitgeber können allerdings durch einen vertragsbrüchigen Bewerber wesentlich erheblichere Schäden entstehen, z. B. wenn er im Vertrauen auf die vertraglich zugesagte Arbeitsaufnahme Aufwendungen gemacht oder Aufträge angenommen hat.

Gerade vor dem Hintergrund des aktuell in vielen Branchen herrschenden Bewerbermarkts kommt es immer häufiger zu Absagen des Bewerbers nach Vertragsunterzeichnung oder aber die Bewerber sind schon während des Bewerbungsprozesses nicht mehr für den zukünftigen Arbeitgeber erreichbar. Teilweise wird dies auch "Business Ghosting" genannt. Diesem Phänomen kann mit rein rechtlichen Mitteln oftmals nicht ausreichend entgegnet werden. Zwar sollte jedenfalls bei Absage des Bewerbers nach Vertragsschluss an die Schriftform zur Beendigung des Vertragsverhältnisses gedacht werden, damit das Vertragsverhältnis jedenfalls wirksam beendet ist. Insbesondere gegenüber einem nicht mehr auffindbaren Bewerber kann jedoch kein Anspruch auf Schadensersatz (mit vertretbaren Mitteln) durchgesetzt werden. Insofern kann in diesem Bereich wahrscheinlich besser durch eine ehrliche und offene Kommunikation einem solchen Business Ghosting entgegengewirkt werden. Dabei kommt dem Setzen von klaren Fristen innerhalb des Bewerbungsprozesses eine entscheidende Bedeutung zu.[4]

 
Praxis-Beispiel

Arbeitgeber hat hohe finanzielle Aufwendungen

Ein Arbeitgeber beschafft für einen neu eingestellten Speditionsleiter kurz vor dem vorgesehenen Dienstantritt Fahrzeuge im Wert von über 150.000 EUR. Direkt vor dem Tag der vereinbarten Arbeitsaufnahme muss er erfahren, dass der Bewerber es sich anders überlegt hat.

Hier hat das Bundesarbeitsgericht den Arbeitnehmer als schadensersatzpflichtig angesehen. Dabei kam es auf die folgenden Umstände an:

Musste der Arbeitnehmer vor Antritt der Arbeit erkennen, dass der Arbeitgeber wegen der vertraglich zugesagten Arbeitsaufnahme Aufwendungen macht, so muss er den Arbeitgeber unverzüglich unterrichten, wenn begründete Zweifel daran aufkommen, ob er die Arbeit antreten kann oder will. Unterlässt der Arbeitnehmer diese Unterrichtung schuldhaft, so ist er dem Arbeitgeber für den Schaden ersatzpflichtig, der nicht eingetreten wäre, wenn er dieser Unterrichtungspflicht nachgekommen wäre.[5]

[2] Löser, Kommunikation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, S. 15...

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