Zusammenfassung

 
Überblick

Die Anbahnung des Arbeitsverhältnisses findet nicht etwa noch im "rechtsfreien Raum" statt, sondern lässt bereits beiderseitig Rechte und Pflichten entstehen. Hierzu zählen das Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellungen und Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers vor der Einstellung.

Auch wenn es nicht zu einem Vertragsabschluss kommt, besteht bereits von der Vertragsanbahnung an und weiter aufgrund aufgenommener Vertragsverhandlungen zwischen den Beteiligten ein gesetzliches Schuldverhältnis mit beiderseitigen Rechten und Pflichten und damit eine mögliche Haftung sowohl des Arbeitgebers als auch des Bewerbers bei Pflichtverletzungen.

1 Die gegenseitigen Pflichten aus Vertragsvorverhandlungen

Bereits bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses entstehen gegenseitige Rechte und Pflichten. Die Pflichten des Arbeitgebers beginnen schon bei der Aufgabe einer Stellenanzeige oder bei der Stellenausschreibung im Betrieb.

Das Anbahnungsverhältnis ist dadurch charakterisiert, dass zwischen den Parteien keine Hauptleistungspflichten (Arbeitsleistung, Arbeitsentgelt) bestehen. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis aber nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen verpflichten. Nach § 311 Abs. 2 BGB entstehen solche Pflichten auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen und bereits bei in deren Vorfeld liegenden Anbahnungsverhandlungen.

Im Arbeitsrecht gehören zu diesen Pflichten vor allem Aufklärungs-, Mitwirkungs-, Obhuts- und Rücksichtnahmepflichten. Die beiderseitigen Rücksichtnahmepflichten gebieten dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, schon vor Abschluss des Arbeitsvertrags ungefragt auf Umstände hinzuweisen, die für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind.[1]

[1] ErfK, 2021, § 611a BGB, Rz. 260.

1.1 Pflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat bei der Einstellungsverhandlung vor allem die Pflicht, den potenziellen Arbeitnehmer über alle Anforderungen des zu besetzenden Arbeitsplatzes zu unterrichten. Das gilt nicht für Umstände, die sich von selbst verstehen, sondern insbesondere für von der Regel abweichende Gegebenheiten, wie etwa überdurchschnittliche Anforderungen.

Eine allgemeine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bei der Einstellung hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation seines Unternehmens gibt es nicht. Sie kann jedoch im Einzelfall nach Treu und Glauben gegeben sein. Wenn einem Bewerber eine Dauerstellung zugesagt wird und ihm wesentliche, entgegenstehende Umstände wie etwa ernsthafte Liquiditätsschwierigkeiten verschwiegen werden, die alsbald akut werden und zu einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen können, kann eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers begründet sein.[1]

Allein das Bestehen einer schlechten wirtschaftlichen Lage, die dem Arbeitnehmer zudem bekannt ist, in der aber noch keine konkrete Planung besteht, einen Arbeitsplatz zu streichen, begründet noch keine Aufklärungspflicht.[2]

Die dem Arbeitgeber obliegende Aufklärungspflicht umfasst darüber hinaus die Pflicht, über aus dem Abschluss des Arbeitsvertrags resultierende besondere Gefahren aufzuklären, soweit sich diese nicht aus der Sachlage von selbst ergeben. Darüber hinaus können geplante Betriebsübergänge oder örtliche Versetzungen zu einer Aufklärungspflicht des Arbeitgebers führen.[3]

Der Arbeitgeber haftet dem Bewerber für eine schuldhafte Verletzung seiner Aufklärungspflichten im Einstellungsverfahren aus Verschulden bei Vertragsschluss gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 und § 311 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz. Dies kann auch noch nach Abschluss des Arbeitsvertrags in Betracht kommen, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig aus Gründen endet oder seinen Sinn verliert, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Abschluss des Vertrags unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht schuldhaft verschwiegen hat.

In einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer nachweisen, dass der Arbeitgeber seine Aufklärungspflicht verletzt hat.[4]

Ein Arbeitgeber kann sich etwa schadensersatzpflichtig machen, wenn er bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrags in dem Bewerber die nicht gerechtfertigte Annahme erweckt, es werde bestimmt zu dem Abschluss des Arbeitsvertrags kommen, und ihm dabei bedeutet, er könne seine bisherige Stellung ohne Risiko kündigen. Das Recht, die Vertragsverhandlungen aus sachlichen Gründen abzubrechen, steht dem Arbeitgeber jedoch jederzeit zu und begründet – abgesehen von den Fällen des zurechenbar veranlassten Vertrauens – keine Schadensersatzpflicht.[5]

Die Schadensersatzpflicht kann praktische Bedeutung vor allem dann haben, wenn Bewerber vorzeitig schuldhaft dazu veranlasst werden, ihr bisheriges Arbeitsverhältnis aufzugeben und es später, aus vom Bewerber nicht zu vertretenden Gründen, doch nicht zum Abschluss des neuen Arbeitsvertrags kommt. In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, den gesamten durch die Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses bedingten Entgeltausfall zu ersetzen. Die neuen Bezüge stellen dabei keine Obergrenze dar. Die Reichweite der Schadensersatzpflicht wu...

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