Aus dem Entgeltausfallprinzip folgt zunächst nur, dass dem Betriebsratsmitglied diejenige Vergütung auch während der Amtszeit vom Arbeitgeber zu zahlen ist, die bei Eintritt in den Betriebsrat geschuldet ist bzw. war. Dies führt allerdings nicht dazu, dass die Vergütung eines Betriebsratsmitglieds mit der Amtsübernahme festgeschrieben wird und sich nicht entwickeln kann. Hier kommt § 37 Abs. 4 BetrVG ins Spiel, nach dem die Vergütung eines Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen sein darf als diejenige von vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Es besteht insoweit kein Anspruch auf ein der absoluten Höhe nach gleiches Entgelt, sondern auf eine entsprechende Entgeltentwicklung.[1]

Die Entwicklung des Entgelts des Betriebsratsmitglieds wird damit von der eigenen Person abgekoppelt und an die jeweiligen Vergleichsmitarbeiter des Betriebs oder Betriebsteils angeglichen. Damit wird hypothetisch unterstellt, dass sich das Betriebsratsmitglied mindestens so wie die Vergleichsmitarbeiter entwickelt hätte. Es handelt sich daher um einen Mindestvergütungsanspruch des Betriebsratsmitglieds, nicht hingegen um eine abschließende Regelung über die Höhe der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern.[2]

[1] BAG, Urteil v. 17.5.1977, 1 AZR 458/74.

1.2.1 Identifikation der Vergleichsgruppe

Weil im Rahmen der Bemessung der Vergütungsentwicklung nach § 37 Abs. 4 BetrVG nicht die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds, sondern die von vergleichbaren Arbeitnehmern maßgeblich ist, ist im ersten Schritt die Vergleichsgruppe zu identifizieren. Dafür ist eine Auswahl von Arbeitnehmern vorzunehmen, die zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts mit dem Betriebsratsmitglied ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise fachlich und persönlich qualifiziert waren.[1]

Eine Vergleichbarkeit liegt nahe, wenn die Arbeitnehmer in persönlicher und fachlicher Hinsicht wechselseitig austauschbar sind. Die Beurteilung der Vergleichbarkeit des Betriebsratsmitglieds mit anderen Arbeitnehmern nimmt die Rechtsprechung anhand von strengen Maßstäben vor:

  • Vergleichbare Tätigkeiten liegen vor, wenn sich Aufgabenstruktur, Schwierigkeit und Umfang des Arbeitsplatzes, zu tragende Verantwortung und Hierarchieebene im Wesentlichen entsprechen. Hier kann die Eingruppierung einen Anhaltspunkt liefern, wenn sie (auch) auf diese Punkte abstellt.
  • Unter die fachliche Qualifikation fallen Abschlüsse, Examina, Ausbildungen, Fort- und Weiterbildungen sowie der bisherige berufliche Werdegang, wobei auch der allgemeine Erfahrungsgewinn aus der täglichen Arbeit zu berücksichtigen sein kann, wenn dieser für die Ausübung der Tätigkeit eine Rolle spielt.
  • Zu den persönlichen Qualifikationen zählen u. a. Eigenschaften wie Belastbarkeit und Führungskompetenzen. Auch die Qualität der Arbeitsergebnisse kann eine Rolle spielen. Die Eigenschaften müssen objektiv nachvollziehbar sein.

Nicht zu berücksichtigen sind besondere Leistungen des Betriebsratsmitglieds in seiner Amtsführung oder Fähigkeiten und Kenntnisse, die durch die Betriebsratstätigkeit erlangt wurden, wenn diese nicht im Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit stehen.

  • Zeigt das Betriebsratsmitglied vor der Amtsübernahme über- oder unterdurchschnittliche Leistungen, sind diese bei der Auswahl der Vergleichsmitarbeiter ebenfalls zu berücksichtigen.
  • Es existieren bislang keine gerichtlichen Entscheidungen zu der Frage, wie zu verfahren ist, wenn keine vergleichbaren Mitarbeiter vorhanden sind oder diese im Laufe der Zeit der Betriebsratstätigkeit aus dem Betrieb ausgeschieden sind. Es ist davon auszugehen, dass bei Fehlen von Vergleichspersonen im Betrieb solche eines anderen Betriebs herangezogen werden müssen. Wenn auch diese fehlen, ist auf die betriebsübliche Entwicklung der nächstvergleichbaren Arbeitnehmergruppen abzustellen.[2]
[2] So sieht es auch die Gesetzesbegründung des "Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes" vor. Siehe Abschn. 5.

1.2.2 Betriebsübliche berufliche Entwicklung

Nachdem Vergleichsmitarbeiter identifiziert wurden, ist zu prüfen, ob deren berufliche Entwicklung betriebsüblich war. Betriebsüblich ist eine Entwicklung, die bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen wird. Es muss ein gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers und eine von ihm aufgestellte Regel, z. B. die Anwendung eines Tarifvertrags, bestehen. Dabei muss der Geschehensablauf – das heißt der berufliche Aufstieg – so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann.[1]

Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten auf das Betriebsratsmitglied ist somit nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden...

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