Sind neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach § 67 Abs. 2 und 3 ArbGG zulässig, hat der Berufungskläger sie in der Berufungsbegründung und der Berufungsbeklagte in der Berufungsbeantwortung vorzubringen.[1]

Werden sie verspätet vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen

  • nach der freien Überzeugung des LAG die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder
  • nicht auf Verschulden der Partei beruht.

Eine besondere Fristsetzung seitens des LAG findet nicht statt. Die zu beachtenden Fristen ergeben sich bereits aus § 66 ArbGG, der den Ablauf der maßgeblichen Fristen vorgibt.

Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nach Ablauf der Frist entstanden, wenn sie sich aus der Ausübung eines Gestaltungsrechts ergeben.

 
Praxis-Beispiel

Kündigung

Hier kommt es nicht darauf an, ob die Partei das Gestaltungsrecht auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte ausüben können. Der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann z. B. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.[2] Neues Vorbringen, mit dem der Antrag erst begründet wird, kann allerdings der Verspätung unterliegen.

Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die bereits früher entstanden sind, sind zu berücksichtigen, wenn sie nach der freien Überzeugung des LAG die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würden oder nicht auf Verschulden der Partei beruhen. Dabei wirkt sich jedes Verschulden der Partei negativ aus, die sich ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss.[3] Das LAG hat bei Vorliegen dieser Voraussetzungen keinen Ermessensspielraum, § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG enthält zwingendes Recht. Das LAG hat im Rahmen seiner Prozessleitung zumutbare Verfügungen zu treffen.

 
Praxis-Beispiel

Hinweis an Partei, notfalls Zeugen zum Termin zu stellen[4]

Das Unterbleiben von Rügen hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage, die nach § 282 Abs. 3 ZPO bereits in der ersten Instanz vorgebracht werden müssen, fällt nicht unter § 67 Abs. 3 ArbGG. Eine solche Rüge ist nach § 532 ZPO ausgeschlossen. Gemäß § 282 Abs. 3 ZPO müssen Rügen zur Zulässigkeit der Klage jedweder Art im Interesse der Prozessbeschleunigung gleichzeitig und für alle Instanzen vor der Verhandlung zur Hauptsache in der ersten Instanz vorgebracht werden. Verspätete Rügen, welche die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, z. B. die Rüge der Zuständigkeit bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit, sind gemäß § 296 Abs. 3 ZPO nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt. Ein Verschulden der Partei, ggf. ihres gesetzlichen Vertreters oder ihres Prozessbevollmächtigten an der Verspätung wird vermutet. Der Betroffene muss sich sofort entlasten. Das Gericht kann Glaubhaftmachung verlangen[5], z. B. mittels eidesstattlicher Versicherung.

Verzichtbare Rügen, welche die Zulässigkeit der Klage betreffen und die entgegen § 520 ZPO und § 521 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht werden, sind nach § 532 ZPO nur zuzulassen, wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Dies gilt auch für neue Rügen, welche die Partei bereits in der ersten Instanz hätte vortragen müssen. Ohne hinreichende Entschuldigung sind diese Rügen gemäß § 532 ZPO in der Berufungsinstanz ausgeschlossen. Es schadet hier jeder Sorgfaltsverstoß. Die Partei ist z. B. entschuldigt, wenn sie einen richterlichen Hinweis aufgrund einer unklaren Formulierung missverstanden hat. Die Rüge der Unzuständigkeit des Gerichtes der ersten Instanz ist gemäß § 513 Abs. 2 ZPO in jedem Fall ausgeschlossen.

§ 533 ZPO enthält weitere Einschränkungen, die den Angriff bzw. die Verteidigung selbst beschränken. Diese Norm schließt nicht Angriffs- und Verteidigungsmittel aus. Aufrechnung, Widerklage und Klageänderung sind danach nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und sie auf Tatsachen gestützt werden können, die das LAG nach § 529 ZPO ohnehin zu berücksichtigen hat, wie z. B. die bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen und nach § 67 ArbGG zulässiges neues Vorbringen.

Wenn die Einwilligung nicht erteilt wird oder das Gericht die Zulassung auch unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit für nicht geboten hält, wird die erklärte Aufrechnung nicht berücksichtigt bzw. die Widerklage oder Klageänderung werden als unzulässig abgewiesen.

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