Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Dementsprechend entsteht der Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, wenn der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist, selbst wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder nicht in vollem Umfang gezahlt hat. Insoweit folgt das Sozialversicherungsrecht grundsätzlich dem Fälligkeits- bzw. Entstehungsprinzip. Hiervon abweichend entstehen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Beitragsansprüche bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist. Insoweit löst allein der Zufluss den Beitragsanspruch auf einmalig gezahltes Arbeitsentgelt aus. Das Zuflussprinzip gilt gemäß der Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB IV allerdings nicht, soweit das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt nur wegen eines Insolvenzereignisses im Sinne des § 165 SGB III vom Arbeitgeber nicht ausgezahlt worden ist.

Die (Rück-)Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB IV ist mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (BGBl I S. 818) eingeführt worden und zum 01.04.2005 in Kraft getreten. Nach der Gesetzbegründung (vgl. Bundestags-Drucksache 15/4228) soll das für Beiträge aus Einmalzahlungen ab dem Jahr 2003 geltende Zuflussprinzip im Insolvenzfall nicht zu Beitragsausfällen führen, soweit die Regelungen des Insolvenzgeldes gelten. Deshalb soll klargestellt werden, dass die wirtschaftlich in die Stellung des Arbeitgebers eintretende Bundesagentur für Arbeit (BA) dann den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf Einmalzahlungen entrichten muss, wenn der Arbeitgeber ungeachtet seiner Insolvenz die Einmalzahlung ausgezahlt hätte. Damit kommt zum Ausdruck, dass die BA nach § 175 SGB III für die letzten 3 Monate vor dem Insolvenzereignis nicht nur zur Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen auf laufende Arbeitsentgelte verpflichtet ist, sondern auch zur Beitragszahlung auf einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, wenn es wegen der Insolvenz nicht ausgezahlt worden ist.

Die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Einschränkung, wonach das für Beiträge aus Einmalzahlungen geltende Zuflussprinzip im Falle der Nichtauszahlung der Einmalzahlung aus Anlass der Insolvenz des Arbeitgebers nur insoweit ausgesetzt ist, als im Rahmen des Insolvenzgeldanspruchs (für die Zeit bis zum Eintritt des Insolvenzereignisses) Pflichtbeiträge nach § 175 SGB III geltend gemacht werden können, findet im Gesetzestext keine ausreichende Stütze. Gesetzeswortlaut und Gesetzesbegründung zu § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB IV sind mithin inhaltlich nicht uneingeschränkt deckungsgleich. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das "nur wegen eines Insolvenzereignisses im Sinne des § 165 des Dritten Buches vom Arbeitgeber nicht ausgezahlt worden ist", kann demnach auch solches sein, für das kein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht, weil die Einmalzahlung außerhalb des Insolvenzgeldzeitraums fällig wird (beispielsweise nach Eintritt des Insolvenzereignisses in der Zeit der Freistellung des Arbeitnehmers).

Im Hinblick darauf, dass ab 2017 Meldungen aufgrund des Eintritts eines Insolvenzereignisses aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm zu erstatten sind und die mit der Systemprüfung beauftragte Informationstechnische Servicestelle der gesetzlichen Krankenversicherung GmbH (ITSG) insoweit aufgefordert worden ist, bei künftigen Systemprüfungen die obligatorische Umsetzung der Meldegründe 70 bis 72 im Basismodul zu prüfen, ist Klarheit darüber zu schaffen, in welchem Umfang ein aus Anlass der Insolvenz des Arbeitgebers nicht gezahltes Arbeitsentgelt als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt anzusehen ist.

Zum einmalig gezahlten Arbeitsentgelt, das "nur wegen eines Insolvenzereignisses im Sinne des § 165 des Dritten Buches vom Arbeitgeber nicht ausgezahlt worden ist", zählt nach Auffassung der Besprechungsteilnehmer nur solches, für das im Rahmen des Insolvenzgeldanspruchs Pflichtbeiträge nach § 175 SGB III geltend gemacht werden können. Damit ist die Entstehung des Beitragsanspruchs auf Zeiträume beschränkt, in denen Einmalzahlungen in den letzten 3 Monaten vor Eintritt des Insolvenzereignisses fällig geworden aber nicht ausgezahlt worden sind. Weitere Beitragsansprüche aus Einmalzahlungen, die wegen der Insolvenz des Arbeitgebers zunächst nicht ausgezahlt worden sind, entstehen erst dann, wenn es im Rahmen der Verteilung der Insolvenzmasse zur Auszahlung etwaiger (Rest-)Entgeltan-sprüche an den Arbeitnehmer kommt. Ob und in welchem Umfang sie beitragsrechtlich herangezogen werden können, bestimmt sich nach Maßgabe des § 23a SGB IV.

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