Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschale Überstundenvergütung, betriebliche Übung

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweis des Senats:

Parallelsache zu Senatsurteilen vom 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – sowie – 5 AZR 371/01 – nv.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 151, 242

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 12.09.2001; Aktenzeichen 6 Sa 16/01)

ArbG Neuruppin (Urteil vom 21.06.2000; Aktenzeichen 3 Ca 2803/99)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 12. September 2001 – 6 Sa 16/01 (8 Sa 501/00) – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 21. Juni 2000 – 3 Ca 2803/99 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Arbeitsvergütung.

Der Kläger ist seit 1. November 1976, zuletzt als Leiter der Feuerwehr, bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 23. Oktober 1991 zugrunde, der eine durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 56 Stunden vorsieht. Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit gelten die einschlägigen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Außerdem verweist der Arbeitsvertrag auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost (BAT-O) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung sowie auf die für Angestellte des Arbeitgebers im Gebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrags jeweils geltenden sonstigen Regelungen. Der Kläger war zunächst in VergGr. VI b, dann in VergGr. V b BAT-O eingruppiert.

Am 9. Oktober 1991 fand eine „Arbeitsbesprechung Feuerwehr” im Hauptamt der Beklagten statt, an der der Kläger, vier Feuerwehrleute (ABM), der amtierende Bürgermeister, die Hauptamtsleiterin sowie eine Vertreterin des Personalrats teilnahmen. Über dieses Gespräch verhält sich eine von der Hauptamtsleiterin unterzeichnete Aktennotiz vom 21. Oktober 1991. Hiernach führte der Kläger am 9. Oktober 1991 ua. aus, ein Problem bestehe darin, daß mit vier Leuten die Schichtbesetzung nicht abgesichert werden könne und deshalb erhöht Überstunden aufträten. Hierfür sowie für die Nacht- und Wochenendarbeit erfolge keine Bezahlung. Abschließend heißt es in der Aktennotiz:

„Für die Bezahlung der Überstunden wird vorübergehend eine pauschale Bezahlung von 40 h im Monat festgelegt.”

Die Beklagte zahlte dem Kläger ab Oktober 1991 eine monatliche Pauschalvergütung für Überstunden, zuletzt in Höhe von 1.895,50 DM brutto/Monat. Zum 1. Januar 1999 stellte die Beklagte die Zahlung der Zulage ein.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 17. Juni 1999 die Weiterzahlung der Zulage von der Beklagten verlangt. Nach Zurückweisung dieses Begehrens durch die Beklagte hat der Kläger seine Ansprüche mit der vorliegenden Klage für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. April 2000 weiterverfolgt. Er hat geltend gemacht, er habe einen vertraglichen Anspruch auf die pauschale Bezahlung der Überstunden. Jedenfalls bestehe eine betriebliche Übung. Die Beklagte habe sich über die Grundlagen der Zahlung nicht geirrt; ein etwaiger Irrtum sei jedenfalls unbeachtlich. Da seine regelmäßige Normalarbeitszeit höchstens 40 Stunden die Woche betrage, habe er auch zu vergütende Überstunden geleistet. Er arbeite ständig an fünf Tagen in der Woche jeweils elf Stunden, nämlich von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr mit zweimal einer halben Stunde Pause. Der Kläger hat weiterhin behauptet, keinen Bereitschaftsdienst, sondern ausschließlich voll zu vergütende Arbeit zu leisten. Selbst wenn es sich hierbei um Bereitschaftsdienst handeln sollte, sei dieser wie Arbeitszeit zu vergüten. Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, die tatsächlich geleisteten Überstunden seien jeweils mit 25,66 DM zu vergüten. Bei 1.036 Überstunden in der Zeit von Januar 1999 bis April 2000 ergebe dies einen Betrag von 26.583,76 DM.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 30.328,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 26.583,76 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, ein tariflicher oder einzelvertraglicher Anspruch auf die persönliche Zulage bestehe nicht. Sie habe in der Vergangenheit die regelmäßige Arbeitszeit falsch beurteilt und die persönliche Zulage rechtsirrtümlich gezahlt. Seit dem 21. April 1999 sei auf das Arbeitsverhältnis die Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg (AZVFeu) anzuwenden. Überstunden seien nicht angefallen. Der Kläger leiste vielmehr in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat weder Anspruch auf eine persönliche Zulage noch auf Überstundenvergütung für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. April 2000. Auch für das Ableisten von Bereitschaftsdienst stehen ihm die geltend gemachten Vergütungsansprüche nicht zu.

I. Der Anspruch auf die pauschale Zulage ergibt sich nicht aus Tarifrecht. Der Kläger beruft sich auch nicht auf tarifliche Vorschriften. Ebensowenig ist ein derartiger Anspruch in sonstigen Regelungen begründet, die im Arbeitsvertrag in Bezug genommen sind.

II. Der Kläger hat keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die Zulage und die Überstundenvergütung.

1. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 23. Oktober 1991 regelt keine Zulage.

2. Ob – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – die Beklagte dem Kläger in der Besprechung vom 9. Oktober 1991 ein Angebot auf Zahlung einer persönlichen Zulage oder Überstundenvergütung gemacht hat, das der Kläger gem. § 151 BGB angenommen hat, kann dahinstehen. Das Landesarbeitsgericht hat nicht genügend beachtet, daß die Beklagte mit ihrer Festlegung vom 9. Oktober 1991 die vom Kläger angesprochene Problematik der Bezahlung von Überstunden durch eine vorübergehende Pauschalzahlung lösen wollte. Hierdurch trat keine dauerhafte Bindung ein. Weder die Arbeitgeberin noch die Arbeitnehmer wollten ersichtlich auf eine konkrete Abrechnung und Vergütung von Überstunden auf Dauer verzichten (so bereits Urteile vom 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – und – 5 AZR 371/01 – nv.). „Vorübergehend” bezeichnete angesichts der bei der Beklagten bestehenden Unklarheiten über die Grundlagen der Vergütung keinen zeitlich fest bestimmten, auch nicht lediglich einen kurzen Zeitraum; denn es bedurfte aus der Sicht der Beteiligten einer Klärung, die auf verschiedene Art und Weise möglich erschien. Insbesondere kam nicht nur eine Änderung der Rechtslage, zB durch Verbeamtung des Klägers und seiner Kollegen oder Schaffung eines neuen Tarif- oder Beamtenrechts infrage, vielmehr hatten die Arbeitnehmer jederzeit auch mit einer Klärung der bestehenden Rechtslage durch die Beklagte zu rechnen. Daß eine Klärung der Rechtslage jahrelang nicht erfolgte, führt nicht dazu, daß die Zulage an die Stelle einer tariflichen Überstundenvergütung trat oder unabhängig von Ableistung und Umfang der Überstunden zu zahlen war. Ein entsprechendes Vertrauen des Klägers wäre nicht gerechtfertigt, weil der Kläger nach den Umständen annehmen mußte, die Beklagte werde als Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes zu einer tarifgerechten Handhabung zurückkehren. Dies sollte offenbar so bald wie möglich geschehen. Die nur vorübergehende Festlegung ohne nähere Bestimmung erlaubt nicht die Annahme einer weitergehenden Bindung; denn eine übertarifliche Leistung sollte erkennbar nicht gewährt werden. Aus diesem Grunde gehen auch die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Vereinbarung eines Widerrufsrechts ins Leere. Ein sachlicher Grund für den Widerruf der pauschalen Überstundenbezahlung war nicht erforderlich, weil nach dem Leistungszweck die Zulage ohne weitergehende Bindung von vornherein nur vorübergehend gezahlt werden sollte.

3. Unerheblich ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, ob sich die Beklagte geirrt hat. Die fehlende Bindung der Beklagten an die Zusage resultiert nicht aus einer irrtümlichen Annahme der Leistungspflicht. Die Beklagte hat die Zahlung nie auf Vorschriften gestützt, die einen solchen Anspruch nicht vorsahen. Vielmehr war bekannt, daß eine pauschale Zulage im „Regelwerk” nicht vorgesehen war. Wenn man sich gleichwohl auf eine solche verständigte, dann sollte dies weder eine übertarifliche Leistung, noch eine auf Dauer verbindliche, die Tariflage ersetzende Regelung darstellen, sondern der seinerzeit gegebenen Unsicherheit über die regelmäßige Arbeitszeit bei der Feuerwehr Rechnung tragen. Die Beklagte irrte auch nicht über die regelmäßige Arbeitszeit als der Grundlage für die Normalvergütung; dann hätte es keiner pauschalen Zulage bedurft. Vielmehr bestand eine Ungewißheit, die Veranlassung zu einer vorübergehenden Pauschalvergütung gab. Deshalb mußte allen Beteiligten nach Sinn und Zweck der Festlegung vom 9. Oktober 1991 klar sein, daß die Beklagte hinsichtlich der Behandlung etwaiger Überstunden jederzeit ohne weitere Begründung zu der bestehenden tariflichen Rechtslage übergehen durfte. Auch die Arbeitnehmer durften jederzeit eine korrekte Vergütung der Überstunden einfordern.

4. Die Beklagte hat auch keine stillschweigende Erklärung abgegeben, dauerhaft eine pauschale Überstundenvergütung zu zahlen. Aus der über Jahre andauernden Zahlung der Zulage durfte der Kläger nicht schließen, die Beklagte werde die Zahlung auf Dauer unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage fortführen (ebenso bereits Urteile vom 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – und – 5 AZR 371/01 – nv.). Der Kläger hat nichts dafür vorgetragen, daß er hierauf vertrauen konnte. Die Beklagte als Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes wollte vielmehr im Zweifel Normvollzug betreiben und war dazu auch verpflichtet. Die durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, vor allem aber auch durch die Festlegungen des Haushaltsplans gebundenen öffentlichen Arbeitgeber sind gehalten, die Mindestbedingungen des Tarifrechts und die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen nicht zu überschreiten. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muß grundsätzlich davon ausgehen, daß ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besondere Anhaltspunkte darf der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst deshalb auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen, die den Rahmen rechtlicher Verpflichtungen überschreiten, nicht darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unbefristet weiter gewährt. Der Arbeitnehmer muß mit der Korrektur einer fehlerhaften Rechtsanwendung rechnen (Senat 14. September 1994 – 5 AZR 679/93 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 46 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 32, zu II 1 b der Gründe).

III. Eine auf dauerhafte Zahlung einer Pauschalvergütung gerichtete betriebliche Übung lag nicht vor. Eine betriebliche Übung setzt voraus, daß eine bestimmte betriebliche Praxis den Schluß erlaubt, der Arbeitgeber wolle sich vertragsrechtlich in bestimmter Weise binden (Senat 14. September 1994 aaO, zu II 1 a der Gründe; BAG 21. Januar 1997 – 1 AZR 572/96 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 64 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 36, zu II 2 b aa der Gründe; Senat 13. März 2002 – 5 AZR 755/00 – nv., mwN). Wie ausgeführt durften die Arbeitnehmer weder nach der Erklärung vom 9. Oktober 1991 noch nach der anschließenden Handhabung darauf vertrauen, die Beklagte werde die Pauschalzahlungen beibehalten und nicht zu einer tarifgerechten Überstundenvergütung übergehen. Die Arbeitnehmer mußten auch damit rechnen, daß die Beklagte den Zeitpunkt hierfür nach ihren Vorstellungen wählen werde, so wie sie selbst eine exakte Überstundenvergütung beanspruchen konnten, sobald ihnen das opportun erschien.

IV. Dem Kläger steht auch der hilfsweise geltend gemachte Überstundenvergütungsanspruch gem. § 611 BGB iVm. tariflichen Vorschriften im Ergebnis nicht zu.

1. Der Arbeitnehmer, der die Vergütung von Überstunden fordert, muß im einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt ferner voraus, daß die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (Senat 17. April 2002 – 5 AZR 644/00 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 148; 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – und – 5 AZR 371/01 – nv.). Der Arbeitnehmer muß darlegen, von welcher normalen Arbeitszeit er ausgeht und daß er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob in einem Zeitraum Arbeitsleistungen erbracht wurden, trifft den Arbeitnehmer nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer muß darlegen, welche geschuldete Tätigkeit er ausgeführt hat. Das gilt auch dann, wenn streitig ist, ob Arbeitsleistung oder Bereitschaftsdienst angefallen ist. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (Senat 24. Oktober 2001 – 5 AZR 245/00 – AP EntgeltFG § 2 Nr. 8 = EzA EntgFG § 2 Nr. 3, zu I 1 der Gründe).

2. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Der Kläger hat nicht hinreichend konkret dargelegt, daß und in welchem Umfang er Überstunden für die Beklagte geleistet hat. Aus dem Wochendienstplan sind konkrete Arbeitsleistungen des Klägers nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die theoretischen Seminare und Ausbildungsthemen sowie die Wartungs- und Pflegedienste. Diese nehmen einen derart großen Zeitraum im Tagesablauf ein, daß nicht zu erkennen ist, welche konkreten Tätigkeiten der Kläger als Überstunden für die Beklagte erbracht hat. Nach dem Einwand der Beklagten, der Kläger habe in erheblichem Maße Bereitschaftsdienst geleistet, hätte der Kläger konkret vortragen müssen, wann er welche Tätigkeiten als Überstunden geleistet hat und ob diese auf Anordnung der Beklagten erfolgt sind oder von dieser gebilligt oder geduldet wurden. Hiermit werden die Anforderungen an die Substantiierung auch nicht überspannt, sondern deswegen hoch angesetzt, weil elfstündige Arbeitsleistungen auf Grund der ständigen Wiederholung des Programms sehr unwahrscheinlich erscheinen (so bereits Senat 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – sowie – 5 AZR 371/01 – nv.).

V. Soweit der Kläger Bereitschaftsdienst geleistet hat, kommt ihm die Richtlinie des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (93/104/EG) vom 23. November 1993 – ABl. EG Nr. L 307 vom 13. Dezember 1993 S 18 – nicht zugute.

1. Nach deren Artikel 2 Ziff. 1 ist Arbeitszeit iSd. Richtlinie jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Zwar hat der EuGH mit Urteil vom 3. Oktober 2000 (– Rs C 303/98 – Simap – AP EWG-Richtlinie Nr. 93/104 Nr. 2 = NZA 2000, 1227) entschieden, daß ein ärztlicher Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung insgesamt als Arbeitszeit und ggf. als Überstunden im Sinne der Richtlinie anzusehen sei. Doch hat der EuGH vergütungsrechtliche Konsequenzen bisher nicht gezogen. Insoweit hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts (29. November 2001 – 4 AZR 736/00 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 288, zu II 5 c bb der Gründe) angenommen, die Entscheidung des EuGH betreffe allein die Frage, ob Bereitschaftsdienst Arbeitszeit im Sinne des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes sei (vgl. auch LAG Schleswig-Holstein 18. Dezember 2001 – 1 Sa 116 b/01 – DB 2002, 693).

2. Der Senat braucht zu der Frage, ob die Ableistung von Bereitschaftsdienst unter europarechtlichen Gesichtspunkten eine Vergütung nach Maßgabe der regulären Arbeitszeit erfordert, nicht Stellung zu nehmen. Die Richtlinie 93/104/EG findet auf den Kläger keine Anwendung.

a) Die genannte Richtlinie findet nach ihrem Artikel 1 Abs. 3 mit bestimmten Ausnahmen Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG vom 12. Juni 1989 (ABl. EG Nr. L 183 vom 29. Juni 1989 S 1). Die Richtlinie 89/391/EWG findet nach ihrem Art. 2 Abs. 2 keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, zB bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen. In diesen Fällen ist dafür Sorge zu tragen, daß unter Berücksichtigung der Ziele der Richtlinie eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet sind. Zum Anwendungsbereich der Richtlinien hat der EuGH im Urteil vom 3. Oktober 2000 (aaO) unter Nr. 32 – 36 ausgeführt, die Ausnahme nach Art. 2 Abs. 2 der Grundrichtlinie beziehe sich auf bestimmte spezifische Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten sollen und für ein geordnetes Gemeinwesen unentbehrlich sind (ebenso EuGH 3. Juli 2001 – Rs C 241/99 – AuR 2001, 355).

b) Diese Ausnahme erstreckt sich demnach gerade auch auf den Bereich der Feuerwehr. Hauptaufgabe der Feuerwehr ist die Brandbekämpfung sowie der Schutz vor unvorhersehbaren Gefährdungen, wie etwa Umwelt- oder Naturkatastrophen. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem geordneten Gemeinwesen ist die Wahrnehmung dieser Katastrophenschutzaufgaben unentbehrlich. Wortlaut und Zweck der Ausnahmevorschrift sind damit so eindeutig, daß kein vernünftiger Zweifel an der Zuordnung der Feuerwehren zu den Katastrophenschutzdiensten besteht. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts ist davon auszugehen, daß dies innerhalb der Mitgliedstaaten der EU einheitlich so gesehen wird, weshalb es einer Vorlage an den EuGH nicht bedarf. Wollte man die Feuerwehr nicht als Katastrophenschutzdienst ansehen, bliebe keine tatsächlich relevante Ausnahme mehr übrig. Die Tätigkeit des Klägers betrifft gerade auch den spezifischen Katastrophenschutzeinsatz.

VI. Der Kläger hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Sappa, Kremser

 

Fundstellen

Dokument-Index HI927735

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