Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Anwendung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei dauernder krankheitsbedingter Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 2; Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Niedersächsischen Metallindustrie § 21 Ziff. 7

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 22.11.1994; Aktenzeichen 6 Sa 1013/94)

ArbG Braunschweig (Urteil vom 23.02.1994; Aktenzeichen 2 Ca 781/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 22. November 1994 – 6 Sa 1013/94 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger (geboren am 14. Juni 1940) war bei der Beklagten seit dem 3. Juni 1970 als angelernter Rohrschlosser zu einem Bruttomonatslohn von zuletzt 3.900,-- DM beschäftigt; aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit sind die Parteien an den Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Niedersächsischen Metallindustrie (MTV) vom 18. Mai 1990 gebunden. Der Kläger ist Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 90; seit dem 30. Januar 1992 ist er durchgehend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte hatte dem Kläger am 18. Juni 1993 erstmals fristgerecht aus Krankheitsgründen gekündigt, nachdem die Hauptfürsorgestelle auf den Antrag der Beklagten vom 17. März 1992 der beabsichtigten Kündigung am 21. Mai 1993 zugestimmt hatte. Dem Zustimmungsbescheid war eine Einigungsverhandlung vom 19. Mai 1992 vorausgegangen, derzufolge das Ergebnis einer Kur des Klägers bis zum 1. September 1992 und das Gutachten des Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienstes (BAD) abgewartet werden sollte. Bei dem erneuten erfolglos gebliebenen Einigungsgespräch vom 17. März 1993 lag das BAD-Gutachten vor, wonach der Kläger nicht mehr vollschichtig und lohnbringend auch nur für leichte körperliche Arbeiten einsetzbar ist. Die fristgerechte Kündigung nahm die Beklagte im Vorprozeß (– 2 Ca 469/93 – Arbeitsgericht Braunschweig) zurück, nachdem sie hatte feststellen müssen, daß der Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung gemäß § 21 Ziff. 7 MTV vier Tage vor Zugang der Kündigung sein 53. Lebensjahr vollendet und deshalb wegen seiner mehr als 12jährigen Betriebszugehörigkeit insofern unkündbar war, als “das Arbeitsverhältnis nur noch aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegendem wichtigen Grunde oder bei Vorliegen eines für den betroffenen Arbeitnehmer geltenden Sozialplanes gekündigt werden” kann.

Die Beklagte beantragte daraufhin erneut, und zwar unter dem 20. September 1993, nunmehr zur außerordentlichen Kündigung des Klägers die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle, die mit Bescheid vom 11. Oktober 1993 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrates mit Schreiben vom 19. Oktober 1993 und Widerspruch des Betriebsrates vom 22. Oktober 1993 kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 22. Oktober 1993 aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist von drei Monaten zum Quartalsende und damit zum 31. März 1994.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet und im übrigen nur dann zulässig, wenn über die Ungewißheit wegen der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit hinaus eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliege. Er meint, die Beklagte habe spätestens mit dem 17. März 1992, als sie den ersten Antrag an die Hauptfürsorgestelle stellte, Kenntnis von den Dauergründen für die Kündigung gehabt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 1993 nicht beendet wird.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, aufgrund des BAD-Gutachtens stehe fest, daß der Kläger im Betrieb nicht mehr beschäftigt werden könne, und zwar schon aus Fürsorgegründen, um seine Restgesundheit nicht weiter zu schädigen. Nach dem Gutachten stehe auch ein leidensgerechter Arbeitsplatz bei ihr nicht zur Verfügung. Die Kündigung sei auch nicht verfristet, weil von einem Dauerzustand auszugehen sei; im übrigen habe der Kläger auch gewußt, daß sie, die Beklagte, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses anstrebte.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), damit das Landesarbeitsgericht abschließend über die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung entscheidet, denn diese ist nicht schon gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine entgegenstehende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die außerordentliche Kündigung sei unwirksam, weil die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei deren Ausspruch am 22. Oktober 1993 bereits abgelaufen gewesen sei. Die Ausschlußfrist habe zwar nicht bereits mit Kenntnis des BAD-Gutachtens, jedenfalls aber mit Vollendung des 53. Lebensjahres des Klägers am 14. Juni 1993 zu laufen begonnen, weil der Kläger ab diesem Tage unter die tarifliche Unkündbarkeitsregelung fiel und daher nur noch außerordentlich kündbar gewesen sei. Da die Beklagte bereits seit dem 17. März 1992 das Kündigungsverfahren gegenüber dem Kläger betrieb, habe sie in Kenntnis des Geburtsdatums des Klägers und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit den Zeitpunkt des Eintritts der Unkündbarkeit rechtzeitig ermitteln müssen und nach Zustellung des Zustimmungsbescheides zur fristgerechten Kündigung am 25. Mai 1993 das Arbeitsverhältnis noch ordentlich aufkündigen können.

II. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe die Bestimmung des § 626 Abs. 2 BGB falsch angewendet, indem es die dauernde Unmöglichkeit des Klägers, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, nicht als sog. Dauertatbestand angesehen habe, bei dem die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB erst mit der Beendigung dieses Zustandes zu laufen beginne.

1. Die außerordentliche Kündigung ist nicht schon – wie das Landesarbeitsgericht annimmt – wegen Versäumung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Gemäß § 626 Abs. 2 BGB beginnt die Zwei-Wochen-Frist, innerhalb derer eine außerordentliche Kündigung zu erklären ist, mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

a) Bei Krankheit des Arbeitnehmers wird in der Literatur teilweise davon ausgegangen, die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginne nicht erst mit Beendigung der Erkrankung, sondern bereits dann, wenn der Arbeitgeber sichere Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen habe (KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 227, 228; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 8. Aufl., S. 117; Stahlhacke/ Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 481; a.A. MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rz 187, 200; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl., S. 254).

Hiervon ist auch der Senat in seiner Entscheidung vom 9. Juli 1964 (– 2 AZR 419/63 – AP Nr. 52 zu § 626 BGB, zu 2a der Gründe) in einem Fall ausgegangen, in dem der unkündbare Arbeitnehmer allerdings laut Bahnarztgutachten noch leichtere Arbeiten im Innendienst ausführen konnte. Er hat angenommen, für den Beginn der Frist sei der Zeitpunkt maßgeblich, in dem für den Arbeitgeber feststehe, daß für den Arbeitnehmer auch andere zumutbare Arbeitsplätze nicht vorhanden seien.

b) Bei der hier vorliegenden dauernden Unfähigkeit, die vertraglichen Dienste erbringen zu können, handelt es sich um einen Dauertatbestand, bei dem es für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ausreicht, daß er in den letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung angehalten hat (offengelassen im Senatsurteil vom 4. Februar 1993 – 2 AZR 469/92 – EzA § 626 BGB n.F. Nr. 144).

aa) Es würde schon dem allgemeinen Sprachempfinden widersprechen, auf der einen Seite als personenbedingten Kündigungsgrund die dauernde Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, anzuerkennen, andererseits aber davon auszugehen, es handle sich um einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen und nicht mehr fortwirkenden, also keinen andauernden Tatbestand.

bb) Es liegt vielmehr ein Dauer-Störtatbestand vor (siehe auch Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 153), bei dem zumindest zusätzliche Umstände fortwirkend eintreten. Der Beginn der Frist ist in diesen Fällen nicht eindeutig fixierbar. Selbst wenn die zum Kündigungsgrund zählende sog. negative Prognose (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 9. September 1992 – 2 AZR 190/92 – AP Nr. 3 zu § 626 BGB Krankheit, zu II 2d der Gründe) noch zeitlich näher bestimmbar ist – hier mit dem Gutachten des Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienstes –, so gilt dies jedenfalls nicht für die nach der Rechtsprechung weiter erforderliche erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Die Rechtsprechung (vgl. BAG Urteile vom 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 399/91 – AP Nr. 30, aaO, zu III 3a der Gründe und vom 19. Mai 1993 – 2 AZR 539/92 – n. v., zu II 1e bb der Gründe) hat die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen in diesem Fall einer krankheitsbedingten Kündigung gerade darin gesehen, daß der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert wird, sein Direktionsrecht auszuüben; der Arbeitgeber könne den Arbeitnehmer schon allein hinsichtlich der Bestimmung von Zeit und Reihenfolge der Arbeit nicht mehr frei einsetzen; eine irgendwie geartete Planung seines Einsatzes sei – hier nach mehr als 1 1/2jährigem Fehlen – ebensowenig möglich wie der Einsatz von Vertretungskräften. Selbst der befristete Einsatz von Aushilfskräften wird angesichts der nach § 1 BeschFG auf 18 Monate beschränkten Möglichkeit erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, wenn solche Aushilfskräfte einen Anspruch auf einen Dauerarbeitsplatz geltend machen. Der Arbeitgeber kann dann aber nicht gehindert werden, mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers auf Dauer einen anderen Arbeitnehmer zu beauftragen (Senatsurteil vom 19. Mai 1993, aaO). Aber selbst dann müßte er gewärtigen, daß der erkrankte Arbeitnehmer eines Tages – wenn auch möglicherweise nur eingeschränkt – wieder arbeitsfähig wird (z. B. wegen einer Genesung aufgrund neuer medizinischer Methoden), oder daß ein leidensgerechter Arbeitsplatz, wie er derzeit für den Kläger nicht vorhanden ist, frei wird oder zur Verfügung gestellt werden kann, so daß damit eine Einsatzmöglichkeit eröffnet wird und damit der Dauerzustand wegfällt. Schon dies zeigt, daß in diesen Fällen von einem – zumindest zunächst – fortwirkenden Dauerzustand auszugehen ist, der insbesondere von den jeweiligen Überbrückungsmöglichkeiten des Arbeitgebers beeinflußt wird und auch von anderen Faktoren (Art und Dauer der Erkrankung usw.) abhängig ist. Nähme man das Gegenteil an, würde der Arbeitgeber unnötig zu möglichst frühzeitiger Kündigung angehalten, was den Bestandsschutz eher schmälern als verbessern würde. Mit Recht läßt die Beklagte darauf hinweisen, daß die Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Arbeitsverhältnis in die Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ebenfalls erschwert bzw. unmöglich gemacht würde, wenn ein entsprechendes Zuwarten des Arbeitgebers mit der Anwendung der Ausschlußfrist sanktioniert würde.

Es geht also nicht um einen Sachverhalt, der es dem Arbeitgeber ermöglicht, davon bei ihm gutdünkender Gelegenheit Gebrauch zu machen, wogegen auch verfassungsrechtliche Bedenken bestünden (vgl. BVerfG Beschluß vom 21. April 1994 – 1 BvR 14/93 – EzA Art. 20 Einigungsvertrag Nr. 32, zu III 1 der Gründe). Vielmehr verursacht eine dauernde krankheitsbedingte Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, beim Arbeitgeber fortlaufend neue Schwierigkeiten.

cc) Letztlich entspräche die Anwendung der Ausschlußfrist in einem Fall wie dem vorliegenden auch nicht Sinn und Zweck des § 626 Abs. 2 BGB, der dem Arbeitnehmer zeitlich begrenzt Rechtsklarheit verschaffen soll, ob ein bestimmter Sachverhalt die Folge der außerordentlichen Kündigung nach sich zieht. Es entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. BAG Beschluß vom 9. Januar 1986 – 2 ABR 24/85 – AP Nr. 20 zu § 626 BGB Ausschlußfrist; BAG Urteil vom 29. Juli 1993 – 2 AZR 90/93 – AP Nr. 31, aaO, zu II 1a der Gründe; KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 219; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rz 164; Stahlhacke/Preis, aaO, Rz 472; Staudinger/Neumann, § 626 BGB Rz 70 f.), daß durch § 626 Abs. 2 BGB der allgemeine materiell-rechtliche Verwirkungseinwand konkretisiert wird. Zum Verwirkungstatbestand gehört aber, daß ein schutzwürdiges Vertrauen des Kündigungsgegners enttäuscht würde, wenn er trotz Kenntnis des Kündigungsberechtigten von kündigungsrelevanten Tatsachen und im Vertrauen auf dessen Nichtreaktion seinerseits einen möglichen Arbeitsplatzwechsel unterließ, später jedoch gleichwohl die Kündigung erhielte. Ein schutzwürdiges Verhalten ist im allgemeinen schon deshalb nicht anzuerkennen, weil der langfristig erkrankte Arbeitnehmer weiß, daß mit jedem weiteren Tag des Arbeitsausfalls die Belastung des Arbeitgebers steigt, auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers verzichten und weitere Dispositionen und Überbrückungsmaßnahmen treffen zu müssen. Vorliegend war im übrigen dem Kläger seit dem ersten Antrag der Beklagten an die Hauptfürsorgestelle vom 17. März 1992 bekannt, daß sich die Beklagte wegen der andauernden Erkrankung von ihm trennen wollte, daß man dann auf Vermittlung der Hauptfürsorgestelle das Ergebnis der berufsgenossenschaftlichen arbeitsmedizinischen Begutachtung abwarten wollte, wobei die Beklagte die nach erster Zustimmung der Hauptfürsorgestelle vom 21. Mai 1993 alsdann ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 18. Juli 1993 nur deshalb im Vorprozeß (– 2 Ca 469/93 – Arbeitsgericht Braunschweig) anläßlich der Güteverhandlung im September 1993 zurücknahm, weil der Kläger inzwischen seit 14. Juni 1993 “unkündbar” geworden war. Nachdem dieser Sachverhalt im Vorprozeß bekannt wurde, hat die Beklagte die (erste) ordentliche Kündigung zurückgenommen und unter dem 20. September 1993 einen neuen Antrag an die Hauptfürsorgestelle gestellt. Wenn das Landesarbeitsgericht hierzu meint, die Beklagte habe einen Fristenkalender – jedenfalls in Bezug auf den Kläger – führen müssen, um den Eintritt der Unkündbarkeit zu ermitteln und rechtzeitig handeln zu können, so würde dies gerade dem erwünschten Schutzzweck der tariflichen Unkündbarkeit widersprechen, und die Beklagte müßte sich gegebenenfalls noch entgegenhalten lassen, den Eintritt der Unkündbarkeit wider Treu und Glauben verhindert zu haben (vgl. BAG Urteile vom 16. Oktober 1987 – 7 AZR 204/87 – BAGE 57, 1 = AP Nr. 2 zu § 53 BAT, mit Anm. von Clemens und vom 20. Juli 1989 – 2 AZR 515/88 – RzK I 8 f Nr. 8 = EzBAT § 53 BAT Nr. 12). Tatsächlich wird auch im Regelfall ein Arbeitnehmer, je länger die Krankheit dauert, um so eher mit einer Kündigung des Arbeitgebers rechnen, und zwar in der Erkenntnis, daß langfristige Überbrükkungen krankheitsbedingten Fehlens immer schwieriger werden, auf Dauer niemand unersetzlich ist und daß angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt andere arbeitslose Arbeitnehmer in die nicht besetzten Stellen drängen. Der gesetzliche Verwirkungstatbestand des § 626 Abs. 2 BGB ist daher vorliegend nicht gegeben.

2. Damit steht aber noch nicht fest, ob die Kündigung vom 22. Oktober 1993 unter Berücksichtigung von § 21 Abs. 7 MTV, § 626 BGB gerechtfertigt ist. Das Landesarbeitsgericht hat – von seinem Standpunkt aus konsequent – zu den von der Rechtsprechung (vgl. oben zu II 1b) erarbeiteten Prüfungskriterien (vgl. zuletzt auch BAG Urteil vom 12. Juli 1995 – 2 AZR 762/94 – AP Nr. 7 zu § 626 BGB Krankheit, zu II 4 der Gründe) weder ausreichende Feststellungen getroffen, noch eine Würdigung, insbesondere der wechselseitigen Interessenagesichtspunkte vorgenommen. Dem Senat liegt nicht einmal das Gutachten des Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienstes vor; auch die Art der Erkrankung und die Krankheitsursachen sind nicht aktenkundig. Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht selbst in der Sache entscheiden; die endgültige Würdigung muß deshalb dem Tatsachengericht vorbehalten bleiben.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Bröhl, Thelen, Beckerle

 

Fundstellen

Haufe-Index 872467

BB 1996, 1722

NJW 1997, 1656

NZA 1996, 871

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