Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Eingruppierung. Bewährungszeiten

 

Normenkette

Manteltarifvertrag von 24. September 2004 zwischen der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG sowie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (MTV Pro Seniore) §§ 11, 12, 12b, Anlage B

 

Verfahrensgang

LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 28.02.2007; Aktenzeichen 15 Sa 1966/06)

ArbG Berlin (Urteil vom 30.08.2006; Aktenzeichen 78 Ca 8628/06)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Februar 2007 – 15 Sa 1951/06 und – 15 Sa 1966/06 – insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Zahlung von mehr als 4.345,24 Euro nebst Zinsen verurteilt hat, und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. August 2006 – 78 Ca 8628/06 – teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.345,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

b) Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.

c) Die Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin zu drei Vierteln und die Beklagte zu einem Viertel, die Kosten der Berufungsinstanz die Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel zu tragen.

2. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Entlohnung der Klägerin.

Die am 6. August 1975 geborene Klägerin ist staatlich geprüfte Krankenpflegehelferin. Sie wurde von der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 12./30. Juni 1999 mit Wirkung vom 1. September 1999 eingestellt und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. Januar 2007 als Altenpflegehelferin beschäftigt. Die Klägerin ist seit Oktober 2004 Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

Am 24. September 2004 unterzeichneten die Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG (Pro Seniore AG) und die Gewerkschaft ver.di verschiedene Tarifverträge, nämlich den Manteltarifvertrag (MTV) mit den Anlagen A und B, den Tarifvertrag über eine Zuwendung und den Vergütungstarifvertrag Nr. 1. Der betriebliche Geltungsbereich der Tarifverträge wurde – in teilweise voneinander abweichenden Formulierungen – auf die in der Anlage A zum MTV auf die im Einzelnen aufgeführten 21 zum Konzern der Pro Seniore AG gehörenden Seniorenbetriebsgesellschaften, darunter auch die Beklagte, mit insgesamt ebenfalls aufgeführten 96 “Residenzen” (Einrichtungen) erstreckt.

Die Beklagte zahlte der Klägerin auch nach Inkrafttreten des MTV und des Vergütungstarifvertrages unverändert die bisherige monatliche Vergütung iHv. 1.675,40 Euro brutto weiter.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie nach der Anlage B – Pflegepersonal – zum MTV in der Zeit von Januar bis einschließlich August 2005 in der VergGr. Ap III Fallgruppe 1 eingruppiert gewesen sei. Die hierfür erforderliche zweijährige Bewährungszeit habe sie bereits am 1. September 2001 zurückgelegt, da die Bewährungszeit mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. September 1999 zu laufen begonnen habe. Es komme auf die tatsächliche Bewährung in der Tätigkeit an. Ab dem 1. September 2005 sei sie in der VergGr. AP IV Fallgruppe 2 eingruppiert gewesen. Zum gleichen Zeitpunkt sei auch die Betriebszugehörigkeitsstufe 4 erreicht worden. Aus dieser Eingruppierung ergebe sich für den Streitzeitraum bis zum 31. Januar 2007 eine – rechnerisch unstreitige – Differenz von insgesamt 8.797,13 Euro brutto.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.797,13 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 7. Februar 2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat – soweit für die Revision noch von Interesse – zuletzt noch die Auffassung vertreten, zur Zahlung von mehr als 4.345,24 Euro brutto sei sie nicht verpflichtet, da nur dieser Betrag sich aus der nach Ansicht der Beklagten zutreffenden Eingruppierung in VergGr. Ap II bis zum 31. Dezember 2006 und in VergGr. Ap III für den Monat Januar 2007 ergebe. Die im Tätigkeitsmerkmal der VergGr. Ap III Fallgruppe 1 tariflich vorgesehene Bewährungszeit in der niedrigeren Vergütungsgruppe könne erst mit Inkrafttreten des MTV zu laufen beginnen.

Das Arbeitsgericht hat – soweit für die Revision von Interesse – die Eingruppierung der Klägerin in der VergGr. Ap II als zutreffend angesehen und entsprechend den zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils eingeklagten und fälligen Vergütungsdifferenzen bis einschließlich Juli 2006 unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von 3.158,57 Euro brutto verurteilt. Das Landesarbeitsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil diesbezüglich ab und verurteilte die Beklagte nach dem Klageantrag. Mit der zunächst unbeschränkt eingelegten Revision, die die Beklagte dann auf den 4.345,24 Euro brutto übersteigenden Betrag beschränkt hat, begehrt die Beklagte die Klageabweisung im Übrigen. Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist im zuletzt noch aufrechterhaltenen Umfang begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise zu Unrecht stattgegeben. Die tarifliche Bewährungszeit der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Altenpflegehelferin hat erst mit Inkrafttreten des MTV am 1. Januar 2005 begonnen. Davor liegende Zeiten einer solchen Tätigkeit sind nicht zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass die Klägerin Vergütungsansprüche aus VergGr. Ap III nur für den Monat Januar 2007 hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung – kurz zusammengefasst – damit begründet, dass die Vergütung der Klägerin sich, wie von ihr begehrt, bereits seit dem 1. Januar 2005 nach der VergGr. Ap III – und entsprechend ab dem 1. September 2005 nach VergGr. Ap IV – richte, da die Bewährungszeit als Altenpflegehelferin nicht erst seit Inkrafttreten des MTV, sondern bereits seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Beklagten im Jahre 1999 zu berechnen sei. Führe ein Tarifvertrag erstmals Bewährungsaufstiege neu ein, dann könnten regelmäßig Zeiten, die vor Inkrafttreten des Tarifvertrages liegen, bei Zurücklegen der Bewährungszeiten mit berücksichtigt werden. Wollten die Tarifvertragsparteien von dieser Regel ausnahmsweise abweichen, dann müssten sie dies deutlich zum Ausdruck bringen. Dies sei beim MTV nicht der Fall gewesen. Wenn man auf die Formulierung des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. Ap III Fallgruppe 1 abstelle, das die Bewährung “in VG Ap II, FG 1” verlange, werde die Bedeutung des Wortlauts überdehnt. Die ansonsten erfolgende Gleichsetzung eines seit 30 Jahren tätigen Arbeitnehmers mit einem am 1. Januar 2005 eingestellten und frisch ausgebildeten Arbeitnehmer halte die Kammer nicht für vertretbar.

II. Die Revision rügt diese Ausführungen zutreffend als rechtsfehlerhaft. Die vom Tätigkeitsmerkmal vorausgesetzte Bewährung “in VG Ap II, FG 1” kann erst ab Inkrafttreten des zu Grunde liegenden Tarifvertrages zu laufen beginnen. Danach war die Klägerin nur im Monat Januar 2007 in der VergGr. Ap III eingruppiert und hat nur für diesen Zeitraum einen entsprechenden Zahlungsanspruch.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der MTV kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Die Beklagte ist als tarifvertragsschließende Partei beim Abschluss des Tarifvertrages von der Konzernmuttergesellschaft wirksam vertreten worden (vgl. dazu Senat 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 – NZA 2008, 713, 715). Die Klägerin war im Streitzeitraum jedenfalls bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di.

2. Die sich aus der Geltung des Tarifvertrages für das Arbeitsverhältnis der Parteien für die Eingruppierung der Klägerin ergebenden Vorschriften lauten:

“§ 12

Eingruppierung

1. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlage B). Der Arbeitnehmer erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in die er eingruppiert ist.

2. Der Arbeitnehmer ist in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.

Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen.

…”

Die in § 12 Ziff. 1 Satz 1 MTV in Bezug genommene Anlage B lautet auszugsweise wie folgt:

“Anlage B zum Manteltarifvertrag vom 24.09.2004

Pflegepersonal

Vergütungsgruppe Ap II

1. Altenpflegehelferinnen mit entsprechender Tätigkeit

2. …

Vergütungsgruppe Ap III

1. Altenpflegehelferinnen nach zweijähriger Bewährung in VG Ap II, FG 1

Vergütungsgruppe Ap IV

1. Altenpflegerinnen mit entsprechender Tätigkeit

2. Altenpflegehelferinnen

nach vierjähriger Bewährung in der jeweiligen Fallgruppe,

frühestens jedoch nach sechsjähriger Berufstätigkeit nach Erlangung der staatlichen Erlaubnis”

3. Danach war die Klägerin vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2006 in der VergGr. Ap II eingruppiert. Erst seit dem 1. Januar 2007 war sie nach Vergütungsgruppe Ap III zu vergüten.

a) Die Auslegung eines Tarifvertrages durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 22. Oktober 2002 – 3 AZR 468/01 – AP TVG § 1 Auslegung Nr. 184 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 36). Dabei folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder die praktische Tarifübung ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (ständige Rechtsprechung, zB Senat 30. Mai 2001 – 4 AZR 269/00 – BAGE 98, 35, 38 f.; 7. Juli 2004 – 4 AZR 433/03 – BAGE 111, 204, 209).

b) Bei Fallgruppen, die – wie die vorliegend entscheidungserheblichen – in der Weise aufeinander aufbauen, dass sich der Angestellte in der im Tätigkeitsmerkmal der niedrigeren Vergütungsgruppe geforderten Tätigkeit eine gewisse Zeit lang bewährt haben muss, ist zunächst zu prüfen, ob der Angestellte die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppe – hier der VergGr. Ap II – erfüllt, und anschließend, ob das Merkmal der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppe – hier der VergGr. Ap III – vorliegt.

c) Ausweislich der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin unstreitig als Altenpflegehelferin beschäftigt worden. Dies entspricht im Grundsatz der Eingruppierung in der VergGr. Ap II der Anlage B – Pflegepersonal – zum MTV. Hiergegen erhebt die Revision auch keine Einwände mehr.

d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verweist die Revision jedoch zu Recht darauf, dass die Klägerin nicht bereits zum 1. Januar 2005 in der VergGr. Ap III der Anlage B zum MTV eingruppiert war. Denn die hierfür tariflich vorgesehene Bewährungszeit in der VergGr. Ap II Fallgr. 1 konnte nicht vor dem 1. Januar 2005 beginnen. Diese Auffassung hat der Senat in seiner eine andere Einrichtung der Pro-Seniore-Gruppe betreffenden Entscheidung vom 17. Oktober 2007 (– 4 AZR 1005/06 – NZA 2008, 713, 715 ff.) ausführlich begründet. Der Senat sieht auch nach nochmaliger Überprüfung keinen Anlass, hiervon abzugehen.

aa) Tarifvertragsparteien bestimmen selbst über die tarifliche Bewertung von Vorbeschäftigungszeiten und früheren Tätigkeiten. Sie sind dabei weitgehend frei. Die Tarifvertragsparteien der Pro-Seniore-Tarifverträge haben sowohl hinsichtlich der Beschäftigungszeit bei der Bestimmung der Vergütungsstufe innerhalb einer Vergütungsgruppe als auch bei der tariflichen Höhergruppierung aufgrund vergangener Tätigkeiten differenzierte Regelungen getroffen. So ist nicht nur im MTV die Beschäftigungszeit in mehrfacher Hinsicht abgestuft definiert, nämlich als Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber (§ 11 Ziff. 1 MTV), der Tätigkeit bei der Pro Seniore AG oder deren Tochtergesellschaften (§ 12b Ziff. 1, § 11 Ziff. 2 MTV) und Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern (§ 12b Ziff. 2 Satz 2 MTV). Auch im Bereich der Tätigkeitsmerkmale in der Anlage B zum MTV selbst sind unterschiedlich bewertete Tätigkeitszeiten definiert. So ist für die Eingruppierung von Altenpflegehelferinnen in der VergGr. Ap IV Fallgruppe 2 eine mindestens “sechsjährige Berufstätigkeit nach Erlangung der staatlichen Erlaubnis” als Voraussetzung genannt. Die Anforderungen an die Bewährungstätigkeit in der niedrigeren Vergütungsgruppe sind ebenfalls unterschiedlich. So wird teilweise die “Tätigkeit” in einer bestimmten Fallgruppe der niedrigeren Vergütungsgruppe gefordert (zB VergGr. Ap VI Fallgr. 1 und 2), in anderen Fällen die “Bewährung” in einer solchen Fallgruppe (zB VergGr. Ap VII Fallgr. 1 und 4). Bei den gewerblichen Arbeitnehmern wird in der VergGr. IXb Fallgr. 2 vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer eine “einjährige Tätigkeit in der Vergütungsgruppe X” absolviert hat, also nicht spezifiziert auf eine der dort geregelten insgesamt sechs Fallgruppen. Auch die VergGr. VII Fallgr. 3 verlangt von den aufstiegsberechtigten Arbeitnehmern der VergGr. VIII nur eine Bewährung “in dieser Vergütungsgruppe”. Nach den Kriterien für die Auslegung eines Tarifvertrages als Rechtsnormenwerk ist regelmäßig davon auszugehen, dass Tarifvertragsparteien durch eine unterschiedliche Terminologie auch unterschiedliche Regelungen treffen wollen. So auch hier: aus den unterschiedlichen Begriffen muss geschlossen werden, dass die Tarifpartner sich die Frage der Anrechnung von Tätigkeiten auf die Erfüllung von Tätigkeitsmerkmalen in Aufstiegsgruppen gestellt und differenziert beantwortet haben. Von einer Anerkennung reiner Tätigkeitszeiten außerhalb der Wirksamkeit des MTV sind die Tarifvertragsparteien nicht ausgegangen, auch wenn sie unter nachvollziehbaren Gesichtspunkten durchaus als gleichwertig erscheinen können. Eine solche Entscheidung haben die Gerichte hinzunehmen (Senat 14. April 1999 – 4 AZR 189/98 – BAGE 91, 163, 173 f.). Sie können hier nicht mit eigenen Gerechtigkeitserwägungen eingreifen, die sich ohne nähere Spezifizierung an einer “Vertretbarkeit” orientieren. Gegen höherrangiges Recht verstoßen die Regelungen nicht; insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, bis zu welcher durch Art. 3 GG gezogenen Grenze der Regelungsspielraum der Tarifvertragsparteien geht (vgl. dazu ua. Senat 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277, 289; BAG 27. Mai 2004 – 6 AZR 129/03 – BAGE 111, 8, 13 ff.; Dieterich FS Wiedemann S. 229, 237 ff.); diese wäre durch die vorliegende Regelung in keinem Fall überschritten. Denn die konzernweite Vereinheitlichung von sehr unterschiedlichen Arbeitsbedingungen ist ein hinreichend legitimer Sachgrund, Zeiten einer möglichen Bewährung in einer Tätigkeit erst mit Inkrafttreten des neuen Tarifwerks für alle Beschäftigten der Konzerntochtergesellschaften einheitlich zu regeln und nicht jeweils unterschiedlich davon abhängig zu machen, ob bestimmte Tochtergesellschaften bereits vorher nach einem prinzipiell vergleichbaren allgemeinen Vergütungssystem entlohnt haben, andere jedoch nicht. Gerade dieser Vereinheitlichungszweck liegt dem Abschluss der Tarifverträge zu Grunde. Ein Verlust bereits entstandener Ansprüche ist gemäß § 24 MTV ausgeschlossen.

bb) Dementsprechend hat der Senat in einer anderen Konstellation die Bestimmung des MTV, der für den Bewährungsaufstieg eines Beschäftigungstherapeuten die Bewährung “in der Tätigkeit” vorsieht, entsprechend dem Wortlaut dahingehend ausgelegt, dass diese Bewährungszeit nicht an die (normative) Geltung einer bestimmten Vergütungsordnung gebunden ist, sondern allein an die (beanstandungsfreie) Ausübung der Tätigkeit eines Beschäftigungstherapeuten selbst. Diese Qualifizierung der Tätigkeit ist ebenfalls nicht an den Tarifvertrag gebunden. Wie dargelegt, knüpft der Begriff der “Tätigkeit eines Beschäftigungstherapeuten” an allgemeine, teilweise gesetzlich normierte Voraussetzungen an, nicht jedoch an die Geltung einer Tarifnorm des MTV Pro Seniore. Eine solche Ausübung bedarf daher bereits dem Wortlaut nach nicht der Geltung des Vergütungssystems und der Einordnung dieser Tätigkeit in diese Ordnung (Senat 9. April 2008 – 4 AZR 117/07 –).

cc) Aus demselben Grund ist der Senat auf der anderen Seite jedoch in mehreren Entscheidungen davon ausgegangen, dass in den Fällen, in denen das Tätigkeitsmerkmal die Bewährung in einer bestimmten Vergütungsgruppe und/oder einer bestimmten Fallgruppe verlangt, nach dem tariflichen Wortlaut die normative Geltung der entsprechenden Vergütungsordnung vorausgesetzt wird. Eine solchermaßen bestimmte Bewährungszeit kann daher erst mit Inkrafttreten der zu Grunde liegenden Vergütungsordnung zu laufen beginnen. Eine tarifvertraglich vorgesehene Bewährung in einer bestimmten Fallgruppe kann nur durch Tätigkeiten erfüllt werden, während deren Ausübung der Arbeitnehmer in der genannten Fallgruppe eingruppiert war. Das setzt grundsätzlich die Anwendbarkeit des Tarifvertrages auf das fragliche Arbeitsverhältnis voraus, kann mithin nur durch Tätigkeitszeiten erfüllt werden, die nach Inkrafttreten des Tarifvertrages absolviert worden sind (vgl. dazu ausführlich Senat 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 – Rn. 34 bis 50, NZA 2008, 713, 715 ff.). Dementsprechend ist entgegen dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, dass die Klägerin die für die VergGr. Ap III Fallgruppe 1 vorgesehene Bewährungszeit in der VergGr. Ap II Fallgruppe 1 erst am 31. Dezember 2006 beendet hat und deshalb erst ab dem 1. Januar 2007 in der VergGr. Ap III eingruppiert war.

4. Aus dieser Eingruppierung folgt der von der Revision präzise und zutreffend berechnete Vergütungsdifferenzanspruch der Klägerin für den Zeitraum bis zum 31. Januar 2007, der im Grundsatz auch schon dem arbeitsgerichtlichen Urteil zu Grunde gelegen hat. Danach kann die Klägerin von der Beklagten von Januar bis August 2005 Vergütung nach VergGr. Ap II Stufe 3 verlangen, was zu einer monatlichen Differenz von 148,38 Euro brutto, mithin insgesamt 1.187,04 Euro brutto führt. Ab September 2005 erhöht sich die Differenz wegen des Aufsteigens der Klägerin um eine Vergütungsstufe auf monatlich 179,23 Euro brutto. Bis zum Juli 2006 hatte das Arbeitsgericht insofern zutreffend die Gesamtsumme von 3.158,57 Euro brutto errechnet. Diese Berechnung ist bis zum 31. Januar 2007 fortzuschreiben, so dass für die verbleibenden Monate des Jahres 2006 weiter monatlich 179,23 Euro brutto Vergütungsdifferenz anfallen. Im Januar 2007 war die Klägerin – wie dargelegt – in der VergGr. Ap III eingruppiert, was unter Berücksichtigung der Vergütungsstufe 4 zu einer Differenz von weiteren 290,52 Euro brutto führt. Hieraus ergibt sich der der Klägerin zustehende Gesamtdifferenzanspruch von 4.345,24 Euro brutto nebst Zinsen. Eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieser Summe ist durch die Teilrücknahme der Revision der Beklagten bereits rechtskräftig geworden. Im Übrigen ist deshalb die Klage abzuweisen.

5. Wegen der infolge Teilrechtskraft und Anschlussberufung bereits in den Instanzen wechselnden Streitgegenstände und der Teilrücknahme der Revision war der Tenor des Berufungsurteils unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Revision zur Klarstellung insgesamt neu zu fassen. Dabei ist ferner die Kostenentscheidung des Berufungsurteils, auch soweit es über die erstinstanzlichen Kosten entschieden hat, entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen anzupassen, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 91 Abs. 1, § 565, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

III. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind anteilig nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens unter Berücksichtigung der Teil-Revisionsrücknahme der Beklagten zu verteilen, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 565, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

 

Unterschriften

Bepler, Creutzfeldt, v. Dassel, Dierßen

Der Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Wolter ist wegen Eintritts in den Ruhestand an der Unterschrift verhindert.

Bepler

 

Fundstellen

Haufe-Index 2038298

AP, 0

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge