Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewährungsaufstieg – Anerkennung von Zeiten vor Inkrafttreten des MTV Pro S.. Altenpflegehelferin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Führt ein Tarifvertrag erstmals Bewährungsaufstiege neu ein, dann können regelmäßig die Zeiten, die vor Inkrafttreten des Tarifvertrages liegen, bei der Zurücklegung der Bewährungszeiten mitberücksichtigt werden.

2. Wollen die Tarifvertragsparteien von dieser Regel ausnahmsweise abweichen, dann müssen sie dies deutlich zum Ausdruck bringen (im Anschluss an BAG vom 29.09.1993 – 4 AZR 693/92 – NZA 1994, 761). Dies ist beim MTV Pro S. nicht der Fall.

Hinweis: Die Entscheidung weicht ab von Urteilen der Kammern 4, 6, 8, 13, 16, 17 des Landesarbeitsgerichts Berlin und einer Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 10.11.2006 – 18 Sa 35/06, die alle in Juris veröffentlicht sind. In allen Fällen sind Revisionen beim 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts und in einem Fall beim 10. Senat anhängig.

 

Normenkette

Anlage B zum MTV Pro S. vom 24.09.2004

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 30.08.2006; Aktenzeichen 78 Ca 8628/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.08.2006 – 78 Ca 8628/06 – teilweise abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin insgesamt 8.797,13 EUR (achttausendsiebenhundertsiebenundneunzig 13/100) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 07.02.2007 zu zahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Januar 2007. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Frage, ob Bewährungszeiten auch vor Inkrafttreten eines Konzerntarifvertrages zurückgelegt werden können. Dies ist Gegenstand zahlreicher Parallelrechtstreitigkeiten, die nunmehr als Revisionen beim 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts anhängig sind.

Die Klägerin ist ausgebildete Krankenpflegehelferin. Aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages war sie in der Zeit vom 1. September 1999 bis 31. Januar 2007 bei der Beklagten als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Sie arbeitete durchgängig in einer Altenpflegeeinrichtung, nämlich der Residenz W.. Die Beklagte erstellte im September 2002 ein standardisiertes Anforderungsprofil für die Klägerin (Bl. 63 – 65 d. A.).

Am 24. September 2004 schloss das Konzern-Mutterunternehmen der Beklagten mit der Gewerkschaft ver.di einen Manteltarifvertrag ab, welcher gem. § 1 Abs. 1 Anlage A auch die Beklagte bindet. Am gleichen Tag schlossen die vorgenannten Tarifvertragsparteien auch einen Vergütungstarifvertrag Nr. 1 zum Manteltarifvertrag (im Folgenden: VTV) ab.

Die Klägerin ist seit Oktober 2004 Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte zahlte an die Klägerin weiterhin monatlich 1.675,40 EUR brutto. Dies entsprach der Vergütung vor Inkrafttreten des VTV. Mit Schreiben vom 23. Juni 2005 machte die Klägerin vergeblich ihre Höhergruppierung geltend.

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, dass die Klägerin nach der Vergütungsgruppe AP II zu vergüten ist. Für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2006 hat es die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.158,57 EUR brutto zu zahlen. Weiterhin ist die Beklagte verurteilt worden, der Klägerin fortlaufend eine zusätzliche monatliche Vergütung in Höhe von 179,23 EUR brutto unter der Bedingung zu zahlen, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, längerer Krankheit, unbezahlten Urlaub bzw. unentschuldigten Fehlens entfallen ist. Eine Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe AP III bzw. AP IV sei abzulehnen, da Bewährungszeiten frühestens mit Inkrafttreten des Tarifvertrages zurückgelegt werden könnten. Insofern habe die Klägerin nicht einmal die zweijährige Bewährungszeit für die Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe AP III zurückgelegt.

Das erstinstanzliche Urteil ist dem Klägervertreter am 20. Oktober 2006 zugestellt worden. Die Berufungsschrift nebst Begründung ist am 2. November 2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Beklagten ist das Urteil am 14. Oktober 2006 zugestellt worden. Sie hat mit einem am 7. November 2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 13. Dezember 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass es nur auf die tatsächliche Bewährung bei der Eingruppierung ankommen könne. Insofern hätte die Bewährungszeit vor Inkrafttreten des MTV zurückgelegt werden können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.08.2006 teilweise abzuändern und im Übrigen die Beklagte zu verurteilen, an sie insgesamt 8.797,13 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem ...

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