Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsbegründungsfrist. Verlängerung. Wiedereinsetzung. Fortführung von BAG-Beschluß vom 4. Februar 1994 – 8 AZB 16/93 – zur Veröffentlichung bestimmt

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Prozeßbevollmächtigter kann jedenfalls so lange auf eine positive Entscheidung über seinen Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht vertrauen, als im Vergleich zu einer höchstrichterlichen Rechtsprechung (hier BGH) nicht eine deutlich restriktivere Praxis des Landesarbeitsgerichts in dessen Bezirk bekannt geworden ist.

 

Normenkette

ArbGG § 66 Abs. 1 S. 4; ZPO § 85 Abs. 2, § 224 Abs. 2, §§ 233, 238 Abs. 1, § 294 Abs. 1, § 519 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 22.04.1994; Aktenzeichen 17 Sa 227/94)

ArbG Solingen (Urteil vom 22.01.1993; Aktenzeichen 2 Ca 1905/93)

 

Tenor

  • Auf die Revisionsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. April 1994 – 17 Sa 227/94 – aufgehoben.
  • Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
  • Im übrigen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revisionsbeschwerde – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
 

Tatbestand

I. Der Kläger hat sich mit der Kündigungsschutzklage gegen eine von der Beklagten am 5. August 1993 ausgesprochene fristlose Kündigung gewandt und die Beklagte auf Zahlung von Vergütung aus Annahmeverzug in Höhe von 13.828,50 DM in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 22. Dezember 1993 hat das Arbeitsgericht dem Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von 768,25 DM zuerkannt und die Kündigungsschutzklage sowie die weitergehende Zahlungsklage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das ihm am 19. Januar 1994 zugestellte Urteil am 10. Februar 1994 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 7. März, der am 9. März 1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und ausweislich des Kanzleistempels dem Kammervorsitzenden vorgelegt worden ist, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 10. April 1994 beantragt und dazu vorgetragen, im Hinblick auf “außergewöhnliche Arbeitsbelastung” und “wegen der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge” könne die Berufung “nicht fristgemäß” begründet werden. Durch Beschluß vom 10. März 1994 hat das Berufungsgericht diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Rechtsstreit werde verzögert und erhebliche Gründe für eine Verlängerung seien nicht hinreichend dargelegt. Der Beschluß ist ausweislich des Kanzleistempels am 11. März 1994 an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers abgesandt worden.

Mit Schriftsatz vom 15. März 1994, am 17. März 1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangen, hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und in einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, er habe auf die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vertraut. Zugleich hat er die Berufung begründet.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßvertreter habe nicht damit rechnen müssen, daß die Berufungsbegründungsfrist nicht verlängert werde. Dieser habe in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf vertraut, daß dem Verlängerungsantrag stattgegeben werde. Dieses Vertrauen sei vor allem deshalb schützenswert, weil der Prozeßbevollmächtigte über die Anforderungen der Rechtsprechung hinaus eine “außergewöhnliche” Arbeitsbelastung vorgetragen und dazu ausgeführt habe, die “Angelegenheit könne derzeit wegen der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge nicht fristgerecht erledigt werden”. Für den Prozeßbevollmächtigten des Klägers sei auch nicht vorhersehbar gewesen, daß die angerufene Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Gegensatz zu anderen Kammern bei Verlängerungsanträgen eine gegenüber der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs restriktivere Haltung einnehme. Davon sei auch nicht auszugehen gewesen, weil die Grundsätze zu § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO für § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG entsprechend gelten müßten. Die Normen unterschieden sich nur dadurch, daß seit der Novelle des Arbeitsgerichtsgesetzes im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach dem Beschleunigungsgrundsatz nur noch einmal eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist verlangt werden könne. Hieraus folge keine restriktivere Auslegung der Verlängerungsmöglichkeit.

Der Kläger hat beantragt,

  • ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren im Hinblick auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist,
  • unter Aufhebung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Solingen (2 Ca 1905/93) vom 22. Dezember 1993 festzustellen, daß die Kündigung vom 5. August 1993 das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und ihm weder fristlos noch fristgerecht zum 30. September 1993 beendet hat und das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die pauschale Begründung des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Kläger genüge nicht den Anforderungen des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG. Der Kläger müsse sich das Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten auch gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen, die nicht auf eine Fristverlängerung hätten vertrauen dürfen. Zumindest hätten sie sich am letzten Tag der Frist telefonisch erkundigen müssen, ob die beantragte Verlängerung gewährt worden sei.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Beschluß als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revisionsbeschwerde des Klägers, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revisionsbeschwerde ist statthaft (§ 77 Satz 1 ArbGG) und begründet.

1. Dem Kläger ist auf seinen am 17. März 1994 rechtzeitig gestellten Antrag (§ 234 Abs. 2 ZPO) gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er war ohne eigenes oder ihm zurechenbares Verschulden seines Prozeßvertreters (§ 85 Abs. 2 ZPO) verhindert, die versäumte Frist einzuhalten (§ 233 ZPO).

2. Grundsätzlich kann der Beschwerdeführer im Wiedereinsetzungsverfahren nicht mit Erfolg geltend machen, er habe mit der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden rechnen dürfen. Er ist vielmehr mit dem Risiko belastet, daß der Vorsitzende in Ausübung des ihm gemäß § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO bzw. § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG eingeräumten Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch dann versagt, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen (vgl. BGH Beschluß vom 14. Februar 1991 – VII ZB 8/90 – NJW 1991, 1359, m.w.N.). Etwas anderes gilt indessen, wenn der Rechtsmittelführer mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Bewilligung der Fristverlängerung rechnen darf, weil dies dem normalen Lauf der Dinge entspricht (vgl. BGH Beschluß vom 11. Juli 1985 – III ZB 13/85 – VersR 1985, 972; BGH Beschluß vom 14. Februar 1991, aaO, m.w.N.; BAG Beschluß vom 4. Februar 1994 – 8 AZB 16/93 – MDR 1994, 942, 943, zu II 2a der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts durfte der Kläger auf die Bewilligung seines Verlängerungsantrages vertrauen.

a) Zu den Gründen, die im Schrifttum und in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im allgemeinen als “erheblich” im Sinne von § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO und § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG angesehen werden, zählt u.a. die berufliche Überlastung bzw. besonders starke Arbeitsbelastung des Prozeßbevollmächtigten (BGH Beschluß vom 5. Juli 1989 – IVb ZB 53/89 – NJW – RR 1989, 1280; BGH Beschluß vom 7. Mai 1991 – XII ZB 48/91 – NJW 1991, 2080, 2081; Zöller/Schneider, ZPO, 18. Aufl., § 519 Rz 17; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 66 Rz 33).

Darauf hat sich der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der Sache berufen. Er hat vorgetragen, eine “außergewöhnliche Arbeitsbelastung” hindere ihn “derzeit wegen der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge” daran, eine sachgerechte Berufungsbegründung fristgemäß vorzulegen. Der Prozeßbevollmächtigte mußte nicht deshalb mit der vollständigen Ablehnung der Fristverlängerung rechnen, weil er die Gründe dieser “außergewöhnlichen” Arbeitsbelastung und ihre Auswirkungen auf die Bearbeitung gerade der konkreten Sache nicht näher substantiiert und glaubhaft gemacht hat (§§ 224 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).

b) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluß vom 11. Juli 1985, aaO; Beschluß vom 5. Juli 1989, aaO; Beschluß vom 14. Februar 1991, aaO), daß der Anwalt regelmäßig erwarten kann, seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist werde entsprochen, wenn einer der Gründe des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorgebracht wird. Eine Praxis, die generell die im Verlängerungsgesuch vorgetragenen Gründe ohne Glaubhaftmachung für nicht ausreichend hält, bewegt sich nicht mehr im Rahmen zulässiger, am Einzelfall orientierter Ermessensausübung. Auf eine solche Praxis braucht sich der Anwalt grundsätzlich nicht einzustellen (vgl. BGH Beschluß vom 11. Juli 1985, VersR 1985, 972, 973; BVerfG Beschluß vom 28. Februar 1989 – 1 BvR 649/88 – NJW 1989, 1147; BAG Beschluß vom 4. Februar 1994, aaO, zu II 2a bb der Gründe).

c) Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nichts anderes. Wenn § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG im Gegensatz zu § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO ausdrücklich die einmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zuläßt, dient dies dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorherrschenden Grundsatz der Beschleunigung (Germelmann/Matthes/Prütting, aaO, Rz 3), der bei Berufungen in Kündigungsschutzprozessen gemäß § 64 Abs. 8 ArbGG besonders hervorgehoben ist. Daraus lassen sich jedoch keine Schlüsse auf Anforderungen ziehen, die generell und abweichend von § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO an die Darlegung und Glaubhaftmachung erheblicher Gründe für die Fristverlängerung zu stellen wären. Das verdeutlicht bereits der insoweit gleiche Wortlaut beider Vorschriften. Auch sind die in §§ 224 Abs. 2 und 294 Abs. 1 ZPO sowohl im Rahmen von § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO als auch im Zusammenhang mit § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gleichermaßen anzuwenden (BAG Beschluß vom 4. Februar 1994, aaO, zu II 2a bb der Gründe; a.A. LAG Berlin Beschluß vom 26. Januar 1990 – 6 Sa 91/89 – LAGE § 66 ArbGG 1979 Nr. 8).

In der Konsequenz dieses Ergebnisses liegt indes – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – kein Verzicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG in Verbindung mit § 224 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO. Denn weder ist der Antragsteller der Darlegung erheblicher Gründe vollständig enthoben (vgl. LAG Nürnberg Beschluß vom 26. Januar 1994 – 4 Sa 1207/93 – LAGE § 66 ArbGG 1979 Nr. 9) noch ist der Kammervorsitzende im Einzelfall gehindert, eine Substantiierung und Glaubhaftmachung der im Verlängerungsgesuch dargelegten, erheblichen Gründe zu verlangen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die pauschal dargelegten Gründe nicht zutreffen. In diesen Fällen kann das Gericht die Entscheidung über die Fristverlängerung auch nach deren Ablauf wirksam treffen (BAG GS Beschluß vom 24. August 1979 – GS 1/78 – BAGE 32, 71 = AP Nr. 1 zu § 66 ArbGG 1979) oder eine kurze (z.B. dreitägige) Verlängerung der Frist einräumen, sofern dadurch keine Verzögerung des Rechtsstreits eintritt.

d) Die unteren Instanzen der Fachgerichte sind allerdings auch bei der Auslegung und Anwendung von Verfahrensvorschriften nicht gehindert, was eigentlich keiner Hervorhebung bedarf, abweichende Auffassungen zu der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte zu vertreten. Sie sollten jedoch solche Meinungsverschiedenheiten aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zu Lasten des Bürgers austragen und es ihm zum Verschulden gereichen lassen, wenn er auf die Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts vertraut. Eine solche Verfahrensgestaltung beschränkt den Anspruch des Bürgers auf berechenbaren und gleichmäßigen Zugang zu den Gerichten. Nur wenn dem rechtssuchenden Bürger bekannt sein muß, daß eine strenge Handhabung von Verfahrensvorschriften zu erwarten ist, kann eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein (BVerfG Beschluß vom 28. Februar 1989 –, aaO, zu III 2 der Gründe).

Im vorliegenden Fall war das Landesarbeitsgericht aus den genannten Gründen gehindert, dem Kläger das Vertrauen seiner Prozeßbevollmächtigten auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verschulden gereichen zu lassen. Dem Prozeßbevollmächtigten war eine gegenüber der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs restriktivere Handhabung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf bei der Bewilligung von Verlängerungsanträgen nicht bekannt. Er hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, er habe nach seiner Erinnerung in 13jähriger Anwaltstätigkeit erstmals einen Verlängerungsantrag in Arbeitsgerichtssachen gestellt und auf eine positive Entscheidung vertraut. Er mußte die restriktive Spruchpraxis des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Zeitpunkt des Wiedereinsetzungsantrags (17. März 1994) auch nicht kennen, weil diese erst deutlicher bekannt geworden ist, nachdem der Beschluß der 12. Kammer vom 23. Dezember 1993 (12 (11) Sa 1657/93, rechtskräftig) im Juli 1994 veröffentlicht worden ist (DB 1994, 1528 LS; EzA SD 1994 Nr. 16, 8). Im zweiten Leitsatz des veröffentlichten Beschlusses hat die Kammer hervorgehoben, beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf bestehe keine allgemeine Praxis, daß pauschal begründeten Verlängerungsanträgen entsprochen werde. Das Gericht hat zu diesem Leitsatz darauf hingewiesen, der Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Februar 1994 (aaO), in dem eine generell extensive Handhabung der Verlängerungsvorschriften angenommen worden sei, beruhe auf falschem Vortrag des dortigen Berufungsklägers. Andererseits ist dem angefochtenen Beschluß selbst zu entnehmen, daß die Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf nur “überwiegend” eine strengere Handhabung der Verlängerungsvorschriften praktizieren; eine einheitlich restriktive Handhabung gibt es daher wohl ebenfalls nicht.

Die Veröffentlichung des Beschlusses vom 23. Dezember 1993 ist für die Beurteilung des vorliegenden Falles somit ebenso ohne Konsequenz wie die Veröffentlichung des Beschlusses des 8. Senats vom 4. Februar 1994 im Juni 1994 (aaO). Für die Spruchpraxis beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf enthält schließlich auch der veröffentlichte Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 26. Januar 1990 (– 6 Sa 91/89 – LAGE § 66 ArbGG 1979 Nr. 8) keine Aussage. Dieser Beschluß bewirkt allenfalls, daß im Bereich des Landesarbeitsgerichts Berlin nicht darauf vertraut werden kann, pauschal begründeten Verlängerungsanträgen werde stattgegeben.

4. Es gereicht dem Kläger schließlich nicht zum Verschulden (§ 85 Abs. 2 ZPO), daß sein Prozeßbevollmächtigter den Verlängerungsantrag erst am vorletzten Tag der Frist gestellt und sich fernmündlich nicht nach der Entscheidung erkundigt hat. Eine Partei ist grundsätzlich berechtigt, eine Frist bis zum letzten Tag auszuschöpfen. Auch die unter diesen Umständen erhöhten Sorgfaltsanforderungen hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht verletzt, als er zur Begründung seines Antrags lediglich auf die außergewöhnliche Arbeitsbelastung verwiesen hat. Da er daraufhin mit der Verlängerung der Frist rechnen konnte, bestand keine erkennbare Notwendigkeit für eine Rückfrage bei Gericht vor Ablauf der Frist (vgl. BGH Beschluß vom 5. Juli 1989, aaO). Dies mag sich nach der Veröffentlichung des Beschlusses der 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 1993 (aaO) im Juli 1994 anders darstellen.

Im Gegenteil wäre das Gericht im vorliegenden Fall gehalten gewesen, nach § 139 ZPO darauf hinzuweisen, daß es dem Verlängerungsantrag nicht stattgeben will. Diese Pflicht besteht indes nur dann, wenn das Landesarbeitsgericht – wie im vorliegenden Fall – in Abweichung von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und zumindest eines Teils des arbeitsrechtlichen Schrifttums nicht beabsichtigt, dem Verlängerungsantrag zu entsprechen und sich hierzu weder auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts noch auf veröffentlichte Beschlüsse desselben Landesarbeitsgerichts berufen kann. Dieser Hinweis wäre im vorliegenden Fall sogar mit einfacher Post möglich gewesen, da dem Kammervorsitzenden der Antrag ausweislich des Kanzleistempels bereits am 9. März 1994 vorgelegt worden ist. Selbst am letzten Tag der Frist (10. März 1994) hätte der Kammervorsitzende den Hinweis noch geben können. Sofern er sich hierzu des Telefons nicht bedienen wollte, hätte zumindest die Möglichkeit bestanden, dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers einen entsprechenden Hinweis per Telefax zukommen zu lassen. Der Prozeßbevollmächtigte hätte dann entweder in aller Kürze unter Zurückstellung anderer Fristsachen eine Begründung fertigen und dem Gericht per Telefax zukommen lassen oder den Verlängerungsantrag entsprechend einem gerichtlichen Hinweis weiter substantiieren können.

5. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr in der Sache zu entscheiden haben.

 

Unterschriften

Dr. Etzel, Bitter, Bröhl

 

Fundstellen

Haufe-Index 856749

BAGE, 68

BB 1994, 2500

NJW 1995, 1446

JR 1995, 220

NZA 1995, 189

AP, 0

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