Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Revision. gesetzlicher Richter

 

Leitsatz (redaktionell)

Nur wenn die Listenreihenfolge bei der Heranziehung ehrenamtlicher Richter willkürlich nicht eingehalten wird, liegt eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG vor, nicht aber, wenn der auf der Liste nächstaufgeführte ehrenamtliche Richter versehentlich oder irrtümlich übergangen wird.

 

Normenkette

ArbGG §§ 72, 72a, 39 S. 1; GG Art 101 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 30.03.2015; Aktenzeichen 17 Sa 1094/13)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.06.2013; Aktenzeichen 21 Ca 1094/13)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. März 2015 - 17 Sa 1094/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 13.200,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

Die Beschwerde ist unzulŠssig, soweit der KlŠger eine Divergenz und eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehšr rŸgt. Im †brigen ist die Beschwerde unbegrŸndet.

Rz. 2

1. Der KlŠger zeigt keine Divergenz iSv. ¤ 72a Abs. 1 iVm. ¤ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG auf (zu den Anforderungen vgl. BAG 15. Oktober 2012 - 5 AZN 1958/12 - Rn. 10 mwN). Er legt keinen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung dar, der von einem solchen Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen Gerichts iSv. ¤ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abwiche. Er beanstandet vielmehr eine - vermeintlich - fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht. Das reicht nicht aus. Die angestrebte †berprŸfung setzt eine zugelassene Revision voraus (BAG 15. Oktober 2012 - 5 AZN 1958/12 - aaO).

Rz. 3

2. Der KlŠger legt keine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehšr iSv. ¤ 72a Abs. 1, ¤ 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG iVm. Art. 103 Abs. 1 GG dar.

Rz. 4

a) Wird gerŸgt, es sei Vortrag Ÿbergangen oder ein Beweisangebot nicht beachtet worden, muss im Einzelnen dargestellt werden, wo der Ÿbergangene Vortrag oder das Beweisangebot zu finden ist. Der BeschwerdefŸhrer muss deshalb unter Angabe des Schriftsatzes nach Datum und bei entsprechendem Umfang nach Seitenzahl konkret vortragen, welcher Vortrag Ÿbergangen sein soll, bzw. den Beweisantritt mit Thema und Beweismitteln sowie Fundstelle angeben (vgl. BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 19 mwN, BAGE 128, 13). DarŸber hinaus hat der BeschwerdefŸhrer die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehšr darzutun. Hierzu muss nachvollziehbar dargelegt werden, dass das Landesarbeitsgericht nach seiner Argumentationslinie unter BerŸcksichtigung des entsprechenden Gesichtspunkts mšglicherweise anders entschieden hŠtte (BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - aaO).

Rz. 5

b) Das Beschwerdevorbringen lŠsst bereits die erforderliche Konkretisierung der vermeintlich Ÿbergangenen Beweisantritte vermissen. UnabhŠngig davon hat der KlŠger deren Entscheidungserheblichkeit nicht dargetan. Sie liegt auch nicht auf der Hand. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des KlŠgers betreffend eine Nutzung seiner PC-Zugangsdaten durch andere Mitarbeiter der Beklagten als unschlŸssig angesehen. Davor schŸtzt Art. 103 Abs. 1 GG nicht. Die WŸrdigung lŠsst keine sachfremden ErwŠgungen erkennen.

Rz. 6

3. Die Revision ist nicht wegen eines absoluten Revisionsgrundes gemŠ§ ¤ 72a Abs. 1 iVm. ¤ 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, ¤ 547 Nr. 1 ZPO zuzulassen.

Rz. 7

a) Der KlŠger rŸgt eine nicht vorschriftsmŠ§ige Besetzung der Berufungskammer in der Sitzung vom 30. MŠrz 2015. Er meint, die ehrenamtlichen Richterinnen S und M seien unter Missachtung der Reihenfolge einer fŸr das GeschŠftsjahr 2015 - in alphabetischer Reihenfolge - erstellten Liste der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter zu der Verhandlung hergezogen worden. Der Vorsitzende habe Verhinderungsanzeigen von ehrenamtlichen Richtern, die zu vorangegangenen Sitzungstagen heranzuziehen gewesen seien, nicht selbst - wie geboten - entgegen genommen und auf ihre Richtigkeit ŸberprŸft. †berdies sei bei der Ladung ãnachrŸckenderÒ ehrenamtlicher Richter die Listenreihenfolge nicht eingehalten worden. DafŸr verweist der KlŠger auf einen - als solchen nicht beanstandeten - Beschluss des Kammervorsitzenden vom 23. Oktober 2014, der unter I. (1.) - abstrakt generell - die Ladung der ehrenamtlichen Richter in alphabetischer Reihenfolge ihrer Nachnamen festlegt. Unter II. des Beschlusses hei§t es - verkŸrzt -: Ist ein ehrenamtlicher Richter verhindert, der Ladung zur Sitzung zu folgen, ist der nŠchste in der Reihe als Vertreter hinzuzuziehen, der noch nicht zu einer Sitzung geladen ist, bei auch dessen Verhinderung der ŸbernŠchste usw.. Sind alle noch nicht zu einer Sitzung geladenen ehrenamtlichen Richter verhindert, ist der nŠchste in der Reihe als Vertreter hinzuzuziehen, der bereits zu einer Sitzung geladen ist, ist auch dieser verhindert, der ŸbernŠchste usw.

Rz. 8

b) Die RŸge ist unbegrŸndet. Der KlŠger wurde nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen.

Rz. 9

aa) Nach ¤ 39 Satz 1 ArbGG sollen die ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen nach der Reihenfolge einer Liste herangezogen werden, die der Vorsitzende vor Beginn des GeschŠftsjahres oder vor Beginn der Amtszeit neu berufener ehrenamtlicher Richter aufstellt. Damit soll erreicht werden, dass bestimmte allgemeingŸltige, nicht auf die Parteien des einzelnen Rechtsstreits abgestellte GrundsŠtze angewendet werden, nach denen die einzelnen ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen des Landesarbeitsgerichts herangezogen werden (BAG 20. August 2002 - 3 AZR 133/02 - zu III der GrŸnde, BAGE 102, 242; 16. September 1982 - 2 AZR 228/80 - zu I der GrŸnde, BAGE 41, 54). Das Gericht ist an die Liste gebunden; ein †bergehen des als nŠchsten in der Liste aufgefŸhrten ehrenamtlichen Richters ist nur dann zulŠssig, wenn dieser aus tatsŠchlichen oder rechtlichen GrŸnden verhindert ist, an der Sitzung teilzunehmen (Schwab/Weth/Liebscher ArbGG 4. Aufl. ¤ 31 Rn. 20). Allerdings liegt eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht schon dann vor, wenn der auf der Liste NŠchstaufgefŸhrte versehentlich oder irrtŸmlich Ÿbergangen wird, sondern nur dann, wenn die Listenreihenfolge willkŸrlich nicht eingehalten wird (BVerfG 6. Februar 1998 - 1 BvR 1788/97 - zu II 2 b der GrŸnde; GMP/PrŸtting ArbGG 8. Aufl. ¤ 31 Rn. 12 mwN).

Rz. 10

bb) Danach sind die an der anzufechtenden Entscheidung beteiligten ehrenamtlichen Richterinnen nicht unter Versto§ gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG herangezogen worden. Dem Vorbringen des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen KlŠgers ist kein zwingender Anhaltspunkt dafŸr zu entnehmen, dass die erkennende Kammer am 30. MŠrz 2015 nicht vorschriftsmŠ§ig besetzt gewesen wŠre. Auf der - vom KlŠger nicht beanstandeten - Liste der ehrenamtlichen Richter sind die zu der Sitzung vom 30. MŠrz 2015 hinzugezogenen ehrenamtlichen Richterinnen jeweils, entsprechend ihrer Zuordnung zum Kreis der Arbeitnehmervertreter bzw. dem der Arbeitgebervertreter, unter der laufenden Nr. 10 aufgefŸhrt. Beide ehrenamtlichen Richterinnen wurden am 8. Dezember 2014 fŸr den 30. MŠrz 2015 geladen und haben ihre Zusage erteilt. In einer vom KlŠger beigebrachten †bersicht sind vor dem 30. MŠrz 2015 - fŸr das Jahr 2015 - neun weitere planmŠ§ige ãTerminstageÒ vermerkt, darunter ein durchgestrichener, mit dem Zusatz: ãaufgehobenÒ versehener Termin vom 12. Januar 2015. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass einer der unter den Nr. 1 bis 9 der Liste aufgefŸhrten ehrenamtlichen Richter bereits zu einem frŸheren Zeitpunkt als dem 8. Dezember 2014 seine Verhinderung fŸr einen Verhandlungstag angezeigt hŠtte, der vor dem 30. MŠrz 2015 liegt. Das gilt insbesondere fŸr die Besetzung der Berufungskammer am 2. MŠrz 2015. Soweit anstelle des fŸr diesen Verhandlungstag planmŠ§ig vorgesehenen ehrenamtlichen Richters L auf Arbeitgeberseite die ehrenamtliche Richterin S geladen worden ist, erfolgte dies laut entsprechendem Vermerk der GeschŠftsstelle am 15. Dezember 2014 und demzufolge nach der Ladung der ehrenamtlichen Richterin M zur Sitzung am 30. MŠrz 2015. Ob es fŸr die Annahme eines Verhinderungsfalls ausreicht, wenn ein gemŠ§ ¤ 39 Satz 1 ArbGG heranzuziehender Richter gegenŸber einer Mitarbeiterin der GeschŠftsstelle fernmŸndlich erklŠrt, er sei an dem vorgesehenen Sitzungstag voraussichtlich wegen Urlaubs oder anderer Termine verhindert, bedarf hier keiner Entscheidung. Selbst wenn aufgrund solcher UmstŠnde - was bei objektiv gegebener Verhinderung fernliegt - von einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank bei den am 26. Januar 2015 und am 2. MŠrz 2015 durchgefŸhrten Verhandlungen auszugehen wŠre, ergŠbe sich daraus kein Versto§ gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Hinblick auf die vorliegende, am 30. MŠrz 2015 verhandelte Sache. Einmalige Verstš§e gegen Besetzungsvorschriften werden, auch wenn sich durch sie die Reihenfolge der in anderen Verfahren zu ladenden ehrenamtlichen Richter verschiebt, nicht im Sinne eines Versto§es gegen das Gebot des gesetzlichen Richters perpetuiert, wenn fŸr die nachfolgenden Sitzungen in anderen Verfahren die ehrenamtlichen Richter nicht willkŸrlich, sondern ordnungsgemŠ§ geladen worden sind. Ein ãDomino-EffektÒ tritt nicht ein (vgl. BAG 7. Mai 1998 - 2 AZR 344/97 - zu II 5 c bb der GrŸnde mwN, BAGE 88, 344).

Rz. 11

4. Im †brigen wird nach ¤ 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG von einer BegrŸndung abgesehen.

Rz. 12

5. Der KlŠger hat nach ¤ 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglos gebliebenen Beschwerde zu tragen.

    Kreft    

    Niemann    

    Rachor    

    Krichel    

    Jan Eulen    

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14068719

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