Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederholung Betriebsratswahl

 

Leitsatz (amtlich)

Geht der Wahlvorstand von einer zu großen Zahl zu wählender Betriebsratsmitglieder aus, so kann die aufgrund dieser Annahme durchgeführte Betriebsratswahl vom Arbeitsgericht nicht dahingehend korrigiert werden, daß die auf den letzten Plätzen noch zum Zuge gekommenen Wahlbewerber gestrichen werden.

Das Wahlverfahren beruht vielmehr auf einem wesentlichen Mangel i. S. des § 19 Abs. 1 BetrVG. Die Betriebsratswahl muß im ganzen wiederholt werden.

 

Normenkette

BetrVG 1972 §§ 19, 9; Erste VO zur Durchführung des BetrVG (WO) § 3 Abs. 2 Nr. 4, §§ 11, 21; ZPO § 322; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 1, § 80 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 29.01.1976; Aktenzeichen 8 Ta BV 94/75)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. Januar 1976 – 8 Ta BV 94/75 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

I. Im Jahre 1975 wurde vom Wahlvorstand, wie schon im Jahre 1973, ein Betriebsrat mit neun Mitgliedern zur Wahl ausgeschrieben, obwohl die antragstellende Firma den Wahlvorstand darauf hingewiesen hatte, daß nur ein Betriebsrat mit sieben Mitgliedern gewählt werden könne. Da nur eine Liste eingereicht wurde, fand die Wahl als Mehrheitswahl statt.

Die Wahl wurde am 15. Mai 1975 als Gruppenwahl durchgeführt und das Wahlergebnis durch den Wahl vor stand am 16. Mai 1975 bekannt gemacht. Danach waren ein Angestelltenvertreter und acht Arbeiter Vertreter in den Betriebsrat gewählt. Die geringsten Stimmzahlen der gewählten Arbeitervertreter entfielen auf die Arbeitnehmer M. (56 Stimmen) und B. (55 Stimmen). Außerdem wurden die Arbeitnehmer S. und D. als Ersatzmitglieder gewählt.

Die Antragstellerin hat die Wahl mit einem am 30. Mai 1975 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz angefochten und geltend gemacht, die Beschäftigtenzahl habe regelmäßig weniger als 300 Arbeitnehmer betragen. Heimarbeiter und leitende Angestellte könnten bei der Bestimmung dieser Zahl nicht berücksichtigt werden. Die Antragstellerin hat beantragt, das Wahlergebnis vom 15. Mai 1975 aufzuheben.

Der Betriebsrat als Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat vorgetragen, es müsse davon ausgegangen werden, daß die Beschäftigtenzahl sieh wegen der einzubeziehenden Heimarbeiter auf mehr als 300 Arbeitnehmer belaufen habe. Aufgrund des Neubaus einer Fabrikhalle sei zudem damit zu rechnen gewesen, daß die Produktion weiter ausgeweitet werde und mindestens noch 40 bis 60 Arbeitnehmer eingestellt würden.

Das Arbeitsgericht hat unter Zurückweisung des Antrags im übrigen festgestellt, daß aufgrund der im Betrieb der Antragstellerin beschäftigten Arbeitnehmer der Betriebsrat sich aus sieben Mitgliedern zusammenzusetzen habe. Demnach setze sich nach dem Wahlergebnis der Betriebsrat aus folgenden Mitgliedern zusammen: W., Di, F., G., C., Be, O. Die Wahl der laut der Wahlniederschrift vom 16. Juni 1975 zum Betriebsrat gewählten Josef M. und Ernst B. sei unwirksam.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, nach der maßgebenden Beschäftigtenzahl hätten nur sieben Betriebsratsmitglieder gewählt werden dürfen. Die Betriebsratswahl sei jedoch nicht insgesamt unwirksam und brauche auch nicht wiederholt zu werden. Unwirksam sei nur die Wahl der aus der Gruppe der Arbeiter in den Betriebsrat gewählten Arbeitnehmer B. und M..

Gegen diesen Beschluß hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und mit Unterstützung der Beteiligten B. und M. beantragt, den angefochtenen Beschluß abzuändern und nach dem Schlußantrag des Betriebsrats erster Instanz zu erkennen.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat folgenden Beschluß erlassen:

„Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26. September 1975 teilweise abgeändert:

Der in die zweite Instanz gelangte Teil des Verfahrensantrags der Antragstellerin wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.”

Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt: Das Gesetz gestatte in § 19 BetrVG zwar die Anfechtung einer Betriebsratswahl, u.U. auch einer Wahl eines einzelnen Betriebsratsmitglieds. Es erscheine jedoch nicht angängig, die Feststellung der Unwirksamkeit eines Teils des Wahlergebnisses aus der Erwägung zu beantragen, daß das gesamte Wahlverfahren auf der unrichtigen Bemessung der Betriebsratsgröße im Wahlausschreiben beruht habe. Vorliegend habe sich der in die zweite Instanz gediehene Teil der Wahlanfechtung auf eine derartige Antragstellung reduziert, nachdem die Antragstellerin davon abgesehen habe, die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Umfang der Zurückweisung der Wahlanfechtung mit der Beschwerde anzugreifen. Die damit eingetretene Teilrechtskraft mache den noch anhängigen Teil des auf Feststellung der Wahlunwirksamkeit gerichteten Antrags unzulässig. Im Ergebnis habe deshalb die Beschwerde Erfolg. Einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Wahl eines sieben-köpfigen oder eines neun-köpfigen Betriebsrats auszuschreiben war, bedürfe es nicht. Das Verfahren stelle sich im zweiten Rechtszug infolge der eingetretenen Teilrechtskraft als Teilanfechtung dar, die nach dem Gesetz unzulässig sei.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Antragsgegner und die Beteiligten B. und M. um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bitten.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller in ist kraft Zulassung an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Antragstellerin ist durch die angefochtene Entscheidung auch beschwert, weil ihr Anfechtungsantrag z.T. als unzulässig zurückgewiesen wurde, aber keine materielle Entscheidung erging (vgl. auch unten Ziff. III 3 der Gründe).

2. Es handelt sich um eine im Beschlußverfahren auszutragende Angelegenheit „Aus dem Betriebsverfassungsgesetz” im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 1, § 80 Abs. 1 ArbGG, nämlich um die Anfechtung einer Betriebsratswahl.

3. Gegen die Beteiligungsfähigkeit der Antragstellerin und des Antragsgegners bestehen keine Bedenken. Beide sind in ihren Rechtspositionen unmittelbar berührt. Das Antragsrecht der Antragstellerin folgt aus § 19 Abs. 2 BetrVG. Jedenfalls infolge der Entscheidung des Arbeitsgerichts sind auch die Betriebsratsmitglieder B. und M. in ihren Rechten unmittelbar betroffen und demzufolge Beteiligte im vorliegenden Verfahren.

III 1. Anhaltspunkte dafür, daß von einer Nichtigkeit der Betriebsratswahl ausgegangen werden müßte, weil in einem so hohen Maße gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl verstoßen worden wäre, daß auch der Anschein einer Wahl nicht mehr vorliegt (BAG AP Nr. 1 zu § 18 BetrVG; BAG Urteil vom 27. April 1976 – 1 AZR 482/75 –, [demnächst] AP Nr. 4 zu § 19 BetrVG 1972), sind nicht ersichtlich.

2. Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, daß das Arbeitsgericht im Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG nicht befugt ist, das Wahlergebnis zu korrigieren, wenn die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder im Wahlausschreiben unrichtig bemessen und die Wahl auf dieser Grundlage durchgeführt worden ist. In einem solchen Fall hat das Arbeitsgericht nur die Möglichkeit, die Wahl für ungültig zu erklären oder den Anfechtungsantrag insgesamt zurückzuweisen.

Eine „Korrektur” des Wahlergebnisses, auch im Rahmen eines Wahlanfechtungsverfahrens durch das Arbeitsgericht, ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen und auch vom Bundesarbeitsgericht schon mehrfach für möglich angesehen worden (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 20 BetrVG Jugendvertreter; BAG AP Nr. 11 zu § 18 BetrVG; BAG AP Nr. 2, 3, 10, 18, 22, 23 zu § 76 BetrVG). In allen diesen Fällen ging es aber um Fehler des Wahlvorstandes bei der Feststellung des Wahlergebnisses bei im übrigen ordnungsgemäß durchgeführter Wahl, z. B. um die anderweitige Verteilung der Sitze auf die Gruppen der Arbeiter und Angestellten oder auf verschiedene lasten, insbesondere aufgrund von Rechenfehlern. Nur die aus einem ordnungsgemäßen Wahlablauf gezogenen Folgerungen des Wahlvorstandes waren falsch und konnten deshalb auch berichtigt werden, da die Wahl hinsichtlich der Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und das Wahlverfahren als solche nicht zu beanstanden war (so auch Galperin-Löwisch, BetrVG, 5. Aufl., § 19 Anm. 37; Brecht, BetrVG, § 9 Anm. 9; Erdmann-Jürging-Kammann, BetrVG, § 9 Anm. 7; vgl. auch BAG AP Nr. 5 zu § 80 ArbGG 1953 unter II 3 der Gründe). Hier aber liegt, wenn wirklich die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder zu hoch war, ein schwerwiegender Mangel des Wahlverfahrens selbst vor, der nicht einfach dadurch behoben werden kann, daß die auf den letzten Plätzen zum Zuge gekommenen beiden Beteiligten gestrichen und zu Ersatzmitgliedern des Betriebsrats „degradiert” werden (Galperin-Löwisch, aaO, § 9 Anm. 10; für Berichtigung des Wahlergebnisses auch in diesen Fällen aber Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 9 Anm. 12; Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, 11. Aufl., § 9 Anm. 13, § 19 Anm. 15; GK-Thiele, BetrVG, § 9 Anm. 19). Das Wahlverfahren, das auf die Bildung eines gesetzeswidrig zu großen Betriebsrats abzielte, war in sich verfehlt.

Es ist keineswegs sicher, daß durch die Zugrundelegung einer etwa zu großen Zahl zu wählender Betriebsratsmitglieder das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte. Es stellt eine unzulässige Vereinfachung dar anzunehmen, daß die Wähler bei Kenntnis der richtigen Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder eben die beiden Kandidaten nicht gewählt hätten, die infolge Annahme einer größeren Anzahl von Betriebsratsmitgliedern gerade noch mit der geringsten Stimmenzahl gewählt worden sind. Wenn die Wähler aufgrund des Wahlausschreibens (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 WO) von einer zu großen Zahl von Betriebsratsmitgliedern ausgehen, so kann dies sowohl Einfluß haben auf die Aufstellung der Vorschlagslisten als auch auf das Wählerverhalten selbst, wovon auch das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeht. Möglicherweise wären die Bewerber bei Kenntnis der geringeren Zahl von Betriebsratsmitgliedern auf den Vorschlagslisten in anderer Reihenfolge aufgeführt worden, was bei der Verhältniswahl bei Bestehen mehrerer Wahlvorschläge von entscheidender Bedeutung dafür sein kann, ob ein Bewerber (noch) gewählt wird oder nicht. Dies gilt auch, wenn wie hier nur ein Wahlvorschlag eingereicht wird und demzufolge in Mehrheitswahl gewählt wird. Die Reihenfolge der Bewerber kann dann immerhin psychologische Bedeutung für das Wählerverhalten haben. Bei einer geringeren Zahl zu wählender Betriebsratsmitglieder kann andererseits nicht ausgeschlossen werden, daß die Wähler möglicherweise die mit der geringsten Stimmenzahl noch gewählten Mitglieder, also hier die beiden am Verfahren Beteiligten, bei Kenntnis der Sachlage mehr Stimmen gegeben hätten und dadurch eine Verschiebung der Reihenfolge eingetreten wäre. Bei der Mehrheitswahl hat zudem jeder Wähler soviel Stimmen als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind (§ 21 Abs. 3 WO). Die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder schlägt hier unmittelbar auf das Stimmengewicht des Wählers durch. Es läßt sich in keiner Weise voraussehen, wie der Wähler bei geringerer Stimmenzahl seine Stimmen verteilt hätte.

3. Ist somit den materiell-rechtlichen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu folgen, so sind die hieraus gezogenen verfahrensrechtlichen Schlußfolgerungen für den Senat schwer verständlich und offenbar rechtlich unzutreffend.

Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen auf die Überlegung gestützt, daß „der in die zweite Instanz gelangte Teil der Wahlanfechtung der Antragsteller in infolge der Verfahrensentwicklung unzulässig geworden” sei. Es meint, es könne nicht zulässig sein, eine ursprünglich uneingeschränkte Wahlanfechtung des Arbeitgebers dadurch auf einen Teilunwirksamkeitsantrag zu reduzieren, daß der Arbeitgeber von einem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung absehe, die die Wahl von sieben Betriebsratsmitgliedern für wirksam sowie von zwei Betriebsratsmitgliedern für unwirksam erklärt und hinsichtlich der Teilunwirksamkeitserklärung vom Betriebsrat mit der Beschwerde angegriffen werde. Andernfalls gelange man zu dem untragbaren Ergebnis, daß die unzulässige Differenzierung zwischen wirksam gewählten und nicht wirksam gewählten Kandidaten aus Rechtskraftgründen doch stattzufinden hätte, da hinsichtlich der Wirksamkeit der Wahl von sieben Betriebsratsmitgliedern die Entscheidung des Arbeitsgerichts in Rechtskraft erwachsen sei.

Das Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde des Antragsgegners stattgegeben, aber über sie nicht materiell entschieden, sondern den in die zweite Instanz gelangten Verfahrensantrag der Antragstellerin in der Beschlußformel als unzulässig zurückgewiesen. Es bleibt unklar, worüber nun eigentlich entschieden worden ist. Das Landesarbeitsgericht hätte jedenfalls materiell über die durch die Beschwerde des Antragsgegners zur Entscheidung gestellte Frage entscheiden müssen, ob der Betriebsrat statt aus sieben nicht doch aus neun Mitgliedern zu bestehen hat, was gegebenenfalls zur Zurückweisung des Anfechtungsantrags ingesamt führen würde.

Dem Landesarbeitsgericht ist zwar darin zu folgen, daß infolge der Tatsache, daß hier die Antragstellerin keine Beschwerde eingelegt hatte, das Landesarbeitsgericht gehindert war, über den Rechtsstreit zu entscheiden, soweit das Arbeitsgericht dem Antrag nicht stattgegeben, also festgestellt hat, daß der Betriebsrat (jedenfalls) aus den sieben Mitgliedern mit der höchsten Stimmenzahl besteht und die Wahl demgemäß nicht insgesamt unwirksam ist. Die Auseinandersetzung der Beteiligten ist insoweit durch die nicht angegriffene Entscheidung des Arbeitsgerichts beendet. Daraus folgt aber nicht, daß nunmehr der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (Anfechtung der Betriebsratswahl) vollends der gerichtlichen Überprüfung entzogen wäre, oder daß gar, wie das Landesarbeitsgericht offenbar sagen will, der Gegenstand des Verfahrens sich inhaltlich durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts geändert und dadurch nachträglich der Antrag der Antragstellerin unzulässig geworden ist.

Maßgeblich für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist die Beschwer, die ein Verfahrensbeteiligter durch eine gerichtliche Entscheidung erleidet (vgl. dazu im einzelnen Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 19. Aufl., 1972, Allg. Einleitung V vor § 511; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl., 1969, § 137 II 3 [S. 706 ff.] jeweils mit weiteren Nachweisen). Durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts war der Antragsgegner insoweit beschwert, als das Arbeitsgericht festgestellt hat, daß zwei Mitglieder des Betriebsrats nicht wirksam gewählt seien. In diesem Umfang ist der Verfahrensantrag des Antragsgegners nicht von Erfolg gewesen, da sein Verfahrensziel die Zurückweisung des Anfechtungsantrags in vollem Umfang war. Daß das Arbeitsgericht materiell-rechtlich nicht befugt war, auf den Antrag der Antragstellerin, der allgemein auf die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl gerichtet war, durch eine Korrektur des Wahlergebnisses zu entscheiden, ist für die Beschwer des Antragsgegners ohne Bedeutung.

Das bedeutet, daß das Landesarbeitsgericht verpflichtet war, im Umfang der Beschwer des Antragsgegners die Entscheidung des Arbeitsgerichts materiell nachzuprüfen. Das Landesarbeitsgericht hat sich dieser Aufgabe dadurch entzogen, daß es den „in die zweite Instanz gelangten Teil des Verfahrensantrags” der Antragstellerin für unzulässig erklärt und dieser vorgehalten hat, daß sie selbst kein Rechtsmittel eingelegt, sondern sich mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts zufrieden gegeben habe.

Das Landesarbeitsgericht übersieht dabei, daß ein prozessualer Antrag eines Verfahrensbeteiligten zwar ausnahmsweise durch einen Antrag eines anderen Verfahrensbeteiligten, der sich auf denselben Streitgegenstand bezieht, unzulässig werden kann (z. B. der Kläger erhebt negative Feststellungsklage, der Beklagte antwortet mit einer positiven Leistungsklage). Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist nicht der Antrag der Antragsteller in verändert, auch nicht „reduziert” worden. Vielmehr bestimmt dieser Antrag nach wie vor den Inhalt des anhängigen Beschluß Verfahrens. Die rechtskräftig gewordene Entscheidung des Arbeitsgerichts hat das Verfahren im Sinne der Antragstellerin nicht voll erledigt. Lediglich infolge der Nichteinlegung der Beschwerde durch die Antragstellerin ist der Wahlanfechtungsantrag nur noch im Bezug auf die Betriebsratsmitglieder B. und M. materiell nachprüfbar, deren Wahl das Arbeitsgericht für unwirksam hält.

4. Im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedarf es deshalb der Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Wahlvorstand zutreffend von einer Zahl von neun Betriebsratsmitgliedern bei der Wahlausschreibung ausgegangen ist. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht bisher keinerlei Feststellungen getroffen, so daß eine Entscheidung über die von der Antragstellerin erhobene Rechtsbeschwerde in der Sache derzeit nicht möglich ist. Die Sache ist deshalb gemäß § 96 ArbGG, § 565 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Das Landesarbeitsgericht wird aufgrund weiterer tatsächlicher Feststellungen entweder der Beschwerde des Antragsgegners stattzugeben und den Anfechtungsantrag insgesamt zurückzuweisen haben. Dann steht rechtens fest, daß der Betriebsrat aus den neun gewählten Mitgliedern besteht. Oder die Beschwerde ist zurückzuweisen, dann verbleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts und der Betriebsrat besteht aus den genannten sieben Mitgliedern.

 

Unterschriften

gez.:, Dr. Müller, Dr. Auffarth, Wendel, Dr. Erich Frey, Mager

 

Fundstellen

Haufe-Index 662615

BAGE, 212

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