Entscheidungsstichwort (Thema)

Quorum für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 54 Abs 1 Satz 2 BetrVG erfordert die Errichtung eines Konzernbetriebsrats die Zustimmung der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mindestens 75 vom Hundert der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind. Dabei ist auf die Zahl der Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen abzustellen, gleichgültig, inwieweit dort (Gesamt-)Betriebsräte bestehen oder nicht.

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 30.03.1992; Aktenzeichen 4 TaBV 5/90)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 28.02.1990; Aktenzeichen 25 a BV 14/89)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der antragstellende Konzernbetriebsrat rechtmäßig gebildet worden ist oder ob dies deswegen nicht der Fall ist, weil das nach § 54 Abs. 1 BetrVG erforderliche Quorum nicht erreicht ist.

Zumindest nach Ansicht des antragstellenden Konzernbetriebsrats bildet die "F -Gruppe" einen Konzern. Sie besteht aus den Firmen F GmbH, F Verwaltungs-KG, F O GmbH sowie zum Zeitpunkt der Einleitung des Beschlußverfahrens aus etwa 190 Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet, die jeweils in Form einer GmbH & Co. KG geführt werden und deren persönlich haftende Gesellschafterin die F GmbH ist. Geschäftsführer der F GmbH ist der Beteiligte zu 2), Herr Günther F . Er ist auch persönlich haftender Gesellschafter der F Verwaltungs-KG. Insgesamt waren bei Einleitung des Beschlußverfahrfahrfahden Unternehmen der sogenannten F -Gruppe etwa 2.500 Arbeitnehmer beschäftigt.

In der F Verwaltungs-KG (Beteiligte zu 6) sowie in sieben weiteren Niederlassungen sind Betriebsräte gewählt worden. In diesen Unternehmen sind insgesamt etwa 750 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei den übrigen Niederlassungen, die zum überwiegenden Teil betriebsratsfähig sind, sind keine Betriebsräte gewählt worden. Ein Gesamtbetriebsrat besteht in keinem der beteiligten Unternehmen.

Die in den Betrieben der Beteiligten zu 3) bis 10) gebildeten Betriebsräte haben am 7. Juni 1989 einen Konzernbetriebsrat (Antragsteller) konstituiert. Die F Verwaltungs-KG hält die Errichtung des Konzernbetriebsrats für unwirksam, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen.

Der antragstellende Konzernbetriebsrat ist der Ansicht, er sei durch die damals bestehenden Betriebsräte wirksam gebildet worden. Die "F -Gruppe" bilde zumindest einen faktischen Unterordnungskonzern. Herrschendes Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne sei der Beteiligte zu 2), Herr Günther F . Dies ergebe sich daraus, daß er mehrheitlich an allen Unternehmen beteiligt sei und ihre Geschäftsführung beherrsche. Das nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erforderliche Quorum für die Bildung eines Konzernbetriebsrats sei erreicht. Denn hierfür sei nicht auf die Zahl der in allen Unternehmen der F -Gruppe insgesamt beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen, sondern nur auf die Zahl der Arbeitnehmer in den Betrieben, in denen Betriebsräte gewählt worden seien. Betriebe, in denen es keinen Betriebsrat gebe, dürften nicht mitgezählt werden, weil diese außerhalb der Betriebsverfassung stünden.

Der antragstellende Konzernbetriebsrat hat beantragt

festzustellen, daß er als Konzernbetriebsrat gem.

§ 54 BetrVG wirksam errichtet worden ist.

Die Beteiligten zu 2) bis 10) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie haben entgegnet: Sie wollten zwar die Konzern-Problematik ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage im Rahmen des vorliegenden Verfahrens "unstreitig stellen", gleichwohl sei der Konzernbetriebsrat zu Unrecht gebildet worden. Bei der nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zugrunde zu legenden Zahl der Beschäftigten seien alle Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen mitzuzählen, gleichgültig, ob in den Konzernunternehmen oder den ihnen gehörenden Betrieben Betriebsräte oder Gesamtbetriebsräte bestünden oder nicht.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihr verfolgt der antragstellende Konzernbetriebsrat seinen Antrag weiter, während die Beteiligten zu 2) bis 10) beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Bildung des antragstellenden Konzernbetriebsrats nicht rechtmäßig erfolgt ist, weil das erforderliche Quorum nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht erreicht ist.

1. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, bereits nach dem klaren Wortlaut der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sei bei der Feststellung des Quorums auf die Zahl der Arbeitnehmer im Konzern insgesamt abzustellen und nicht etwa nur auf die Zahl der Arbeitnehmer in Unternehmen des Konzerns, in denen (Gesamt-)Betriebsräte bestehen.

2. Diese Auffassung trifft zu. a) Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erfordert die Errichtung eines Konzernbetriebsrats "die Zustimmung der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mindestens 75 vom Hundert der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind". Dabei ist auf die Zahl der Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen abzustellen, gleichgültig, inwieweit dort (Gesamt-)Betriebsräte bestehen oder nicht. Der Wortlaut dieser Norm ist derart eindeutig, daß sich jede extensive oder restriktive Interpretation verbietet.

b) Der dagegen von Behrens/Schaude (DB 1991, 278 ff.) vertretenen Ansicht, aus Gründen der demokratischen Legitimation sei zur Berechnung des Quorums für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats nur auf solche Unternehmen oder Betriebe abzustellen, in denen ein Gesamtbetriebsrat oder Betriebsrat gebildet worden sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der eindeutige Wortlaut der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG stellt auf die Beschäftigten in den Konzernunternehmen schlechthin ab, gleichgültig, ob in den Konzernunternehmen oder deren Betrieben Gesamtbetriebsräte oder Betriebsräte gebildet worden sind. Selbst wenn man annehmen wollte, ein Konzernbetriebsrat sei für die Konzernunternehmen bzw. deren Betriebe nicht zuständig, in denen kein Gesamtbetriebsrat bzw. Betriebsrat besteht, besagt dies nicht, daß es für die fakultative Bildung von Konzernbetriebsräten nur auf "demokratisch legitimierte" Betriebsräte bzw. Gesamtbetriebsräte ankommen dürfe. Auch die Nichtbildung eines Betriebsrats durch die Arbeitnehmer eines Betriebes ist ein Stück Ausübung demokratischer Rechte. Die Erwägung, ein betriebsratsloser Betrieb oder ein Unternehmen ohne Betriebsrat, für welches mehr als 25 % aller Arbeitnehmer der Konzernunternehmen tätig sind, könne die Bildung eines Konzernbetriebsrats unterbinden, zwingt ebenfalls nicht zu der Annahme, für die Bildung eines Konzernbetriebsrats könne es nur auf Unternehmen und Betriebe ankommen, in denen Gesamtbetriebsräte bzw. Betriebsräte bestehen. Dasselbe kann sich ereignen, wenn in einem entsprechend großen Betrieb oder Unternehmen der dort bestehende Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat sich der Bildung eines Konzernbetriebsrats verschließt. Im übrigen kann aus der Frage der Zuständigkeit nicht darauf zurückgeschlossen werden, auf welche Betriebe bzw. Unternehmen es zur Ermittlung der Gesamtzahl aller Arbeitnehmer ankommen solle. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat überhaupt errichtet werden kann und dann abzugrenzen, ob er auch für solche Teile eines Konzerns oder Unternehmens Zuständigkeiten entfalten darf, in denen kein Betriebsrat besteht.

3. Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Bildung eines Konzernbetriebsrats nicht vor. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt. In den Unternehmen der "F -Gruppe" waren bei Errichtung des Konzernbetriebsrats insgesamt etwa 2.500 Arbeitnehmer beschäftigt. 75 % hiervon sind 1.875 Personen. In den Unternehmen, deren Betriebsräte die Bildung eines Konzernbetriebsrats beschlossen haben, waren damals nur insgesamt etwa 750 Arbeitnehmer beschäftigt. Das aber sind erheblich weniger als 75 % aller Arbeitnehmer aller Unternehmen der "F -Gruppe".

4. Auf die von den Beteiligten "unstreitig gestellte" Frage des Bestehens eines Konzerns kam es bei dieser Sach- und Rechtslage nicht mehr an.

Dr. Steckhan Kremhelmer Schliemann

Metzinger Niehues

 

Fundstellen

Haufe-Index 440990

BAGE 74, 68-72 (LT1)

BAGE, 68

DB 1994, 480 (LT1)

BetrR 1994, 63-64 (LT1)

BetrVG, (1) (LT1)

EWiR 1994, 843 (L)

NZA 1994, 326

AP § 54 BetrVG 1972 (LT1), Nr 6

AR-Blattei, ES 530.12.1 Nr 5 (LT1)

EzA § 54 BetrVG 1972, Nr 4 (LT1)

Mitbestimmung 1994, Nr 2, 60-61 (LT1)

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