Rz. 36

Ebenso wenig regelt § 6 Abs. 1 BUrlG, was geschieht, wenn der Arbeitnehmer zunächst keine Urlaubsabgeltung im 1. Arbeitsverhältnis erhält, deshalb vom 2. Arbeitgeber Teilurlaub erhält und dann später den alten Arbeitgeber auf Urlaubsabgeltung aus dem 1. Arbeitsverhältnis verklagt.

In diesem Fall muss der 1. Arbeitgeber die jeweils geschuldete Urlaubsabgeltung gewähren: § 6 BUrlG gibt nur dem neuen, nicht aber dem bisherigen Arbeitgeber die Möglichkeit, den Urlaubsanspruch zu kürzen.[1] Sobald der Arbeitnehmer die Abgeltung aber tatsächlich erhält, muss er dem neuen Arbeitgeber das von diesem erhaltene Urlaubsentgelt nach § 812 BGB zurückgewähren, denn der Rechtsgrund für dessen Gewährung ist nachträglich wieder weggefallen.[2]

Im Ergebnis kann der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeberwechsel im laufenden Kalenderjahr jedenfalls dann, wenn er beim alten Arbeitgeber einen vollen Urlaubsanspruch erworben hat, der aber noch nicht oder nur teilweise ausgeglichen ist, den Jahresurlaub "zu Geld machen", indem er vom alten Arbeitgeber Urlaubsabgeltung in vollem Umfang verlangt und gegen den neuen Arbeitgeber keine Ansprüche mehr geltend macht.[3] Das ergibt sich aus der gesetzlichen Konzeption und ist so hinzunehmen. Allerdings kann der frühere Arbeitgeber, der auf Abgeltung in Anspruch genommen wird, nach älterer Rechtsprechung den Arbeitnehmer auf den Urlaubsanspruch gegen den neuen Arbeitgeber verweisen, soweit ein Urlaubsanspruch im neuen Arbeitsverhältnis bereits entstanden ist.[4] Dies ergibt sich aus dem Vorrang der Urlaubsgewährung durch Freistellung. Prozessual muss der Vorarbeitgeber eine entsprechende Einrede erheben. Der Verweis auf die Möglichkeit der Urlaubsgewährung beim neuen Arbeitgeber bringt im Hinblick darauf, dass zunächst dort nur ein Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 BUrlG besteht, den Abgeltungsanspruch aber nur teilweise zu Fall. Erhebt der Vorarbeitgeber diese Einrede nicht, muss er den Urlaub in dem Umfang abgelten, wie er bei Ende des Arbeitsverhältnisses bestanden hat.

 

Rz. 37

Eine Besonderheit gilt im Zusammenhang mit Kündigungsschutzverfahren: Der alte Arbeitgeber kann sich für eine Anrechnung des beim neuen Arbeitgeber entstandenen Urlaubsanspruchs im Fall eines verlorenen Kündigungsschutzrechtsstreits grundsätzlich nur auf § 615 Satz 2 BGB oder § 11 KSchG in entsprechender Anwendung berufen, wenn es dem Arbeitnehmer unmöglich gewesen wäre, in beiden Arbeitsverhältnissen seine Arbeitspflicht zu erfüllen.[5]

Ob das auch für den Abgeltungsanspruch nach der Aufgabe der Surrogatstheorie durch das BAG[6] gilt, ist offen. Mittlerweile kommt der Urlaubsabgeltung auch ein Vergütungscharakter zu, sodass dieser als anderweitig erzieltes Entgelt aus einem neuen Arbeitsverhältnis durch den alten Arbeitgeber immer angerechnet werden kann.

 

Beispiel

Der Arbeitnehmer wird zum 31.7. im alten Arbeitsverhältnis gekündigt. Er erhebt Kündigungsschutzklage, begründet aber ab 1.8. ein neues Arbeitsverhältnis, dass aber am 31.10. bereits wieder beendet ist und in dem er den Teilurlaubsanspruch abgegolten erhält. Er gewinnt den Kündigungsschutzprozess gegen den alten Arbeitgeber und verlangt nun Annahmeverzugsvergütung nach § 11 KSchG. Zu dem nach § 11 Satz 1 Nr. 1 KSchG anzurechnenden Entgelt gehört auch die vom 2. Arbeitgeber erhaltene Urlaubsabgeltung. Allerdings kann der alte Arbeitgeber dann nicht den gegen ihn bestehenden Urlaubsanspruch kürzen, weil der Arbeitnehmer ja keinen Urlaub erhalten hat.

[2] ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 6 BUrlG, Rz. 3.
[3] Dazu kritisch Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 12. Aufl. 2021, § 6 BUrlG, Rz. 20 ff, die einen Vorrang des Freizeitanspruchs annehmen, Rz. 25 ff.
[4] BAG, Urteil v. 25.11.1982, 6 AZR 1254/79, AP Nr 3 zu § 6 BUrlG; Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 12. Aufl. 2021, Rz. 25; ablehnend ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 6 BUrlG, Rz. 3, wobei die in Bezug genommene Entscheidung des BAG die dortige Meinung nicht stützt.
[6] S. dazu Arnold, § 7, Rz. 186.

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