Rz. 38a

Für befristete Arbeitsverhältnisse sieht seit 1.8.2022 § 15 Abs. 3 TzBfG in Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2019/1152 nunmehr vor, dass in einem befristeten Arbeitsverhältnis eine vereinbarte Probezeit im Verhältnis zu der erwartenden Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen muss.

 
Hinweis

§ 15 Abs. 3 TzBfG gilt nicht für befristete Arbeitsverhältnisse zur Erprobung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG. Bei einer Befristung zur Erprobung von über 6 Monaten muss diese nach Art 8 Abs. 3 RL (EU) 2019/1152 durch die Art der Tätigkeit gerechtfertigt oder im Interesse des Arbeitnehmers sein. Dem wird die Rechtsprechung des BAG gerecht, nach der eine Befristung von mehr als 6 Monaten nur zulässig ist, wenn die Anforderungen bzw. Qualifikation des Arbeitnehmers eine Beurteilung in kürzerer Zeit nicht zulassen.[1]

§ 15 Abs. 3 TzBfG setzt voraus, dass im befristeten Arbeitsvertrag eine Probezeit vereinbart wurde. Die Vereinbarung einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis führt nach § 622 Abs. 3 BGB allein dazu, dass innerhalb 6 Monaten das Arbeitsverhältnis mit einer verkürzten Kündigungsfrist von 2 Wochen gekündigt werden kann. Aus einer vereinbarten vorgeschalteten Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis kann auch regelmäßig auf die stillschweigende Vereinbarung der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung geschlossen werden.[2]

 

Rz. 38b

Nach Art. 8 Abs. 1 RL (EU) 2019/1152 soll im Normalfall eine Probezeit nicht länger als 6 Monate dauern. Dies entspricht sowohl der Möglichkeit verkürzter Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 3 BGB als auch der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG. Im unbefristeten Arbeitsverhältnis ist daher eine Probezeit von 6 Monaten nach § 622 Abs. 3 BGB und Art 8 Abs. 1 RL (EU) 2019/1152 mit verkürzter Kündigungsfrist zulässig.

Im befristeten Arbeitsverhältnis muss nach der gesetzlichen Neuregelung in Übernahme von Art 8 Abs. 2 RL 2019/1152 einschränkend die Dauer der Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Befristungsdauer und der Art der Tätigkeit stehen. Dies führt insbesondere bei befristeten Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit von unter 12 Monaten zu Problemen. Eine pauschale Probezeit von 6 Monaten wird in diesen Fällen nicht mehr zulässig sein.[3]

Versuche, die Probezeit in ein prozentuales Verhältnis zur Befristungsdauer zu stellen[4], sind bereits deswegen problematisch, weil auch auf die Art der Tätigkeit abzustellen ist. Andererseits kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass bei besonders einfachen Tätigkeiten nur eine besonders kurze Probezeit zulässig ist.[5] Als Orientierungsphase dient die verkürzte Kündigungsfrist in der Probezeit beiden Seiten und hat auch den Zweck, die Teamfähigkeit zu prüfen. Klar ist, dass die bisherige Rechtsprechung des BAG, nach der bei einer Probezeitvereinbarung die Höchstgrenze von 6 Monaten voll ausgeschöpft werden kann[6], nach der Neuregelung nicht mehr gilt[7]. Letztendlich hat der Gesetzgeber durch "Abschreiben" der Richtlinie der Rechtsprechung die Aufgabe überlassen, den höchst unbestimmten Rechtsbegriff der Verhältnismäßigkeit zu konkretisieren.

Nach einer aktuellen Entscheidung des LAG Schleswig Holstein[8] ist bei Befristungen von bis zu 12 Monaten eine Probezeitdauer von der Hälfte der Befristungsdauer grundsätzlich angemessen. Nur bei einer Probezeit von über der Hälfte bedarf es einer näheren Begründung des Arbeitgebers, warum nach der Art der Tätigkeit eine längere Probezeit erforderlich ist. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG dieser arbeitgeberfreundlichen und praxistauglichen Lösung folgen wird.

Ist nach der Neuregelung die Dauer der Probezeit unverhältnismäßig lang, führt dies dazu, dass im befristeten Arbeitsverhältnis nicht mit der verkürzten Kündigungsfrist gekündigt werden kann.[9] Ist die ordentliche Kündbarkeit im befristeten Arbeitsverhältnis nicht ausdrücklich gesondert geregelt, droht mit Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung der Wegfall der ordentlichen Kündigung insgesamt.[10] Es empfiehlt sich daher, im befristeten Arbeitsverhältnis die Kündigungsfrist während und nach der Probezeit ausdrücklich zu regeln.

In einem befristeten Probearbeitsverhältnis setzt nach Auffassung der obigen Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein die Verkürzung der Kündigungsfrist zur Vermeidung der Umgehung von § 15 Abs. 3 TzBfG voraus, dass die Befristung im Vertrag als Probebefristung bezeichnet wird zugleich weitergehend das nach Ablauf der Probebefristung beabsichtigte unbefristete Arbeitsverhältnis bereits im Ausgangsvertrag konkret geregelt wird.[11]

 
Hinweis

§ 15 Abs. 3 TzBfG ist tariffest. § 22 TzBfG enthält keine Öffnungsklausel. Die Tarifvertragsparteien können zwar nach § 622 Abs. 2, 4 BGB während einer vereinbarten Probezeit eine kürzere Kündigungsfrist vereinbaren, nicht jedoch die Angemessenheit der Probezeit nach § 15 Abs. 3 TzBfG und damit auch nicht die feste Laufzeit einer Probezeit.

 

Rz. 38c

Von der Probezeit zu trennen ist die Wartezeit von 6 Monaten nach § 1 Abs. 1 KSchG, nach der mit Ausnahme ...

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