Rz. 29

Bei der Gestaltung der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber nach § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD/TV-L/TV-H "im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten der besonderen persönlichen Situation der/des Beschäftigten (...) Rechnung zu tragen." Diese Verpflichtung des Arbeitgebers wurde neu in den TVöD/TV-L/TV-H aufgenommen, bringt allerdings keine wesentliche Änderung der Rechtslage im Vergleich zum (früheren) § 15b BAT.

Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Diese gesetzliche Regelung des Weisungsrechts ist am 1.1.2003 in Kraft getreten.

In der Rechtsprechung des BAG war jedoch bereits zuvor anerkannt, dass das Direktionsrecht als Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses es dem Arbeitgeber ermöglicht, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen und dass dieses Recht nur nach billigem Ermessen i. S. v. § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden darf (vgl. nur BAG, Urteil v. 7.12.2000, 6 AZR 444/99[1]).

Die Grenzen billigen Ermessens sind nach Auffassung des BAG (nur) gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung nicht nur eigene, sondern auch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt hat. Auf schutzwürdige familiäre Belange des Arbeitnehmers hat er Rücksicht zu nehmen, soweit einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nicht betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer entgegenstehen.[2]

 
Praxis-Beispiel

(nach BAG, Urteil v. 7.12.2004, 6 AZR 567/03):

Eine Altenpflegerin sollte nach der Rückkehr aus der Elternzeit zu Nachtwachen im 2-Tage-Rhythmus herangezogen werden. Sie hatte auf einen Einsatz im 7-Tage-Rhythmus im Nachtdienst geklagt. Die Arbeitnehmerin, deren ebenfalls im pflegerischen Bereich tätiger Ehemann nachts im 7-Tage-Rhythmus Rufbereitschaft leistete, wollte den Nachtdienst wie vor der Elternzeit im 7-Tage-Rhythmus verrichten. Nach dem Ende ihrer Elternzeit war bei ihrem Arbeitgeber jedoch nur ein Arbeitsplatz in einer Einrichtung frei, in der die Nachtwachen im 2-Tage-Rhythmus organisiert sind.

Da keiner der im 7-Tage-Rhythmus im Nachtdienst beschäftigten Altenpfleger mit der Klägerin den Arbeitsplatz tauschen und in den 2-Tage-Rhythmus wechseln wollte und einem vom Beklagten angeordneten Arbeitsplatztausch berechtigte Belange der Betroffenen entgegengestanden hätten, konnte der Arbeitgeber den Antrag der Beschäftigten auf Einsatz in der 7-Tage-Woche zulässigerweise ablehnen. Die Entscheidung über die festgesetzte Zeit der Arbeitsleistung entsprach billigem Ermessen. Mit dem ausschließlichen Einsatz im Nachtdienst hatte der Beklagte die Interessen der Klägerin und ihre familiären Belange angemessen berücksichtigt.

§ 11 Abs. 1 TVöD/TV-L/TV-H gewährt Beschäftigten unter den genannten Voraussetzungen lediglich einen Anspruch auf Verringerung der vertraglich festgelegten Arbeitszeit. Die Vorschrift begründet jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit zu ändern. Selbst wenn ein Beschäftigter aufgrund der Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber das Weisungsrecht nach § 106 Satz 1 GewO ausübt, einen Anspruch auf eine bestimmte Entscheidung hat ("Ermessensreduzierung auf Null"), führt dies nicht zu einer Änderung des Arbeitsvertrags (BAG, Urteil v. 16.12.2014, 9 AZR 915/13[3]).

[1] NZA 2001, 780.
[2] So wörtlich S. 1 in BAG, Urteil v. 7.12.2004, 6 AZR 567/03, AP BGB § 611 Nr. 61 Direktionsrecht.
[3] ZTR 2015, 327; a. A HK-TzBfG/Boecken, TzBfG, 6. Aufl. 2019, § 11 TVöD, Rz. 15, wonach der Arbeitgeber verpflichtet sein soll, das Angebot auf einvernehmliche Festlegung der Lage der Arbeitszeit anzunehmen, wenn nicht dienstliche oder betriebliche Belange entgegenstehen.

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