Ist der Streik rechtswidrig, sind die am Streik beteiligten Arbeitnehmer nicht privilegiert. Die kollektive Bewertung des Geschehens führt nicht zu einer vom individuellen Arbeitsvertragsrecht abweichenden rechtlichen Einschätzung. Die vertraglich übernommene Arbeitspflicht derer, die sich am Streik beteiligt hatten, bestand fort. Sie wurde durch die Streikteilnahme verletzt. Die Streikenden haben deshalb nicht nur keinen Lohnanspruch erworben. Sie können wegen ihrer Arbeitsvertragsverletzung auch abgemahnt, ausnahmsweise, insbesondere bei nicht gewerkschaftlichem Streik, wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung sogar gekündigt werden; Letzteres wird etwa in Betracht kommen, wenn die Arbeitnehmer trotz mehrfacher Aufforderung unter Kündigungsandrohung und Hinweises auf die Rechtslage die Arbeit nicht wieder aufgenommen haben.[1]

14.1 Das Recht zur Kündigung

Bei rechtswidrigen Streiks kommt sowohl eine fristgerechte als auch eine entfristete außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund[1] in Betracht. Dabei ist der Arbeitgeber nicht gezwungen, entweder allen rechtswidrig Streikenden zu kündigen oder auf jede Kündigung zu verzichten. Er kann auch nur einem Teil der Streikenden oder einem einzelnen von ihnen kündigen, um auf diese Weise Druck dahin auszuüben, dass die übrigen Mitarbeiter die Arbeit wieder aufnehmen. Es ist allerdings bislang ungeklärt, inwieweit der Arbeitgeber bei der personellen Konkretisierung einer solchen "herausgreifenden Kündigung" an Auswahlmaßstäbe gebunden ist. In einer berühmten Entscheidung vom 21.10.1969[2] hatte das BAG eine willkürlich getroffene Auswahlentscheidung des Arbeitgebers gebilligt. Dieser war während einer rechtswidrigen Arbeitsniederlegung auf irgendeine untätig an ihrem Arbeitsplatz sitzende Arbeitnehmerin zugegangen, hatte sie zur Arbeitsaufnahme aufgefordert und nach erfolgloser Abmahnung sofort fristlos gekündigt. Es spricht allerdings mehr dafür, dass der Arbeitgeber seine personelle Auswahlentscheidung vor einer an sich möglichen herausgreifenden Kündigung zumindest willkürfrei treffen muss. Dabei kann er seine eigenen Interessen einbringen, was die – schnelle – Wirkung einer Maßnahme und einen besonderen Bedarf an der Weiterbeschäftigung bestimmter Beschäftigter angeht. Es liegt außerdem nahe, wenn diejenigen, die bei der rechtswidrigen Arbeitsniederlegung eine herausragende Rolle gespielt haben, für die Kündigung herausgegriffen würden.

14.2 Schadensersatzanspruch gegen Streikteilnehmer

Wird ein Unternehmen mit einem rechtswidrigen Streik überzogen, haften die Arbeitnehmer, die sich an diesem Streik beteiligen, grundsätzlich auf Schadensersatz. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Recht der unerlaubten Handlung[1] sowie als Rechtsfolge einer Verletzung ihres Arbeitsvertrags.[2] Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist ebenso wie für die Kündigungsbefugnis des Arbeitgebers, dass den Arbeitnehmern, die sich am Streik beteiligt haben, Verschulden vorgeworfen werden kann. Dies ist zweifelhaft und dürfte nur bei offenkundiger Rechtswidrigkeit in Betracht kommen, wenn es sich um einen gewerkschaftlich geführten Streik handelte. Bei ihm können die Arbeitnehmer grundsätzlich davon ausgehen, dass sich die streikleitende Gewerkschaft über die Rechtslage informiert hat und nur ihr entsprechend handelt.

Besteht ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach, werden sich häufig Probleme bei der Schadensberechnung ergeben. Die Ursächlichkeit eines rechtswidrigen Streiks für bezifferbare Vermögenseinbußen des Arbeitgebers ist oft schwierig festzustellen. Unmöglich ist es indes nicht.[3]

Grundsätzlich haften nach § 840 BGB mehrere, die sich gemeinschaftlich an einer unerlaubten Handlung beteiligen, für den aufgrund dessen eingetretenen Schaden als Gesamtschuldner. Der Geschädigte kann also einen oder mehrere der Schädiger herausgreifen und von ihnen soweit als möglich Schadensersatz verlangen. Es bleibt dann den in Anspruch Genommenen überlassen, sich bei den anderen Schädigern schadlos zu halten. Er trägt deren Insolvenzrisiko. Es ist umstritten, ob eine solche Reaktion auf kollektives Verhalten wie einen rechtswidrigen Streik angemessen ist, solange nicht zugleich auch eine sittenwidrige Schädigungsabsicht vorgeworfen werden kann. Der Wortlaut des Gesetzes spricht aber für die Rechtsfolge einer gesamtschuldnerischen Haftung.[4]

[1] § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 in Verb. mit den Arbeitskampfregeln, § 826 BGB.
[3] Vgl. zu einer gerichtsfesten Schadensberechnung BAG, Urteil v. 10.12.2002, 1 AZR 96/02.

14.3 Krankenversicherungsschutz während rechtswidriger Streiks?

Nach § 190 Abs. 2 i. V. m. § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V besteht an sich während eines rechtswidrigen Streiks kein Krankenversicherungsverhältnis. § 19 Abs. 2 SGB V Satz 1 lässt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch für einen Monat nach Ende der Mitgliedschaft bestehen, die mit dem Beginn des rechtswidrigen Streiks eintritt.[1]

[1] Vgl. Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, S. ...

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