Kann ein bestreikter Arbeitgeber wegen des Streiks von ihm mit Kunden abgeschlossene Verträge nicht erfüllen, ist wegen der Rechtsfolge nach der Art des von ihm Geschuldeten zu unterscheiden: Schuldet er einen Gegenstand der Gattung nach, bleibt er verpflichtet, ihn zu liefern. Er muss in ggf. anderweitig beschaffen. Er haftet nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs wegen Verzuges auf Ersatz des Verzögerungsschadens oder auch – nach Rücktritt – auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung.

Besteht für den Arbeitgeber eine beschränkte Gattungsschuld, schuldet er den Vertragsgegenstand also aus eigener Produktion, oder eine Stückschuld, besteht während des Arbeitskampfes eine vorübergehende Unmöglichkeit. Solange aus diesem Grund die Erfüllung ausgeschlossen ist, ist der Unternehmer nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei. Die vereinbarte Gegenleistung kann er nicht verlangen. Schadensersatz wird regelmäßig ausscheiden. Er wird kaum je das eingetretene Leistungshindernis zu vertreten haben. Insbesondere wird man ihm aus Abnehmersicht nicht zumuten können, den Arbeitskampf durch Annahme der gewerkschaftlichen Forderung zu beenden oder dem Streik durch die Einstellung von Streikbrechern die Wirkung zu nehmen. Dem bestreikten Unternehmer droht allerdings unter den allgemeinen Voraussetzungen ein Rücktritt des Vertragspartners. Ansonsten ist der Vertrag nach Wegfall des Leistungshindernisses nachträglich abzuwickeln. Die Rechtsfolgen einer in aller Regel nicht zu vertretenden Unmöglichkeit treten auch bei einem absoluten Fixgeschäft ein, das zu dem für eine sinnvolle Erfüllung allein geeigneten und deshalb vereinbarten Termin wegen eines Arbeitskampfes nicht erfüllt werden kann. Hier tritt mit Fristablauf dauernde Unmöglichkeit ein.

Eine besondere Rechtslage besteht aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben, wenn Verkehrsflüge arbeitskampfbedingt ausfallen. Nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004/EG über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen können die betroffenen Fluggäste vom ausführenden Luftfahrtunternehmen pauschalierte Ausgleichsleistungen in bestimmter Höhe in Anspruch nehmen, wenn der von ihnen gebuchte Flug annulliert wurde und zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Der Anspruch ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach mehrfach bestätigter Rechtsprechung des EuGH gehört zu diesen anspruchsausschließenden außergewöhnlichen Umständen grundsätzlich nicht ein für die Annullierung ursächlicher Streik. Ein Streik ist danach zwar eine Konfliktphase in den Beziehungen zwischen den Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber, dessen Tätigkeit gelähmt werden soll. Der Streik bleibt aber gleichwohl eine der möglichen Erscheinungsformen von Kollektivverhandlungen und ist damit als ein Vorkommnis anzusehen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Arbeitgebers ist. Dies gilt unabhängig von den Besonderheiten des entsprechenden Arbeitsmarktes oder des anwendbaren nationalen Rechts.[1] Auch eine arbeitskampfbedingte Annullierung eines gebuchten Flugs löst damit bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzung den Anspruch auf die Ausgleichszahlung aus.

[1] Zuletzt EuGH, Urteil v. 6.10.2021, C-613/20, Rzn. 20, 21.

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