Zusammenfassung

 
Begriff

Im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses bestehen für Arbeitnehmer verschiedene Pflichten zur Auskunft bzw. Anzeige gegenüber dem Arbeitgeber - aber auch gegenüber dem Finanzamt und den verschiedenen Sozialversicherungsträgern. Anzeigepflichten können sich aus Gesetz, Kollektivvereinbarung oder dem Individualarbeitsvertrag ergeben.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Arbeitsrecht: Die §§ 241, 242 BGB sind allgemeiner Anknüpfungspunkt für vertragliche Nebenpflichten, die arbeitsrechtliche Konkretisierung im Einzelfall obliegt den Arbeitsgerichten. Wichtige gesetzliche Anzeigepflichten: § 5 EFZG (Anzeige der AU); § 15 MuSchG (Anzeige der Schwangerschaft); § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG (Verlangen der Elternzeit). Wichtige Rechtsprechung: BVerfG, Beschluss v. 2.7.2001, 1 BvR 2049/00; BAG, Urteil v. 3.7.2003, 2 AZR 235/02, zur (verfassungs-)rechtlichen Problematik des "Whistleblowing".[1]

Lohnsteuer: § 39e Abs. 4 Satz 1 sowie Abs. 8 Satz 4 EStG regeln die wesentlichen steuerlichen Anzeigepflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Die Anzeigeverpflichtungen des Arbeitnehmers gegenüber dem Finanzamt bei abweichenden Lohnsteuerabzugsmerkmalen bestimmen § 39 Abs. 5 Satz 1 sowie Abs. 7 Satz 1 EStG und § 39e Abs. 6 Satz 5 EStG.

Sozialversicherung: Eine allgemeine Verpflichtung zu Angaben im Rahmen des Meldeverfahrens gegenüber dem Arbeitgeber und den Sozialversicherungsträgern ist in § 28o SGB IV geregelt. Aus § 60 SGB I ergibt sich eine umfassende Informationspflicht für alle Leistungsbezieher gegenüber den betreffenden Leistungsträgern.

[1] "Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (HinweisgeberschutzgesetzHinSchG)" v. 31.5.2023 (BGBl. I, Nr. 140), in Kraft ab dem 2.7.2023, in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 v. 26.11.2019, S. 17).

Arbeitsrecht

1 Strafrechtliche Anzeigepflicht

Strafrechtliche Anzeigepflichten bestehen nur nach § 138 StGB bei der Nichtanzeige geplanter Straftaten. Diese gesetzliche Pflicht zur Anzeigeerstattung durch den Arbeitnehmer schließt automatisch das Vorliegen eines Arbeitsvertragsverstoßes bzw. eines Kündigungsgrundes aus.

Sonstige Anzeigen gegen den Arbeitgeber sind ebenfalls kein arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß[1], wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vorher unterrichtet und dieser nicht in angemessener Zeit Abhilfe schafft. Der Arbeitnehmer ist allerdings verpflichtet, keine haltlosen oder übereilten Beschuldigungen zu erheben und keine sachfremden Ziele zu verfolgen.[2]

Zukünftig wird sich die Rechtsprechung (auch) an den Wertungen und Vorgaben des ab dem 2.7.2023 geltenden "Hinweisgeberschutzgesetz" orientieren.

Die Erstattung einer Strafanzeige durch einen Arbeitnehmer wegen eines vermeintlich strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten stellt als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden – im Regelfall keine eine Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung dar. Dies kann anders zu beurteilen sein, wenn trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts für das Vorliegen der nach dem Straftatbestand erforderlichen Absicht keine Anhaltspunkte bestehen und die Strafanzeige sich deshalb als leichtfertig und unangemessen erweist.[3]

Strafanzeigen von Arbeitnehmern gegen ihren Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in ihren Unternehmen oder Institutionen offenzulegen ("Whistleblowing"), fallen in den Geltungsbereich des Art. 10 EMRK (Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung). Bei der erforderlichen Abwägung ist das öffentliche Interesse an Informationen über Mängel in einem (staatlichen) Unternehmen so wichtig, dass es gegenüber dem Interesse dieses Unternehmens am Schutz seines Rufes und seiner Geschäftsinteressen regelmäßig überwiegt. Allerdings ist der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber zu Loyalität, Zurückhaltung und Vertraulichkeit verpflichtet.[4] Bei der Beurteilung der Frage, ob eine gegen den Arbeitgeber gerichtete Strafanzeige durch den Arbeitnehmer (sog. Whistleblowing) einen Arbeitsvertragsverstoß bis hin zu einem Kündigungsgrund darstellt, hat eine an den Grundrechten der Beteiligten orientierte umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit stattzufinden.[5]

Dabei darf kein Arbeitgeber davon ausgehen, wegen eines gesetzwidrigen Verhaltens nicht angezeigt zu werden. Andererseits darf eine an sich berechtigte Anzeige nicht missbräuchlich gestellt werden – dies soll der Fall sein, wenn objektiv zu erwarten ist, dass der Arbeitgeber auf eine entsprechende innerbetriebliche Beschwerde reagieren und Abhilfe schaffen wird.[6]

Beispiele:

Die vorschnelle Anzeige angeblichen Fehlverhaltens des Arbeitgebers beim Jugendamt durch eine Arbeitnehmerin, die mit der Betreuung von Kleinkindern beschäftigt ist, stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar.[7]

Die Anzeige einer von dem Arbeitgeber ode...

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