Zusammenfassung

 
Begriff

Anzeigepflichten des Arbeitgebers bestehen in verschiedenen, zumeist gesetzlich geregelten Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis auch öffentliche Interessen und Gemeinwohlinteressen betrifft bzw. ein besonderes, durch behördliche Aufsicht gesichertes Schutzbedürfnis seitens des Arbeitnehmers besteht. Die Anzeigepflichten dienen zum einen dazu, damit die Arbeitnehmer die ihnen zustehenden Sozialleistungen von den entsprechenden Sozialleistungsträgern (Krankenkassen, Renten- oder Unfallversicherungsträgern, Arbeitsagenturen) erhalten. Zum anderen soll damit die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen oder sonstigen Vorschriften (z. B. Kündigungsschutz, Mutterschutz) überprüft werden können. Anzeigepflichten gegenüber Finanzämtern haben zentrale Bedeutung für die Besteuerung oder Gewährung fiskalischer Vergünstigungen.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Arbeitsrecht: § 17 KSchG (Massenentlassungsanzeige); § 1a AÜG (Anzeige der Arbeitnehmerüberlassung bei "Kollegenhilfe" von vorübergehender Dauer); § 163 Abs. 2 SGB IX (Anzeige der für die Berechnung der Schwerbehindertenbeschäftigungsquote erforderlichen Daten bei der Arbeitsagentur); § 27 MuSchG (Anzeige der Beschäftigung schwangerer und stillender Frauen bei der Aufsichtsbehörde).

Lohnsteuer: Die wesentlichen steuerlichen Anzeigepflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt sind geregelt in den §§ 38 Abs. 4 Satz 2, 39e Abs. 4 Sätze 3, 5 EStG sowie 41c Abs. 4 Satz 1 EStG. Die Unterlassung eines förmlich anzuzeigenden Sachverhalts führt gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu einer Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist; das unterscheidet die Anzeigeverpflichtung von den sonstigen Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber haftet nach § 42d Abs. 2 EStG nicht, wenn er dem Finanzamt den steuerlichen Fehler anzeigt.

Sozialversicherung: Sozialversicherungsrechtlich sind § 28a SGB IV (Meldepflichten), § 28f Abs. 3 SGB IV (Aufzeichnungspflichten), §§ 192 und 193 SGB VII (Anzeigepflicht einer Unternehmenseröffnung und eines Versicherungsfalls) und die §§ 7 bis 13a BVV (Führung der Entgeltunterlagen) relevant.

Arbeitsrecht

1 Grundsätze

Anzeigepflichten beschreiben die Verpflichtungen (hier des Arbeitgebers), eine andere Partei (Behörden oder den Arbeitnehmer, ggf. auch sonstige Dritte) unaufgefordert über bestimmte Sachverhalte zu informieren oder aufzuklären. Anzeigepflichten sind gleichbedeutend mit Meldepflichten – ein einheitlicher Sprachgebrauch besteht nicht. Davon zu trennen sind Hinweis- und Aufklärungspflichten als Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis, z. B. über Gefahren am Arbeitsplatz.

Die Verletzung von Anzeigepflichten stellt oftmals eine Ordnungswidrigkeit dar und ist bußgeldbewehrt. Daneben kann sich der Arbeitgeber im Einzelfall schadensersatzpflichtig gegenüber dem Arbeitnehmer machen.

2 Massenentlassungen

 
Hinweis

Mögliche Änderung der BAG-Rechtsprechung

Am 14.12.2023 hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts die Absicht mitgeteilt, seine bisherige Rechtsprechung zur Auswirkung unterlassener oder fehlerhafter Massenentlassungsanzeigen aufgeben zu wollen. Danach könnten Kündigungen zukünftig trotz unterbliebener oder fehlerhafter Massenentlassungsanzeige wirksam sein. Die betreffenden Verfahren wurden zunächst ausgesetzt und der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts wurde angefragt, ob dieser an der bisherigen Rechtsauffassung weiterhin festhält.[1]

Bei Massenentlassungen hat der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit schriftlich Anzeige zu erstatten.[2] Örtlich zuständig ist die Agentur, in deren Zuständigkeitsbereich die sozioökonomischen Auswirkungen der Entlassungen eintreten. Dies wird (vgl. § 327 Abs. 4 SGB IV) regelmäßig der Ort sein, in welchem der betroffene Betrieb ansässig ist.[3]

Die Anzeige muss rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigungen, aber nach dem abgeschlossenen Anhörungsverfahren des Betriebsrats erfolgen.[4] Die Meldung der Arbeitnehmer als arbeitssuchend entbindet den Arbeitgeber nicht von seiner Anzeigepflicht.[5]

Erfasst werden auch "andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses". Dazu zählen Änderungskündigungen und Aufhebungsverträge; streitig ist, ob auch Arbeitnehmer erfasst werden, die in eine Transfergesellschaft wechseln.[6] Auf den jeweiligen Kündigungsgrund kommt es nicht an. Nicht einbezogen werden außerordentliche Kündigungen.[7]

Der Betrieb[8] muss mindestens 21 Arbeitnehmer beschäftigen.[9] Möglich ist die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung verbundener Konzernunternehmen, die den Entlassungen in einem der Unternehmen zustimmen muss.[10] Ausgenommen sind durch die Eigenart der Betriebe bedingte Entlassungen bei Saison- und Kampagnebetrieben.[11] Der Betriebsrat ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG zu beteiligen. Er muss durch den Arbeitgeber schriftlich mindestens in dem dort vorgegebenen Umfang unterrichtet werden. Die Unterrichtung des Betriebsrats ist parallel der Agentur für Arbeit zuzuleiten. Die (nachfolgende) Stellungnahme des Betriebsrats wiederum ist gem. § 17 Abs. 3 der Anzeige zu ihrer Wirksamkeit beizuf...

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