Das LAG Niedersachsen entschied im Juli 2022 einen Fall zu Rechtsfolgen des AGG, wenn der Arbeitgeber Pflichten des Behindertenschutzes aus dem SGB IX nicht erfüllt.[1] Gemäß § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX sind Arbeitgeber, wenn sie eine Stelle ausschreiben, dazu verpflichtet, bei der Besetzung von offenen Stellen sich mit der Bundesagentur für Arbeit in Verbindung zu setzen. Das soll im Rahmen einer Prüfung der Anstellbarkeit von schwerbehinderten Menschen gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX die Anstellung von schwerbehinderten Menschen begünstigen. Dazu urteilte das LAG Niedersachsen, dass der erfolglos gebliebene Bewerber unterstellen könne, dass bei der Besetzung der freien Stelle eine Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit unterblieben ist. Hat der Arbeitgeber die Bundesagentur für Arbeit nicht einbezogen, begründet dies nach § 22 AGG die Vermutung, dass der ausschreibende Arbeitgeber Behinderte benachteiligt hat.

 
Wichtig

Beweislast des Arbeitgebers

Diese Beweislastregel ergibt sich aus der typischen Beweisnot für Arbeitnehmer in Diskriminierungsfällen. Kann der abgewiesene Bewerber unterstellen, dass der Arbeitgeber die Bundesagentur für Arbeit nicht nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX einbezogen hat, trifft den Arbeitgeber die sog. sekundäre Darlegungslast. Sekundäre Darlegungslast bedeutet, dass der Beklagte Auskunft geben muss, wozu der Kläger keinen Beweis führen kann, da ihm insofern die tatsächlichen Umstände unbekannt sind.

Antwortet der Arbeitgeber auf die Prozessbehauptung nur unzureichend, ist er seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Das führt dazu, dass gemäß § 138 Abs. 3 ZPO die Behauptung des Klägers als zugestanden, also unbestritten gilt.[2] Das Gericht trifft seine Entscheidung dann auf Basis des Klägervortrags.

In diesem Kontext urteilte das BAG, dass die Verletzung von Vorschriften, die sich auf den Bewerbungsprozess beziehen und behinderte Menschen schützen sollen, die Vermutung gemäß § 22 AGG begründet, dass der Arbeitgeber einen behinderten Bewerber benachteiligt hat.[3]

[1] LAG Niedersachsen, Urteil v. 12.7.2022, 11 Sa 569/21, juris.
[2] Musielak/Voit/Stadler, 20. Aufl. 2023, § 138 ZPO, Rz. 10a.

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