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Von einem muss man sich verabschieden, von dem Begriff Lohngerechtigkeit. Gerechtigkeit ist eine subjektive Wahrnehmung. Was Sie gerecht finden, finde ich nicht gerecht. Es muss kleinteiliger gedacht werden und die Rahmenbedingungen dürfen nicht außer Acht gelassen werden.

Regina Rusch-Ziemba, Stellvertretende Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)

Im Rahmen der Vorbereitungen für unser Buch haben wir zahlreiche Gespräche geführt. Dabei sind uns viele New-Pay-Beispiele aus klein- und mittelständischen Unternehmen begegnet. Was die berechtige Frage aufkommen ließ: Gibt es New-Pay-Ansätze auch in großen Unternehmen, oder gar in Konzernen? Die Antwort ist: Ja. Es gibt diese Vorreiter auch bei den Konzernen, beispielsweise die Deutsche Bahn AG.

Im Herzen von Berlin direkt am Potsdamer Platz liegt der im Jahr 2000 erbaute BahnTower, mit Blick auf den Tierpark, das Regierungsviertel und den Berliner Hauptbahnhof. Er bildet den Abschluss des Sony Centers, das ebenfalls zu Anfang der 2000er eröffnet wurde. Hier sitzt die Dachgesellschaft der Deutschen Bahn und hier werden alle wichtigen Konzernentscheidungen getroffen. Weltweit arbeiten für den Konzern 320.000 Menschen – davon allein 198.000 in Deutschland. Damit gehört die Deutsche Bahn zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Der BahnTower war genau der richtige Ort für unser Interview zu einem wegweisenden New-Pay-Ansatz. Diesen Ansatz hat unter anderem die IG Metall aufgegriffen und auf die Verhältnisse der Metall- und Elektroindustrie angepasst.

Die Tarifrunde 2016

Die Verhandlungen der Tarifrunde 2016 zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und dem Deutsche-Bahn-Konzern starteten am 17.10.2016 in Frankfurt am Main. Nach außen gelassen wirkend, herrschte hinter den Kulissen Hochspannung. Wird es im Verlauf der Verhandlungen zu Warnstreiks kommen, oder werden die Verhandlungspartner vorher eine Einigung erzielen? Ein paar Wochen später, in der ersten Dezemberwoche, startete die vierte Verhandlungsrunde. Die Gewerkschaft kündigte im Vorfeld an, dass sie zu allem entschlossen sei. Die zentrale Frage ist damals: Einigung oder Warnstreik? Nur diese beiden Optionen stehen im Raum. "Entweder wir kriegen heute einen Tarifabschluss hin oder wir werden eine deutlich härtere Gangart einschlagen müssen, damit der Arbeitgeber endlich versteht, dass wir eine Spaltung der Eisenbahnerfamilie nicht akzeptieren werden", so Regina Rusch-Ziemba, stellvertretende Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).[1]

Es beginnt die harte Phase der Tarifverhandlung. Marathonsitzungen sind an der Tagesordnung. Die EVG drängt auf einen Abschluss und erhöht den Druck. Am 12.12. ist es dann geschafft, die beiden Tarifparteien haben eine Einigung erzielt. Nach einer letzten Marathonsitzung liegt der neue Tarifabschluss zwischen der Deutschen Bahn und der EVG vor. "Wir haben es geschafft; in langen und zeitweise sehr schwierigen Verhandlungen konnten wir unser Wahlmodell letztendlich doch so durchsetzen, wie wir das wollten", macht EVG Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba deutlich.[2]

Das individuelle Wahlrecht als Kern des Tarifabschlusses

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Die Eisenbahngewerkschaft EVG und die Bahn AG schließen einen Tarifvertrag ab, der für andere Branchen beispielgebend sein könnte.

Frankfurter Rundschau[3]

Im Ergebnis vereinbarten die Tarifparteien eine Lohnerhöhung von 5,1 %, welche in 2 Stufen ausgezahlt werden sollte. Für die EVG-Mitglieder bedeutete dies eine Lohnerhöhung von 2,5 % ab dem 1.4.2017 sowie weitere 2,6 % für die Zeit nach dem 1.1.2018. Laufzeit des Tarifvertrages: 24 Monate. Wie üblich wurde für die Übergangsphase auch eine Einmalzahlung vereinbart. So klingt erst einmal eine Meldung, wie man sie von vielen Tarifverhandlungen gewohnt ist. Doch dieses Mal war etwas anders. Zum ersten Mal in der Tarifvertragsgeschichte haben sich die Tarifparteien auf ein wegweisendes, individuelles Wahlmodell geeinigt.

Das Wahlmodell ermöglicht den EVG-Mitgliedern, in der zweiten Stufe des Tarifabschlusses, also ab dem 1.1.2018 zwischen 3 Optionen individuell zu wählen:

  • 2,6 % mehr Geld oder
  • 6 Tage zusätzlicher Urlaub oder
  • eine Stunde Arbeitszeitverkürzung

Damit ist der 12.12.2016 ein Meilenstein für den Ansatz von New Pay in großen, tarifgebundenen Unternehmen. Die Frankfurter Rundschau gab am 13.12.2016 dazu folgende Meldung heraus: "Neuartiges Wahlmodell – Die Eisenbahngewerkschaft EVG und die Bahn AG schließen einen Tarifvertrag ab, der für andere Branchen beispielgebend sein könnte."[4] Und die Frankfurter Rundschau sollte recht behalten: Der damit vorliegende Tarifvertrag hat auch die Tariflandschaft anderer Branchen maßgeblich verändert.

Was im Dezember 2016 schriftlich fixiert wurde, ist in der Zwischenzeit Realität geworden und die ersten Erfahrungen liegen vor. Doch wie es zu diesem ungewöhnlichen Tarifabschluss gekommen?

Wie die Idee zum Wahlmodell entstanden ist

Über den gesamten Entstehungsweg bis zum Tarifabschluss und die damit einhergehenden Er...

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