Hinzuverdienstgrenzen bei der Rente fallen

Coronabedingt war die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten in den Jahren 2020 bis 2022 jeweils deutlich angehoben worden. Nun wurde sie bei vorgezogenen Altersrenten zum 1. Januar 2023 aufgehoben. Mit dem Bezug einer Altersrente kann dann hinzuverdient werden, ohne dass es zu einer Anrechnung auf die Rente kommt.

Früherer Rentenzugang plus Zusatzverdienst – die Kombination war zulässig, aber an Höchstgrenzen des Nebenjobs gekoppelt. Als erstes Türchen im sozialpolitischen Adventskalender hat der Bundestag am 1. Dezember nun diese Hinzuverdienstgrenzen gekappt. Während der Corona-Zeit waren diese Grenzen ohnehin aufgehoben, daraus wird nun eine klare Grundlage: es geht sowohl Rente als auch zusätzlicher Verdienst. Der Gesetzgeber öffnet damit die Tür zum Rentenbezug auf Basis der eigenverantwortlichen Entscheidung. Frühere Rente (gleich Abschlag, also Kürzung) ist möglich bei Gleichzeitiger Aufbesserung der Nettolücke durch – jetzt unbegrenzten – Hinzuverdienst. 

Hinzuverdienstgrenze: Weitere Beschäftigung Älterer erwünscht

In den vergangenen beiden Jahren lag die Hinzuverdienstgrenze für Frührentner im Rahmen einer befristeten Corona-Sonderregelung bei rund 46.000 Euro. Ohne die geplante Gesetzesänderung wäre durch Auslaufen der Sonderregelung zum 1. Januar 2023 automatisch wieder die Grenze von 6.300 Euro im Jahr in Kraft getreten. Das hat der Gesetzgeber nun am 1. Dezember 2022 aufgehoben und geklärt.

Wörtlich begründet der Gesetzgeber das mit den damit attraktiveren Hinzuverdienstmöglichkeiten und der weiteren Beschäftigung Älterer: "Durch die damit einhergehende Flexibilität beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand kann ein Beitrag geleistet werden, dem bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Gleichzeitig wird durch den Wegfall das bestehende Recht vereinfacht und Bürokratie abgebaut, insbesondere bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung" (Drucksache 20/3900, S. 59).

"Sowohl-als-auch" als sozialpolitisches Paradigma

Was heißt das für die Praxis? Arbeitgeber können nun flexibler den demografischen Wandel steuern. Ein "Ausgleiten" aus dem Berufsleben in einem "Sowohl-als-auch“ Szenario ist denkbar. Der Gesetzgeber schließt nicht aus, dass der Hinzuverdienst beim gleichen, also bisherigen Arbeitgeber entsteht. So auch in der Zeit der Corona-Sonderregelung, die zu der Konstellation geführt hat, dass Rentenbezug plus Weiterarbeit realisiert werden konnte. Dieses Modell ist jetzt auch künftig möglich. Denkbar sind reduzierte Arbeitszeiten, etwa eine Teilzeitregelung für Rentenbezieher. So könnten Auftragsspitzen durch ein Arbeitsmodell nach der KAPOVAZ-Regelung möglich werden. KAPOVAZ ist die Abkürzung für "Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit" und reguliert die sogenannte Abrufarbeit. Grundlage ist § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetz ("Arbeit auf Abruf"). Aber auch eine reguläre Weiterbeschäftigung ist möglich.

Weitere Verbesserungen bei Hinzuverdienstmöglichkeiten

Zu den Gesetzänderungen zählen auch erweiterte Hinzuverdienstmöglichkeiten in der Künstlersozialkasse (KSK). Während hier bislang maximal 450 Euro im Monat aus einer nicht-künstlerischen Tätigkeit hinzuverdienen durften, bleiben diese Mitgliedspersonen künftig so lange über die KSK abgesichert, wie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit noch als "Hauptberuf" erkennbar ist. Auch für Empfänger einer Erwerbsminderungsrente gibt es jetzt klare Verbesserungen. Ein jährlicher Hinzuverdienst von rund 17.800 Euro bleibt anrechnungsfrei. Diese Grenze wird künftig jährlich neu festgelegt unter Berücksichtigung der Entwicklung der anderen Sozialversicherungsgrenzen.

Hinzuverdienstgrenze: Neues Ideenfeld eröffnet

Insgesamt hat der Gesetzgeber jetzt den personalpolitischen Instrumentenkoffer am Ende des Erwerbslebens flexibilisiert und neue Möglichkeiten zur operativen Ausgestaltung geschaffen. Die Ideen zur Umsetzung können jetzt mit den Erfahrungen der temporären Regelung während der Corona-Phase zu individuellen Regelungen reifen. Rentennahe Jahrgänge und Rentenbezieher können Szenarien für das berufliche Ausklingbecken definieren. Der Fachkräftemangel ist dadurch nicht behoben. Aber ein neues Ideenfeld zur betrieblichen Ausgestaltung von Lösungsmöglichkeiten wurde eröffnet.


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