Vor­ge­setzter muss nicht Deutsch spre­chen

Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass Führungskräfte in Gesprächen mit dem Betriebsrat oder mit den Beschäftigten Deutsch sprechen und es verstehen. Ist gewährleistet, dass Mitarbeitergespräche oder Besprechungen mit dem Betriebsrat übersetzt werden, liegt keine Verletzung von Mitbestimmungsrechten vor. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Nürnberg.

Das LAG Nürnberg hatte über die Klage des Betriebsrats einer Filiale eines spanischen Bekleidungsunternehmens zu entscheiden, bei dem in Deutschland rund 4.500 Beschäftigte in 80 Verkaufsstellen arbeiten. Die Filialleiterin sprach Englisch und Italienisch, aber kaum Deutsch. Personal- und Bewerbungsgespräche wurden auf Englisch geführt. Darüber beklagten sich einzelne Mitarbeiter beim Betriebsrat. Auf Betriebs- und Mitarbeiterversammlungen übersetzten die stellvertretende Filialleiterin oder andere Abteilungsleiter für die Filialleiterin, laut Betriebsrat sei jedoch bei machen Äußerungen, die zu schwierig zu übersetzen gewesen wären, eine Übersetzung unterblieben.

Verletzung von Mitbestimmungsrechten?

Der Betriebsrat forderte, dass die Kommunikation mit der Filialleiterin auf Deutsch erfolgen müsse. Anderenfalls würden die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretung verletzt. Es handele sich hier um Fragen "der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer" im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG , die nach dem Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig seien.

Das Unternehmen argumentierte, die 64 Arbeitnehmer der Filiale kämen aus einem Dutzend verschiedener Länder und sprächen unterschiedliche Sprachen. Sie könnten teilweise selbst schlecht oder kaum Deutsch. Es treffe nicht zu, dass manche Äußerungen, weil zu schwierig, nicht übersetzt worden seien. In den Monatsgesprächen mit dem Betriebsrat sei stets eine Personalreferentin anwesend und übersetze etwaige englische Angaben der Filialleiterin. Jedem Arbeitnehmer stehe es frei, innerhalb des Betriebes nur auf Deutsch zu kommunizieren, auch mit der Filialleiterin. Es beständen keine gültigen Vereinbarungen über die zu verwendende Sprache. Da das Begehren des Betriebsrats letztlich bewirken würde, dass nur deutschsprachige Mitarbeiter als Führungskräfte eingesetzt werden könnten, lägen auch ein unzulässiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit und eine verbotene Diskriminierung der Filialleiterin wegen ihrer Herkunft vor. Es sei gewährleistet, dass immer jemand für die Filialleiterin übersetze.

Keine Behinderung der Betriebsratsarbeit

Das Landesarbeitsgericht konnte durch die in der Filiale gängige Praxis keine Verletzung eines Mitbestimmungsrechts erkennen und bestätigte das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, welches den Antrag des Betriebsrats ebenfalls abgewiesen hatte.

Ein Anspruch des Betriebsrats mit dem Ziel, dass diese Kommunikation, die auf die Möglichkeit zur Wahrung der Rechte des Betriebsrats und seiner Mitglieder abzielt, nur in deutscher Sprache geführt wird, hätte allenfalls aus § 78 BetrVG – Behinderung der Betriebsratsarbeit – oder aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG – Ermöglichung und Erleichterung der Kommunikation – hergeleitet werden können. Wesentliche Behinderungen der Betriebsratsarbeit oder Einschränkungen der Entfaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats liegen jedoch nicht vor, wenn gewährleistet ist, dass sämtliche Erklärungen der Filialleiterin in verständlicher Form gegenüber den Betriebsratsmitgliedern abgegeben und die Erklärungen von Betriebsratsmitgliedern gegenüber der Filialleitung auch entgegengenommen und wahrgenommen werden können.

Hierzu gehört, dass Erklärungen in Schrift- oder Textform zumindest dann in deutscher Sprache den Betriebsratsmitgliedern oder – über den Betriebsratsvorsitzenden – dem Betriebsratsgremium zur Kenntnis gegeben werden, wenn die Betriebsratsmitglieder die Fremdsprache nicht ausreichend beherrschen. Entscheidend ist, dass die Texte in deutscher Sprache beim Betriebsrat ankommen und von den Betriebsratsmitgliedern an die Vertreter des Arbeitgebers auf den Weg gegeben werden können.

Bei gewährleisteter Übersetzung ist die Benutzung einer Fremdsprache zulässig

Dies gilt in derselben Weise auch für mündliche Erklärungen der Beteiligten. Wenn gewährleistet ist, dass Erklärungen der Filialleiterin gegenüber dem Betriebsrat oder Betriebsratsmitgliedern übersetzt werden, soweit dies gewünscht ist, ist gleichzeitig gewährleistet, dass die Betriebsratsmitglieder verstehen und nachvollziehen können, was die Filialleitung meint und ihnen zu verstehen geben will.

Es ist aber nicht erkennbar, so das LAG Nürnberg, aus welchem Grund der Arbeitgeber verpflichtet sein sollte, mit Arbeitnehmern, die die englische Sprache gut – vielleicht sogar besser als die deutsche – beherrschen, nur in deutscher Sprache reden zu dürfen. Hierfür gebe es weder nachvollziehbare Gründe noch ein Bedürfnis.

Hinweis: LAG Nürnberg, Beschluss vom 18.6.2020, Az. 1 TaBV 33/19


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