Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers

Arbeitnehmer sind verpflichtet, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses über bestimmte Betriebs- und Unternehmensinterna Stillschweigen zu bewahren. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitgeber an der Geheimhaltung ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht diese Verschwiegenheitspflicht weitgehend fort.

Die Verschwiegenheitspflicht ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Seit Ende April 2019 gilt außerdem das Gesetz zum Schutz vor Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG), mit welchem die EU-Geheimnisschutzrichtlinie umgesetzt wurde. Die Regelungen des GeschGehG sind an die Stelle des früheren § 17 UWG getreten. Für Auszubildende gibt es in § 13 Satz 2 Nr. 6 BBiG eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht, für Betriebsratsmitglieder in § 79 Abs. 1 BetrVG, für Arbeitnehmer, die eine Diensterfindung gemacht haben, in § 24 Abs. 2 ArbnErfG.

Arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht oder Geschäftsgeheimnisgesetz

Die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht ist umfassender als die Verschwiegenheitspflicht aus § 23 GeschGehG. Sie erstreckt sich auf alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie auf Tatsachen, die die Person des Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers in besonderem Maße berühren und die er aufgrund seiner Tätigkeit im Unternehmen erfahren hat. Dem Arbeitnehmer ist es aufgrund der arbeitsvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme verwehrt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen oder diese für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen.

Die Verschwiegenheitspflicht besteht allerdings nur, wenn der Arbeitgeber an der Verschwiegenheit ein berechtigtes Interesse hat. Deshalb sind Vertragsklauseln, durch die der Arbeitnehmer zur Geheimhaltung aller ihm bekannt gewordener geschäftlicher oder betrieblicher Tatsachen verpflichtet wird, unverhältnismäßig und stellen eine unangemessene Benachteiligung dar. Wenn sich der Arbeitgeber auf den Schutz des GeschGehG berufen möchte, muss er rechtzeitig "den Umständen nach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" ergreifen.

Für die Verletzung der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht kommt es nicht darauf an, ob dem Arbeitnehmer das Geheimnis infolge des Arbeitsverhältnisses bekannt geworden ist oder ob er privat davon Kenntnis erlangt hat. Auch ist nicht erforderlich, dass er zum Zwecke des Wettbewerbs oder aus Eigennutz oder mit dem Ziel der Schadenszufügung Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse weitergibt.

Verstoß gegen arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflicht

Die arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflicht bezieht sich zunächst nur auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Sie beginnt grundsätzlich mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags und besteht bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Werden dem Arbeitnehmer bereits im Rahmen der Verhandlungen zum Arbeitsvertragsabschluss Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse mitgeteilt, kann er sich bei unbefugter Weitergabe ebenfalls schadensersatzpflichtig machen.

Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung, kann dies eine ordentliche oder auch eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen und eine Schadensersatzpflicht begründen. Liegt eine Geheimnisverletzung im Sinne von § 23 GeschGehG vor, macht sich der Arbeitnehmer zusätzlich auch noch strafbar und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden.

Nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht

Ob die Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet, ist nicht geregelt. Grundsätzlich darf ein Arbeitnehmer seine Kenntnisse und Erfahrungen, die er während des Arbeitsverhältnisses erworben hat, für sich verwerten, auch wenn sie auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen beruhen. Grenzen bestehen dort, wo ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gilt. Allerdings darf ein Arbeitnehmer nur die Informationen verwenden, die er in seinem Gedächtnis bewahrt hat. Werden Informationen und Kenntnisse allein aus dem Gedächtnis rekonstruiert, können sie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterverwendet werden. Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, sein Wissen zusätzlich durch die Mitnahme von schriftlichen Unterlagen oder Dateien aufzufrischen und zu sichern. Außerdem dürfen Kenntnisse von Betriebsgeheimnissen, die unter Verstoß gegen § 23 GeschGehG erlangt wurden, in keiner Weise verwendet werden. Dadurch erzielte Resultate sind mit dem Makel der Wettbewerbswidrigkeit behaftet. Es ist zulässig, eine vertragliche Schweigepflicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus zu vereinbaren.

Im Gegensatz zur Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kann eine solche Vereinbarung auch ohne zeitliche Beschränkung und ohne Vereinbarung einer Karenzentschädigung getroffen werden. Auch eine Regelung zur Herausgabe sämtlicher Daten beziehungsweise Unterlagen aus dem Arbeitsverhältnis, bei gleichzeitiger Löschung beziehungsweise Vernichtung unter Abgabe einer entsprechenden Erklärung, ist zulässig.

Whistleblowing: Bei überwiegendem öffentlichen Interesse gebilligt

Unter bestimmten Voraussetzungen besteht ein Anzeigerecht des Arbeitnehmers, um einen gesetzeswidrig handelnden Arbeitgeber bei staatlichen Stellen anzuzeigen oder die Öffentlichkeit über betriebliche Missstände zu informieren (sogenanntes Whistleblowing), auch wenn dadurch grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen öffentlich gemacht werden. Unter Berücksichtigung der besonderen Pflichtenkollision wird dies von der Rechtsordnung bei überwiegendem öffentlichen Interesse gebilligt. Hat der Arbeitgeber ein internes Hinweisgebersystem installiert, ist der Arbeitnehmer jedoch verpflichtet, den Missstand zunächst innerbetrieblich anzuzeigen.


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Schlagworte zum Thema:  Verschwiegenheitspflicht, Whistleblowing