Recht auf Urlaubsabgeltung bei vorzeitigem Ruhestand

Wer vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und seinen Resturlaub bis dahin nicht genommen hat, kann dafür Urlaubsabgeltung verlangen. Das gilt auch bei einem freiwilligen vorzeitigen Ruhestand, hat der Europäische Gerichtshof im Fall eines italienischen Verwaltungsleiters entschieden.

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub sowie auf die finanzielle Abgeltung der Urlaubstage ist in der europäischen Arbeitszeitrechtslinie geregelt. Nach dieser haben Beschäftigte, die ihren gesamten bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende ihrer Arbeitsverhältnisse nicht nehmen konnten, Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub.

Eine italienische Regelung, nach der Mitarbeitende keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für nicht genommene Urlaubstage haben, wenn sie das Arbeitsverhältnis selbst beenden, widerspricht EU-Recht, stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest und bestätigte damit seine bisherige Urlaubsrechtsprechung.

Der Fall: Gemeinde verweigert Vergütung von nicht genommenem Resturlaub

Der Arbeitnehmer war von 1992 bis Oktober 2016 im öffentlichen Dienst als Verwaltungsleiter bei der Gemeinde Copertino beschäftigt. Als er vorzeitig in den Ruhestand ging, verlangte er eine finanzielle Vergütung für 79 Resturlaubstage, die er bis zu dem Zeitpunkt nicht genommen hatte. Der Arbeitgeber, die Gemeinde, verweigerte dies unter Hinweis auf eine italienische Regelung, nach der Angestellte im öffentlichen Dienst keinen Anspruch auf finanzielle Vergütung für bis dato nicht genommenen Jahresurlaub haben, wenn sie auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.

EuGH: Italienische Rechtsvorschrift widerspricht EU-Urlaubsrecht

Der EuGH stellte in seinem Urteil fest, dass eine nationale Regelung, die eine finanzielle Abgeltung des Urlaubs verbietet, EU-Recht widerspricht. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub, einschließlich seiner etwaigen Ersetzung durch eine finanzielle Vergütung, dürfe nicht rein wirtschaftlichen Überlegungen wie der Eindämmung öffentlicher Ausgaben untergeordnet werden. Daher habe der Arbeitgeber, die Commune di Copertino, den Ausschluss der Urlaubsabgeltung nicht damit begründen dürfen, dass dadurch öffentliche Ausgaben geringgehalten werden sollen.

Der Gerichtshof machte deutlich, dass der Arbeitgeber nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie zwar die ordnungsgemäße Planung des Urlaubszeitraums vornehmen müsse, das vorrangige Ziel der Richtlinie jedoch darin bestehe, dass Arbeitnehmende sich erholen und Arbeitgeber Sorge dafür tragen müssten, ihre Beschäftigten dazu anzuhalten, den Jahresurlaub zu nehmen.

Grundsätze zum Urlaubsverfall gelten

Dementsprechend bestätigte der EuGH in seinem Urteil seine bisherige Rechtsprechung und wies erneut darauf hin, dass der Urlaubsanspruch oder der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nur in wenigen Ausnahmen verfallen dürfen. Hierzu müsse der Arbeitgeber nachweisen können, dass der Mitarbeiter den Urlaub aus freien Stücken nicht genommen habe, obwohl der Arbeitgeber ihn zuvor auf den möglichen Verfall am Ende eines Bezugs- oder Übertragungszeitraumes hingewiesen und zudem dazu aufgefordert habe, den Urlaub zu nehmen.

Ausschluss der Urlaubsabgeltung durch eine arbeitsvertragliche Verfallsklausel

Grundsätzlich seien Arbeitgeber verpflichtet, den Nachweis, dass sie sorgfältig über die Fakten zum Urlaub und Verfall unterrichtet haben, zu erbringen. Davon seien öffentliche Arbeitgeber nicht ausgenommen, stellte der EuGH fest. Ob der Arbeitgeber nachweisen könne, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt habe, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, müsse aber das nationale Gericht prüfen.

Hinweis: Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2024 in der Rechtssache C-218/22


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Schlagworte zum Thema:  EuGH, Urteil, Urlaub, Vergütung